Anfänge
Berühmte Stadt an der Loire
TOURS (37000)
Den Kopf von der Loire umflossen, die Füße vom Cher, öffnet sich Tours liebevoll dem Besucher. Tours war immer eine offene, freundliche und fröhliche Stadt. Und dennoch strahlt es eine Ruhe aus, wie sie nur Orte mit einer ruhmreichen Vergangenheit eigen ist. Nicht jeder Stadt war es vergönnt, Hauptstadt eines Königreiches zu sein. Einer der Vorzüge ist schnell genannt: Tours liegt im Herzen der Region. Von hier aus läßt sich das ganze Umland leicht und mit den unterschiedlichsten Verkehrsmitteln bequem erobern. Was hält den Fremden also davon ab, für einige Tage sein Standquartier hier aufzuschlagen?
Kurzer Blick in die Geschichte
Die Gallorömische Epoche
Im ersten nachchristlichen Jahrhundert gründet Kaiser Augustus die römische Stadt Caesarodunum. In der Nähe lag eine Siedlung von Turonern, wie man die Gallier dieses Landstrichs nannte. Die Stadtgründung hatte vermutlich strategische Gründe. Die Häuser errichtete man auf Pfählen direkt über der Loire; eine Befestigung fehlte. Im 3. Jh. kam es zu den ersten Wanderungsbewegungen und Aufständen. Kurz: die Zeiten wurden unsicher. Dennoch begann man erst im 4. Jh. mit dem Bau eine Befestigungsanlage. Hier und da findet man noch Reste davon, besonders beim Schloß und der Kathedrale.
Der heilige Martin und das aufkommende Christentum
Ein einzelner Mann markiert den Einzug des Christentums: der heilige Gatien, nach dem die Kathedrale benannt ist, wird vom Papst zum ersten Bischof berufen. Doch erst unter dem Episkopat des heiligen Martin, von 371 bis 397, faßt die neue Religion Fuß: er teilt sein Bistum in sechs Pfarrbezirke ein und befiehlt den Abbruch der konkurrierenden Tempel und heidnischen Götzenbilder. Selbst die Mächtigen hatten vor ihm Furcht und Achtung. Als er 397 in Candes, dem Zusammenfluß von Loire und Vienne, stirbt, streitet man sich um seine Leiche. Es wird erzählt, dass die Bewohner von Tours seine sterblichen Überreste in Poitiers stibitzt haben. Wie dem auch sei, im 5. Jh. wird über seinem Grab in Tours eine erste Basilika errichtet.
Hundert Jahre später wußten Chlodwig und seine nicht minder heilige Frau Chlothilde genau, an welchen Heiligen sie sich wandten. Sie waren überzeugt, dass es Martin von Tours war, der ihnen im Sieg gegen den Westgoten Alarich unsichtbar aber hilfreich zur Seite stand. Das westgotische Aquitanien konnte annektiert werden. Zum Dank beehrte Chlodwig die Grabstätte in Tours mehrere Male mit seinem Besuch. Und er war nicht der Einzige! Von überall her strömten die Pilger in Scharen herbei, um den Heiligen zu verehren, in der Hoffnung auf seine Wunderkraft oder schlicht aus Neugierde. Entstanden war eine Art Lourdes des frühen Mittelalters. Und mit der Menge kam auch das Geld. Unzählige Spenden und Stiftungen füllten die Kassen der Basilika, die inzwischen Abtei geworden war, und sich infolge dieses neuen Rangs vergrößern konnte.
Glanz und Elend der Christenheit
Zwei Jahrhunderte nach Martin war die Reihe an Gregor, als Bischof Ruhm und Ehre von Tours zu mehren, dieses Mal aber mit intellektuellen Mitteln. Seine Geschichte der Franken dient den Historikern bis heute als wertvolle Quelle über das fränkische Königshaus. Im 7. und 8. Jh. war Tours eine Hochburg der geistigen Welt. Aber auch die weltliche Pracht stand in voller Blüte. Natürlich bekamen die Araber Wind davon, und entschlossen sich, einen kleinen Ausflug gen Norden zu machen. Vielleicht gab es ja etwas zu holen. Aber »732 besiegte Karl Martell die Araber bei Poitiers«.
Lernen die französischen Kinder das immer noch in der Schule? Denn immer gewichtigere Argumente sprechen dafür, dass das Schlachtfeld vor den Toren Tours lag und nicht bei Poitiers. Jedenfalls haben die Araber ihr Ziel nicht erreicht. Ende des 8. Jhs übergibt Karl der Große die Abtei St. Martin dem berühmten Mönch Alkuin, sozusagen als Abschiedsgeschenk an einen Freund, der sich Tours als Alterssitz gewählt hatte. Um sich zu beschäftigen, widmet sich Alkuin dem Unterrichtswesen. Der Erfolg ist so durchschlagend, dass Studenten aus ganz Europa herbeieilen. Das Scriptorium, die Schreibstube des heiligen Martin, macht durch hervorragende Kalligraphien und Illustrationen auf sich aufmerksam. Hier entsteht unter anderem auch die sogenannte Alkuin-Bibel.
Doch die Zeiten verdüstern sich von neuem. Nach den Arabern sind es diesmal die Normannen, die das Land heimsuchen: Tours wird geplündert und die Kathedrale sowie die übrigen Kirchen in Brand gesteckt ... Der Reichtum der Kirche muß die wandernden Völkerscharen regelrecht dazu herausgefordert haben. So rächt sich sündhafte Anhäufung von Hab und Gut oder hat schon mal jemand etwas von einem ausgeplünderten Einsiedler gehört? Als Folge der Heimsuchung wird gegen Anfang des 10. Jhs ein Festungsgürtel um die Abtei gelegt. Innerhalb der Mauern entsteht eine neue Siedlung: Châteauneuf oder Martionopol, westlich der alten gallorömischen Anlage. Leider noch im selben Jahrhundert wird Châteauneuf ein Opfer der Flammen. Alles oder fast alles muß wiederaufgebaut werden.
Nach den Kreuzzügen kehrte für kurze Zeit Friede ein, nicht lange allerdings. Diesmal sind es innere Streitigkeiten, die Martinopol erschüttern. Sie münden in einen handfesten Krach zwischen dem Klerus und dem Erzbischof von Tours. Auch die Päpste schalten sich ein. 1096 Urban III. und 1162 Alexander III. Letzterer errichtet in Tours eine päpstliche Residenz. Ein Jahr später beruft er das Konzil in Tours ein.