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Montoire-sur-le-Loire

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Hauptstadt des Loiretals

MONTOIRE-SUR-LE-LOIR (41800)

Sieht man von Vendôme einmal ab, stellt Montoire die »Hauptstadt« des Flußtals dar. Die Stadt ist nichts Besonderes, aber ihre Lage am Loir wertet sie in unseren Augen auf. Obendrein findet sich hier eine zauberhafte Kapelle, die sich immer noch im Ruhm Ronsards sonnt. Ebenfalls hier, im städtischen Bahnhof, fand das Treffen von trauriger Berühmtheit zwischen Hitler und Pétain im Oktober 1940 statt. Weshalb ausgerechnet hier? Ganz einfach: weil der Diktator auf einen Zug nach Spanien wartete, wo er mit seinem Spießgesellen Franco zusammenkam.

Der Händedruck des Feindes

»Marschall, hier bin ich ...«, hätte Hitler an jenem 24. Oktober 1940 singen können. In der Tat findet sich, vier Monate nach dem Waffenstillstand, der kleine Bahnhof von Montoire, der bescheidene Mittelpunkt des Départements Loir et Cher, mit französischen und deutschen Fähnchen geschmückt. Lastwagen laden Blumen und Palmen ab sowie einen langen, roten Teppich, denn der Führer trifft sich mit Pétain. Ein merkwürdiges Treffen, von dem Berichterstatter begeistert Zeugnis ablegen: »Im Hof erweist ein deutsches Bataillon die Ehre, während der Marschall, dessen Käppi Eichenblätter zieren, langsam, ernst und undurchdringlich aus dem Wagen steigt. Der Führer seinerseits steigt aus dem Eisenbahnwaggon, macht einige Schritte vor dem Marschall und drückt ihm dann lange die Hand. Höflich gibt er sein Bedauern kund: »Es wäre mir lieber gewesen, Sie unter anderen Umständen zu treffen.« Dieser Händedruck stellte den Beginn der Kollaboration dar, an dem Frankreich bis heute zu knabbern hat.

An eine Zeit der Resignation und Anerkennung der Niederlage von Beginn der Besetzung bis Ende 1940 schloß sich die Phase der mehr oder weniger zurückhaltenden bzw. engagierten Zusammenarbeit (»collaboration«) mit den verhaßten Deutschen an (1941-1942). Später erlangten dann nach eher traditionalistischen Kräften faschistische Elemente im unbesetzten Teil Frankreichs die Oberhand: Stichworte sind die »Milice française« unter Darnand, die PPF (Parti Populaire français) unter Jacques Doriot, sowie der »francisme« unter Marcel Bucard. Das Gros der Franzosen indes nahm eine für die schweigende Mehrheit typische Haltung ein, nämlich die des Abwartens (»attentisme«), ohne sich in die eine oder andere Richtung zu engagieren.

Nachdem die Alliierten begonnen hatten, dem ganzen Spuk ein Ende zu setzen, lautete die französische Hauptstadt für eine kurze Zeit übrigens nicht Paris, sondern ... Sigmaringen! Hierher hatten die Deutschen den Chef des Vichy-Regimes gebracht, unter dessen Führung bis 1945 noch eine Marionetten-Exilregierung bestand. Es sollte ihn nach der »libération« 1945 aber zurück in seine Heimat ziehen, wo eine Atmosphäre der politischen Säuberung (»épuration«) herrschte. Pétain wurde zunächst zum Tode verurteilt, dann aber zu lebenslänglicher Haft begnadigt. Was aus den deutschen Kriegsverbrechern und Mordbuben wurde? Nun, die schwangen sich in der jungen Bundesrepublik zu neuen Ehren auf, etwa als Ministerpräsident, Kanzlerberater und Richter, oder zogen sich z.B. als praktizierende Ärzte in die gewerbliche Wirtschaft zurück ... Über Nacht war nämlich ein Wunder geschehen: alle Nazis hatten sich zu mehr oder weniger geheim operierenden Widerstandskämpfern geläutert. Ihre wahre Fratze sollte sich fünfundvierzig Jahre später erst wieder zeigen, als sie zur Zeit des Anschlusses der sog. neuen Bundesländer Auftrieb verspürten. Nun aber zurück zu erfreulicheren Dingen ...

