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Geschichte

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Aus der Literatur berühmt

SAUMUR (49400)

Saumur, drittgrößte Stadt im Anjou und für sein sagenumwobenes Schloß bekannt, wurde im Stundenbuch der »Très Riches Heures« (Sehr Reichen Stunden) des Herzogs von Berry verewigt und rühmt sich namhafter Weine, so dass es sich eigentlich erübrigen würde, die Stadt hier vorzustellen. Wer an einem hellen Morgen am rechten Loireufer nach Saumur hineinfährt, wird sofort verstehen, weshalb der Miniaturenmaler sich solche Mühe gab: Schloß, verziertes Rathaus und stilvolle Adelshäuser an der Uferpromenade geben eines der fotogensten Motive überhaupt ab.

Etwas Geschichte

Im 9. und 10. Jh. befand sich hier zunächst vor allem ein Kloster – die Mönche wußten schon immer, wo es am schönsten ist – das von den Normannen, die voller Neid und Mißgunst waren, dem Erdboden gleichgemacht wurde. Thibault, Herzog von Blois, errichtete an gleicher Stelle ein Schloß und begann mit dem Bau einer Ringmauer, die Saumur vielleicht ihren Namen verlier (salvus murus). Im Jahre 1203 wurde Saumur durch Philipp August den französischen Kronlanden angegliedert. Eine kleine Stadt entwickelte sich am Fuße des Hügels und des Schlosses, das vom 14.-15. Jh. durch die Herzöge von Anjou an Pracht gewann. Erst der aufkommende Protestantismus machte die Stadt wirklich bekannt. Viele Bürger Saumurs, verstimmt über die Privilegien der umliegenden Abteien (Fontevraud, Saint-Florent), bekannten sich zum Protestantismus. Im Jahre 1589 war Saumur eine Hochburg dieser neuen Glaubensrichtung. Philippe Duplessis-Mornay, Theologe und Feldherr, künftiger Vertrauter Heinrichs IV. und Fadenzieher bei der Annäherung der Stadt an Heinrich III., wurde der erste Gouverneur Saumurs. Durch die Gründung der Akademie wurde aus Saumur das Genf Frankreichs. Sein Ruf verbreitete sich in ganz Europa. Professoren und Studenten wurden in seinen Bann gezogen. Zeitweise gab es bis zu zwölf Buchhandlungen mit Druckereien in der Stadt. Wirtschaftliche Dynamik ging mit dem neuen Denken einher. Saumur trat in eine Blütezeit ein.

Die Katholiken, auch nicht faul, gingen mit der Gründung von sieben Klöstern vor den Toren der Stadt und eines theologischen Seminares zu Beginn des 17. Jhs in die Gegenoffensive. Die philosophischen Streitgespräche zwischen den beiden Glaubensrichtungen büßten bis heute in Frankreich nichts von ihrer Berühmtheit ein. Ein weiteres Mittel im Kampf gegen die Calvinisten bestand in der großen Volkswallfahrt nach Notre-Dame-des-Ardilliers. Nach dem Widerruf des Edikts von Nantes (1685), das den Protestanten freie Ausübung ihres Glaubens zugestanden hatte, wurden Akademie und Buchhandlungen schließlich geschlossen und die Studenten aus der Stadt vertrieben. Es kam zur Massenemigration des protestantischen Bürgertums, die wirtschaftliche Dynamik ließ nach. Saumur fiel an den Ufern der Loire in einen Dornröschenschlaf.

Im 18. Jh. kam die staatliche Ausbildungsstätte der Kavalerie und im Jahre 1825 das berühmte Cadre noir nach Saumur, in dem die Offiziersanwärter den klassischen Reitstil lernten. Daneben bestand das bedeutendste Gewerbe in der patenôtrie, der Herstellung von Rosenkränzen. Der Name nimmt Bezug auf das pater noster. Bis zur Jahrhundertwende beschäftigte dieses Gewerbe etwa 1.500 Personen, und die Rosenkränze Saumurs wurden bis in die muslimischen Länder exportiert.

Balzac verlegte einen großen Teil seines Romans »Eugénie Grandet« nach Saumur. Die Umgebung Saumurs war ihm wohlvertraut, da er nicht wenige Jahre hier verbrachte. Mag die Beschreibung der Stadt in seinem Roman auch gelungen sein, Vater Grandet weist jedoch nur wenig Ähnlichkeit mit seinem lebenden Vorbild, Jacques Nivelleau auf. In der Tat sind im Roman die verschiedensten Eigenschaften entsprechend der dichterischen Vorstellung Balzacs in einer Person vereint.

Im Jahre 1940 zeichnete Saumur sich durch seine heroische Verteidigung gegen die Angriffe der Deutschen aus. Totz eines denkbar ungleichen Kräfteverhältnisses gelang es den achthundert Schülern der Kavalerieschule, ohne entsprechende militärische Ausrüstung unter großen menschlichen Verlusten dem Vorrücken des Erbfeindes (des sann jo mia!) mehrere Tage lang Einhalt zu gebieten. Die Deutschen rieben sich verwundert die Soldatenaugen ob eines solchen Ausmaßes an Widerstand.