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Jacques Coeur

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Haut-Berry (Cher)

Bourges an der Loire

Geschichtliches

Bourges, Fast-Hauptstadt Frankreichs

Ab dem 12. Jh. erlebt Bourges trotz des Hundertjährigen Krieges eine Blütezeit, die etwa dreihundert Jahre anhalten wird. Seit dem Abtritt des Bas-Berry an Blanche von Kastilien durch Johann Ohneland und dem Rückkauf der Grafschaft von Sancerre durch Ludwig IX. untersteht das Berry endgültig der französischen Krone. Handwerk und Handel entfalten sich, neue Orden tauchen auf, Kirchen und Herrenhäuser werden gebaut. Ihren Höhepunkt erreicht diese feudale Zeit unter Karl V., dessen Bruder, der Herzog von Berry, davon träumt, Bourges den Titel einer Hauptstadt zu verleihen. Er scheitert zwar in seinem Vorhaben, aber der Ruf Bourges verbreitet sich dank hier lebender Künstler und Gelehrter über ganz Europa. Anschließend fällt die Region an Karl VII., der sich nach dem Tod seines Vaters in der Nähe von Bourges zum König ausrufen läßt. Seine Mutter ist jedoch taub auf dem Ohr: nachdem ihr Gatte Karl VI. dem Wahnsinn erlegen war, hatte sie die Regentschaft übernommen und beschloß nun selbst die Zügel in der Hand zu behalten, indem sie sich auf die Verbündeten der Engländer stützte. Frankreich war damals nämlich ein vom Bürgerkrieg zerrissenes Land. Wenige Tage vor der Selbstkrönung Karls VII. hatte sie Heinrich VI. von Lancaster in Paris auf den Thron gehievt. Somit besaß das Land nun zwei Könige, von denen einer, offiziell ungekrönt, in Bourges thronte. Seine Spötter nannten ihn herablassend »den kleinen König von Bourges«.

Nichtsdestotrotz bildetete Karl VII. seine eigene Regierung und umgab sich mit einem Hofstaat. Zwei Personen halfen ihm im wesentlichen bei der eigenen Legitimierung und der Vertreibung der Engländer: die Jungfrau von Orléans und ein großer Finanzminister namens Jacques Coeur.

Jacques Coeur, erster Kapitalist Frankreichs

Jacques Coeur, Sohn eines Kaufmanns aus Bourges, erfasste schnell die Möglichkeiten, welche die Anwesenheit Karls VII. in seiner Heimatsstadt ihm boten. Er beteiligte sich zunächst an der Prägung der königlichen Münze und wurde dann im Jahre 1439 Finanzminister. In dieser Stellung kommt er dank eines Netzes von Vertretern in ganz Frankreich überall ins Geschäft und dehnt seinen Einflußbereich vom Mittelmeer bis zum Nordmeer aus. Sein kapitalistischer Instinkt läßt ihn die Bedeutung vertikaler Konzentration erfassen: in den meisten profitbringenden Bereichen kontrolliert er sowohl die Rohstoffgewinnung als auch Verarbeitung und Vertrieb. Innerhalb von zehn Jahren scheffelt er beträchtlichen Reichtum durch Salzhandel, Herstellung (im Namen des Königs) der meisten Metalle im Reich und Manufakturen jeglicher Art. Nicht zu vergessen seine Beteiligungen an Reedereien (wie nach ihm Onassis), am Transport- und Bankwesen. Ganz legal geht es dabei aber nicht immer zu: auf seinen zahlreichen Reisen in den Orient tätigt er auch schon mal krumme Geschäfte, insbesondere im Waffenhandel ...

Gleichzeitig fungiert er als Außenminister Karls VII. und finanziert vor allem dessen Armeen in Hinblick auf die Rückeroberung des Landes. Er ist auch ein kunstbeflissener Mäzen, wovon nicht zuletzt sein Luxusdomizil in Bourges Zeugnis ablegt. Nachdem der König ihn in den Adelsstand erhoben hatte, wird er dessen engster Berater und leitet die wirtschaftliche Sanierung des Landes, wobei er jedoch immer seine persönlichen Interessen im Auge behält: er setzt zahlreiche Monopole im Handel mit dem Orient durch, darunter das lukrative Monopol im Gewürzhandel und bleibt offizieller Hoflieferant. Soviel Erfolg zeitigt viele Feinde. Der Adel mißgönnt diesem Neureichen seine Stellung, und der König selbst, der im übrigen nicht unbeträchtlich in der Schuld des Bankiers steht, schenkt den Gerüchten schließlich Gehör: Jacques Coeur scheint dazu zu neigen, sein Geld mit dem des Königtums zu verwechseln. Letzten Endes wird der große Finanzminister eingekerkert und gefoltert. Nach einem gelungenen Fluchtversuch taucht er im Ausland unter und soll im Jahre 1456 auf einer griechischen Insel gestorben sein. Seine Leiche wurde nie gefunden.

Wer autotouristisch auf den Spuren Jacques Coeurs wandeln möchte, folgt der Route Jacques Coeur durch die Départements Loiret und Cher. Auskünfte zu Sehenswürdigkeiten, Unterkunft und dergleichen beim Comité Départemental de Tourisme in Bourges (Anschrift und Telefonnummer s. »Nützliche Adressen« im Kap. »Praktische Hinweise für die Reise«).