Wie aus Galliern Römer ...
Wie aus Galliern Römer wurden
Leben im römischen Reich - Asterix´ Widerstand als stilisierte Wunschvorstellung
Wie aus Galliern Römer wurden | Klett-Cotta Verlag | 474 Seiten | 29,50 Euro | von Helga Botermann
Das kennt man ja: Ganz Gallien ist von den Römern besetzt. Ganz Gallien? Ja!
So lautet zumindest das korrigierte Fazit in Helga Botermanns vorliegendem Werk, das aus historischer Sicht die Zeit der römischen Herrschaft in Gallien untersucht. Gallien einzugrenzen bzw. zu kartographieren ist streng genommen gar nicht möglich. Helga Botermann wählt deshalb für ihre Untersuchungen ein spezifisches Terrain, genau genommen die römische Provinz Narbonensis, also die heutige südfranzösische Gegend um Nimes und Narbonne. Dort blühte die römische Lebenskultur besonders auf, was sich bis heute eindrucksvoll an den noch sichtbaren Überresten in Form von Theatern oder Aquädukten in eben jenen Städten bewundern lässt.
Genau mit diesen baulichen Überresten sind wir bei der Schnittstelle zwischen Archäologie und Geschichte angelangt, ein möglicher wissenschaftlicher Untersuchungskonflikt zwischen diesen beiden Disziplinen wird von der Autorin angedeutet. Womit wir dann auch wieder bei der üblichen Wissenschafts-Thematik an sich angelangt wären, die ja gerne mal den Verstand kosten kann. Einfach deswegen, weil man sich stets aufs Neue wundert, über derlei Haarspaltereien und Ab- und Ausgrenzungsversuche. Doch das gehört eben auch zum guten und korrekten Ton wissenschaftlicher Literatur und dieser opulente Band hier zählt zweifelsfrei dazu, auch wenn die Autorin sich bewusst alle Mühe gibt, normalsterblich-leserlich zu schreiben.
Dieser gelungene Versuch hat sicherlich auch dazu beigetragen, das Buch zum historischen Buch des Jahres 2005 zu küren, und ich attestiere an dieser Stelle selbiges: Ein lesenswertes, interessantes Buch, das für Historiker wie auch für den Nicht-Wissenschaftler gleichermaßen Anregungsstoff und Unterhaltung bietet. Eingerahmt in römisch-antike Geschichte wird die spannende Konfrontation zwischen der bürgerlichen römischen Hochkultur und der barbarisch, keltisch-gallischen Lebensweise untersucht. Bauliche Überreste, unzählige Inschriften und natürlich antike Schriftquellen werden von der Autorin angefügt und analysiert. Zeittafeln, Glossare und Legenden runden ein positives Bild ab, das wie so vieles aus der Geschichten faszinieren kann.
Damit zum Beispiel, dass sich die Griechen, die als erste Marseille eroberten, wunderten, dass die Gallier im Sitzen aßen, während es bei den Griechen üblich war im Liegen zu essen. Oder eben, dass es nicht den bei Comic-Asterix stilisierten Widerstand der Gallier gab, sondern stattdessen waren es Gallier, die sich scheinbar nahtlos in das aristokratische Bürgerleben der römischen Stadtstruktur integrierten. Und dass grausame Gladiatorenkämpfe in der Antike populär waren und mit heutigen moralischen Maßstäben nicht verglichen werden können, liest sich ebenfalls spannend. Zu den Geschichten und Untersuchungen gibt es sehr viele Fotos, Zeichnungen und alte Pläne. Dies ist alles wissenschaftlich auf dem neuesten und besten Stand, keine Einwände.
Um die Diskussion darüber hinaus ein bisschen anzuregen, abschließend doch noch einmal die Frage, ob wirklich alle Gallier sich so bedingungslos fügten wie es das Buch andeutet. Schließlich ist das keltische Weltbild nun gar nicht konform mit der Bürgerkultur der Römer und irgendeinen Grund muss es doch gegeben haben, dass die alten Keltenstämme bis in die Bretagne respektive auf die britischen Inseln geflüchtet sind, oder? Oder sind die Gallier eben doch keine Kelten mehr? Fragen und Anregungen, die sich gerne und wie von selbst auftun, wenn man dieses kompakte Buch gelesen und studiert hat.
MG
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