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Zankapfel

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DAS HAUT-BERRY (CHER)

BOURGES (18000)

Bourges, das sich einst in den Händen Jacques Coeurs, des Finanzministers Karls VII. und ersten Kapitalisten Frankreichs, befand, wird heute vom kommunistischen Bürgermeister Raimbault regiert – so eine Stadt gibt es kein zweites Mal! Ein weiteres Paradoxon: Bourges lebt zwar vor allem von seiner Rüstungsindustrie, gilt jedoch seit den Tagen André Malrauxs, der hier das erste Kulturhaus Frankreichs einrichtete, als Kulturstadt par excellence. Da es sich nicht mit seiner Funktion als Hauptstadt des Départements Cher und Herzen des Berry begnügen wollte, wurde Bourges mit seinem »Frühling« Hauptstadt des Chansons, wobei es die Gelegenheit nutzt, daran zu erinnern, dass es geographischer Mittelpunkt Frankreichs ist! Bourges bewahrte auch ein reiches architektonisches Erbe: der Besucher wird überrascht sein, neben der fabelhaften Kathedrale und bedeutenden Museen unzählige Straßen mit fotogenen Behausungen aus dem Mittelalter sowie Sümpfe, beinahe in der Innenstadt, zu entdecken. www.bourges.info

Noch ein Detail: die Bewohner von Bourges hören es nicht gerne, wenn sie »Bourgeois« genannt werden – warum wohl? Die richtige Bezeichnung ist »Berruyers«. Sei´s drum ...

Geschichtliches

Das heutige Berry entspricht in etwa der Fläche, die 600 v.Chr. die Biturigen, ein keltischer Volksstamm, bewohnten. Mittelpunkt dieses Gebiets war Avarich, das dann von Julius Caesar im Jahre 52 v.Chr. in Avaricum umbenannt wurde, nachdem er zuvor die 40.000 hier Zuflucht suchenden Gallier niedergemetzelt hatte. Die Römer machten aus der Siedlung eine der beiden Hauptstädte Südfrankreichs, neben Bordeaux, das damals noch Burdigala hieß. Während dreieinhalb Jahrhunderten blühte Avaricum dann dank seiner Aquädukte und der Verkehrswege, die es mit dem Rest Galliens verbanden. Danach erlebte die Stadt die Verwüstungen der ehemaligen römischen Kolonie durch verschiedene Eroberer: Germanen wie Westgoten, Normannen, Wandalen ... Zwischenzeitlich war die Region der Biturigen zu Berry geworden, Avaricum in Bourges umgetauft, das wahrscheinlich »reich an Wasser« bedeutet.

Der Zankapfel Berry

Nach dem Ende innerer Machtkämpfe, insbesondere zwischen den Herzögen von Aquitanien (die Provinz, zu der das Berry gehört) und den Frankenkönigen, kommt die Region im zehnten Jahrhundert wieder zur Ruhe. Im elften Jahrhundert verkauft der Vicomte von Bourges, der lieber in Jerusalem gegen die Heiden ins Feld zieht, seine Ländereien an Philipp I., der sodann das Berry den französischen Kronlanden angliedert und Bourges zu einer der bedeutendsten Städte Frankreichs werden läßt. Im übrigen wird sein Enkel Ludwig VII. der Jüngere in der Kirche von Bourges gekrönt. Die Annulierung seiner Ehe mit Eleonore von Aquitanien löst jedoch den Hundertjährigen Krieg aus. Die Verräterin besitzt tatsächlich die Stirn, Heinrich II. von England, ihrem zweiten Ehemann, ihre Ländereien, das heißt einen beträchtlichen Teil Frankreichs, zu schenken.

Zu dieser Mitgift zählt unter anderem das Bas-Berry. In dieser mißlichen Situation treten die beiden Teile des Berry, das Haut-Berry und das Bas-Berry in eine nachträglich amüsante Phase des Wettrüstens ein. Im Jahre 1190 wird in Bourges der Grosse Tour errichtet, ein Turm von dreiunddreißig Metern Höhe mit sechs Meter dicken Wänden, der die Stadt nach außen verteidigt. Im Gegenzug ziehen die englischen Vasallen in Issoudun, damals englisches Herrschaftsgebiet, den ebenso beeindruckenden Tour Blanche hoch. Somit war die Aufrüstungsstrategie in West und Ost mit ihren Atomraketen noch nicht einmal ein neuer Gedanke ...

Zur selben Zeit leitete der Erzbischof von Bourges die ersten Arbeiten an der Kathedrale ein, und die Stadtmauern wurden angesichts des Bevölkerungswachstums erweitert.