Nützliche Adressen

  • S. I.: im Rathaus, place Clemenceau. Tel. 54 85 23 30, Fax: 54 85 23 87, otsi@montoire-sur-le-loir.net, www.montoire-sur-le-loir.net.
  • Nächtigen und einkehren

    Hotel du Cheval Rouge: 1, place Foch. Tel. 54 85 07 05, Fax: 54 85 17 42. Im Sommer täglich geöffnet. Das Restaurant ist dienstagabends und mittwochs geschlossen. Die provinzielle, traditionelle Küche dieses Zwei-Sterne-Hotels in einer ehemaligen Postkutschenstation genießt in der Region einen guten Ruf. Von den etwas teureren Doppelzimmern ist den, dafür aber leiseren Zimmern zur Hofseite der Vorzug zu geben. Im Restaurant werden schmackhafte Menüs geboten, beispielsweise mit Schnecken, überbackenem Kalbsfleisch oder Ochsenzunge, dann Käse und Dessert.

    Sehenswertes

    – Chapelle Saint-Gilles: in der Innenstadt Richtung Château-Renault, dann gleich rechts hinter der Brücke in eine Sackgasse. Nicht ausgeschildert. Die Kapelle versteckt sich im Winkel einer Gasse, hinter einer Mauer und einem Vorbau. Besichtigungen täglich, außer mittwochs von Oktober bis Ende März. Der Schlüssel ist im Geschäft »Art Antique«, 33 bis, rue Saint-Oustrille erhältlich.

    Die romanische Kapelle aus dem 11. Jh. ist der einzige Überrest eines für die Pilger auf dem Weg nach Saint-Martin in Tours und nach Santiago de Compostela gegründeten Priorats. Fast zwanzig Jahre lang war Ronsard Titular des Priorats. Die Apsen bilden ein ungewöhnliches Kleeblatt. Gemälde, die als Meisterwerke religiöser Kunst gelten, bedecken das Gewölbe. Das älteste Fresco stammt aus dem beginnenden 12. Jh. und befindet sich in der Hauptapsis. In Anlehnung an die Offenbarung stellt es einen thronenden Christus dar.

    – Von der Brücke bietet sich ein einmaliger Blick auf den Loir, dessen Ufer alte Gemäuer und eine idyllische Vegetation säumen.

    – An der Place Clemenceau blieben einige stilvolle Gebäude aus der Renaissance erhalten.

    – Burg: auf einem Felsvorsprung an der Straße nach Château-Renault. Inmitten von Ruinen ragt ein stolzer, quadratischer Bergfried aus dem Mittelalter in die Höhe. Von oben Panoramablick auf das Tal.

    – Festival international de Montoire: jedes Jahr in den ersten beiden Augustwochen. Seit über zwanzig Jahren lädt die Stadt Folkloresänger und -tänzer aus der ganzen Welt ein. Das Festival erstreckt sich auf Kirchen, Schlösser in der Umgebung und die Straße (großer Blumenkorso). Auskunft: Tel. 54 72 60 91 oder 54 86 60 68.

    Sehenswürdigkeiten in der Umgebung

    – Parc botanique de La Fosse: von Montoire auf die Straße nach Troo, dann Richtung Fontaine-les-Coteaux. Der Park ist ausgeschildert. Tel.: 54 85 38 63, Fax: 54 85 20 39, jacques.gerard3@wanadoo.fr. Nur im Rahmen einer Führung zugänglich. Von Mai bis Ende September samstags, sonntags und an Feiertagen um 14.30h und um 16.30h sowie um 15h im Oktober. Für Kinder ist der Eintritt frei. Leider ist das ganz schön teuer, aber dieser Park, der ganz unter Naturschutz steht, ist in seiner Art einmalig und seine Unterhaltung kostet ein Vermögen.

    Das im 18. Jh. geschaffene Parkgelände gehört immer noch der Familie Gérard, von der ein Vorfahre die Kaiserin Joséphine beriet. Die Botanikfreunde, begeistert von seltenen Arten, nutzten im 19. Jh. die zahlreichen naturwissenschaftlichen Expeditionen rund um den Globus zur Einführung neuer Baumsorten in Frankreich, die heute noch in dieser Baumschule wachsen, eine der letzten im Land. Trotz Frost und Trockenheit zeigten sich etliche Sorten resistent und neue kamen hinzu. Wir wollen nur einige der unzähligen Bäume und Sträucher auf diesem fünfundzwanzig Hektar großen Gelände nennen: Pinien, Zedern, Rhododendron, Magnolien, Alpenveilchen aus Neapel und andere Vertreter mit zauberhaften Namen (Davidia Involucrata, Prunus Maackii, Amaryllis Belladonna oder Cephalotaxus Fortunei ...).