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Frühe Geschichte

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Sagenhafte Vergangenheit

ORLEANS (45000)

Orléans hätte die Hauptstadt Frankreichs sein können und wäre es auch beinahe geworden. Ihre strategisch bedeutende Lage am längsten Fluß Frankreichs begünstigte die Stadt: Verkehrsknotenpunkt, wichtige Handelsstadt, politisches, geistiger und religiöser Mittelpunkt. Aber wegen ihrer wilden Umgebung mit zuviel Wald und vor allem der Nähe zur Sologne, deren Sümpfe lange für Malariaseuche verantwortlich waren, fiel die Wahl schließlich auf Paris.

Und doch irrte eine gewisse Jungfrau in ihrer Annahme nicht, dass zur Rettung des französischen Königreichs eine ganz bestimmte Stadt nicht in die Klauen der englischen Eroberer fallen durfte: Orléans. Historiker sind sich darin einig, dass der Ausgang der Belagerung von 1429 für Einheit und Unabhängigkeit des Landes entscheidend war und der französischen Identität endgültig Form gab. Somit eine »zentrale« Stadt, die jedoch nicht zum Zentrum avancierte. Sie begnügt sich damit, Hauptstadt der Région Centre und damit des historischen Herzens Frankreichs zu sein sowie ganz nebenbei auch Mittelpunkt des Départements Loiret.

Ist es auf diese verlorene – oder vielmehr nie ganz errungene – Größe zurückzuführen, dass es sich um eine große, aber unglaublich ruhige Stadt handelt, die weit weniger eingebildet als Paris und weniger arrogant, um nicht zu sagen weniger ehrgeizig, als andere regionale Zentren ist?

Dennoch ist Orléans keine tote Stadt, in der sich der Besucher langweilt. Weit gefehlt! Nur die Hektik scheint nicht in ihrer Natur zu liegen. Auch nicht das Flanieren – wir befinden uns nicht in Südfrankreich. Nein, Orléans lebt nach seinem Rhythmus, hält seine Vergangenheit in Ehren – Jeanne d´Arc wird hier immer noch gefeiert – und bereitet mit viel Bedacht seine Zukunft vor, wie immer ohne Aufsehen zu erregen, auch wenn einige Zeitschriften hierzu ironisch anmerken: »So jungfräulich geht es in dieser Stadt gar nicht zu«.

Etwas Geschichte

Wie wir bereits betonten, begünstigte die Lage der Stadt an der nördlichsten Windung der Loire schon früh den Handel. So hatten schon die Karnuten, ein gallischer Volksstamm, hier ihre Märkte abgehalten. Genabum, der damalige Name der Stadt, galt als Mittelpunkt Galliens, und die Jahresversammlung der Druiden – darunter Panoramix – fand stets hier statt. Diese Vormachtsstellung sowie Auseinandersetzungen mit römischen Händlern brachten Caesar zur Weißglut, so dass er die Stadt dem Erdboden gleichmachte und beschloß, dort eine große, römische Siedlung hochzuziehen, die im 3. Jh. n.Chr. den Namen Aurelianorum erhielt. Im fünften Jahrhundert zieht die wohlhabende Handelsstadt die Aufmerksamkeit Attilas auf sich, der sie mit seinen Hunnen plündert, aber ohne die Beute vor einem römischen General, der von dem heiligen Bischof Saint Aignan zur Hilfe gerufen wird, fliehen muß. Der Bischof wird zum ersten Helden der Stadt.

Bischöfe und Könige

Bereits im vierten Jahrhundert war Orléans ein Bischofssitz, religiöse Bedeutung gewinnt es jedoch zu Beginn des 6. Jhs, als Chlodwig hier die ersten französischen Konzilien zusammenruft, auf denen das Regalrecht und die Beziehung zwischen Krone und Kirche geregelt werden. Im neunten Jahrhundert strahlen die Abteien der Region auf das gesamte Land aus. Im Jahre 848 krönt Erzbischof Ganelon Karl II. den Kahlen, künftiger Kaiser des weströmischen Reichs, in Orléans zum französischen König. Nach den Karolingern erweisen die Kapetinger der Stadt die Ehre: Robert II. der Fromme, Begründer des französischen Königshauses, erblickt hier das Licht der Welt. Sein Herr Vater krönt ihn an Weihnachten 987 in der Kathedrale von Orléans zum König von Frankreich – was für ein Geschenk!

Durch Schulen und Literatur spielten auch die Bischöfe in der geistigen Entwicklung der Stadt eine bedeutende Rolle. Da Kurse in Griechisch und Recht aus unerfindlichen Gründen vom Papst in Paris untersagt worden waren, verlegten die Intellektuellen ihre Studien im 13. Jh. nach Orléans.

Dann kam die Jungfrau von Orléans

Die Belagerung Orléans von 1428-1429 ist in der Geschichte Frankreichs ein entscheidendes Kapitel. Der Hundertjährige Krieg tobt, und die französischen Festungen fallen eine nach der anderen der englischen Armee in die Hände. Im Oktober 1428 stehen 4.000 Mann vor den Toren der vom Rest des Landes abgeschnittenen Stadt. Da es den Engländern auf Grund des komplexen Verteidigungssystems der Stadt nicht gelingt, sich ihrer zu bemächtigen, führen sie über mehrere Monate einen Nervenkrieg und hungern die Bevölkerung aus.

Und in diesem Augenblick, am 29. April, durchschreitet Jeanne d´Arc – in ihrem achtzehnten Frühling die burgundische Pforte in Begleitung ihrer Krieger und des »Bastards« von Orléans, des zukünftigen Karl VII., den sie mit einer sensationellen Geschichte über ihre himmlische Mission einzuwickeln wußte. Wie dem auch sei, ist die Kleine ganz schön mutig. Sie wirft dem Aggressor ein Ultimatum an den Kopf »Gott, der himmlische König, hat mich hierher gesandt, und ich werde euch allesamt aus Frankreich vertreiben« und spendet den Bewohnern der Stadt neuen Mut. Gegen den Willen der Verantwortlichen vor Ort greift sie wiederholt den Feind an, das weiße Banner im Wind. Jedesmal trägt sie den Sieg davon, wird aber eines Tages von einer Armbrust an der Schulter getroffen. Die Engländer schöpfen wieder Hoffnung, die Franzosen sind kurz davor, aufzugeben. Vergessen wir aber nicht: gleich Achilles, dem die Götter im Kampf gegen Troja beistehen, ist auch Jeanne d´Arc kein jedermann. Ein Schlag Quecksilberchrom zum Desinfizieren, und schon sitzt sie wieder auf ihrem treuen Streitroß, das Banner in der Hand. Und das Wunder geschieht: am nächsten Tag, Sonntag, dem achten Mai, packen die geschlagenen Engländer ein und kehren nach Hause zurück.

Jeanne gibt sich hiermit nicht zufrieden: sie erobert, eine nach der anderen, sämtliche Städte an der Loire und trägt am achtzehnten Juni in Patay ihren letzten Sieg davon. Einen Monat später weht ihr Federbusch – nein, natürlich ihr weißes Banner – in der Kathedrale von Reims über dem endlich gekrönten Haupt des Bastards, der wieder seinem Land gehört.