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Geschichte

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Angers

Sehenswertes

Im Schloss- Wandteppich der Apokalypse

– Bildteppich der Apokalypse: in der großen Galerie (von 1954). Von der kleinen Burg aus dem Jahre 1450, einem eleganten Vorbau des Schlosses mit Erkertürmchen gelangt der Besucher in die riesige Galerie mit ihrem einzigartigen, unvergleichbaren Meisterwerk: der Apokalypse!

Es handelt sich um einen gewaltigen, über hundert Meter langen Bildteppich aus fünfundsiebzig Teilen mit Szenen aus der Offenbarung nach Johannes. Dieser Bildteppich hat eine lange Geschichte: beinahe begräbt sie die Tapisserie unter sich. Deren Entstehung reicht bis ins 14. Jh. zurück und ist dem außergewöhnlichen Zusammentreffen des Willens eines Prinzen, der Finanzkraft eines begüterten Geschäftsmanns, des großen Talents eines Malers und eines Pappenmachers sowie der reichen Erfahrung der Teppichweber der Zeit zu verdanken. Ludwig I. von Anjou gab somit diesen Wandteppich zum Thema der Offenbarung nach Johannes in Auftrag. Für den Künstler war die Deutung ihrer komplizierten Bilder nicht leicht. Wie sollte er etwa ein Tier zeichnen, »mit sieben Köpfen und zehn Hörnern, das war und nicht ist und wieder da sein wird«? Die vollendete Webekunst ist eine Pracht: doppelte oder dreifache Fäden zur Reliefgebung, Schattierungen von einmaliger Raffinesse, nuancenreiche Farben. So sind die ursprünglichen Pflanzenfarben beispielsweise haltbarer als jene, die bei der Erneuerung des Teppichs im 19. Jh. verwandt wurden. Fünfunddreißig Teppichweber arbeiteten sieben lange Jahre an diesem Meisterwerk, der größten Tapisserie in ganz Europa, der ersten mit religiösem Motiv. Sie war in aller Munde wie heute vielleicht die Pyramide vor dem Louvre und erwies sich sogar als reversibel. So wurden vor kurzem die außergewöhnlichen Ursprungsfarben völlig erhalten hinter dem Futteral entdeckt. Der Bildteppich reiste zu allen großen Anlässen, Hochzeiten der Prinzen wie religiösen Festen. Gegen Ende des 15. Jhs wurde er der Kathedrale Saint-Maurice vermacht, in der er lange Zeit das Kirchenschiff und den Chorraum schmückte.

Im 18. Jh. klagten die Stiftsherrn jedoch darüber, dass der Teppich ihren Gesang dämpfe und wollten ihn kurzerhand verkaufen, denn Mikrophone stellten damals noch Mangelware dar. Außerdem waren zu diesem Zeitpunkt die Tapisserien völlig aus der Mode gekommen. Glücklicherweise fand sich kein Käufer. Die einzelnen Teppichbahnen dienten in der Folge den verschiedensten Zwecken: als Fußmatte, Pferdedecke oder Winterschutz für die Orangenbäume. Im Jahre 1844 wurde mit ihnen bei der Renovation des Bischofssitzes sogar das Parkett abgedeckt.

Wie durch ein Wunder machte sich einer der Stiftsherrn von Saint-Maurice, beunruhigt über diesen skandalösen Umgang mit der Kunst, dann doch auf die Suche nach den in alle vier Himmelsrichtungen des Anjou verstreuten Teppichbahnen. Es gelang ihm den größten Teil, gleich einem Puzzle, zu rekonstituieren. Danach wurden bedeutende Restaurationen an dem Teppich vorgenommen. Heute ist er wieder in seinem alten Glanz zu sehen, zwar etwas kürzer als ursprünglich, aber letzten Endes fehlen nur etwa zehn Bahnen. Ein erfreuliches Resultat: die sechs ursprünglichen Teile konnten wiedergefunden werden.