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Ludgate

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Besuch der Flüstergalerie

Tower of London

Durch Ludgate Hill nach Hause

Beherzter blickten wir nun hinauf und wandelten in dem hohen Raume, in welchem unserer Tritte feierlich widerhallten; wie lauter Donner ertönte es durch das weite Gewölbe, als man oben auf der Galerie, die am Fuße des Doms rings um denselben hinläuft, eine Tür zuwarf. Wir stiegen hinauf zu dieser Galerie; wunderbar ist der Blick von dort hinab und hinauf. In der Höhe glaubt man eine zweite Kirche sich erheben zu sehen, so hoch ist noch immer von hier das Gewölbe des Doms. In der Tiefe scheint der aus großen schwarzen und weißen Marmorquadern zusammengesetzte Fußboden wie feines Mosaik. Die Galerie heißt die Flüstergalerie, Whispering Gallery, weil das an die Mauer gelegte Ohr auf einer Stelle derselben alles deutlich vernimmt, was auf der entgegengesetzten Seite ganz leise gegen die Wand gesprochen wird.

Von dieser Galerie stiegen wir noch weiter, bis außen, wo auf der höchsten Höhe des Doms sich die sogenannte Laterne erhebt. Wir betraten die ihren Fuß umgebende Galerie mit der Hoffnung, von hier aus die Stadt und die zunächst umgebende Gegend zu übersehen. Der heitere Tag berechtigte uns zu dieser Hoffnung, aber der Steinkohlenrauch der vielen Feueressen verbarg uns die Nähe und der dem englischen Himmel eigene nebelartige Duft die Ferne.

Ein Trupp Matrosen, den wir mit großem Geräusche heraufsteigen hörten, trieb uns hinunter.

Wie wir durch Ludgate Hill, eine dem Kirchhof zunächst gelegene sehr volkreiche Straße nach Hause gingen, sahen wir alle Fußgänger still stehen und ängstlich nach dem von unten sehr klein scheinenden Kreuze hinblicken, welches über einer Kugel oben auf der Laterne des Doms von St. Paul befestigt ist. Auch wir sahen natürlicherweise hin und bemerkten etwas oben am äußersten Ende des Kreuzes sich Bewegendes. Mit Hilfe eines Glases entdeckten wir endlich einen der Matrosen, die uns vorhin in der Kirche begegneten. Er machte sich das halsbrechende Vergnügen, auf dieser entsetzlichen Höhe allerhand gefährliche Stellungen anzunehmen, den Hut zu schwenken, auf einem Beine zu stehen, bloß um die Zuschauer unten in ängstliche Bewunderung zu versetzen. Ihm, der auf dem wilden Meere, oben im hohen schwankenden Mastkorbe, gewiß längst jede Idee von Schwindel verlernt hatte, mochte dieser doch immer unbewegliche Standpunkt trotz seiner Höhe wohl gar nicht gefährlich dünken, während uns andere beim bloßen Anblick banges Grausen ergriff.

Der Tower (61)*

Wir wollen die Löwen sehen, sagen die englischen Pächter- und Landjunkerfamilien, wenn sie eine Wallfahrt nach der Hauptstadt und ihren Merkwürdigkeiten unternehmen. Diese Löwen, eigentlich die im Tower aufbewahrte königliche Menagerie, dienen ihnen, als die Hauptmerkwürdigkeiten der Stadt, zur Bezeichnung alles Sehenswerten in derselben. Leider sind die edlen Tiere mitsamt ihrer Residenz durch diese Popularität etwas verrufen, und ein Fremder von gutem Tone wagt es kaum, den Tower zu besuchen. Wir gingen indessen doch hin, auf die Gefahr etwas gar Unmodisches, mit dem hohen Stil ganz Unverträgliches zu unternehmen, und suchten den Tower mit seinen Löwen am äußersten Ende der City auf, wo er nahe am Ufer der Themse liegt.

Grämlich und düster blickt dieser uralte Schauplatz unzähliger Greuel mit seinen grauen Türmen über den ihn umgebenden Wassergraben. In einem dicht über demselben erbauten, ziemlich niedrigen Gewölbe ist die Pforte angebracht, durch welche die Staatsverbrecher hineingeführt wurden. Sie heißt das Tor der Verräter, Traitor´s Gate; man brachte die Unseligen von der Themse bis zu diesem Eingange, der sich hinter ihnen oft für immer verschloß.

Wir gingen durch das Tor des Haupteinganges hinein, welches zur Not für eine Kutsche Raum hat. Man machte uns aufmerksam auf die kleinen vergitterten Fenster über dem Tore. Sie befinden sich in dem Zimmer, in welchem der entsetzliche Richard der Dritte die beiden jungen Söhne seines Bruders ersticken ließ, als sie eben sanft und ruhig im festen Schlummer der Kindheit dalagen und von keiner Gefahr träumten. Uns gelüstete nicht, das Mordzimmer zu betreten.

Eine alte Sage gibt Julius Cäsar für den ersten Erbauer dieser Veste an; die Geschichte aber sagt uns, dass Wilhelm der Eroberer in der Mitte des elften Jahrhunderts den Grund dazu legte, um seine vielgeliebten Londoner im gehörigen Respekt zu erhalten. Man sieht es dem sehr weitläufigen Ganzen an, dass kein fester Plan bei dessen Gründung vorwaltete, sondern während der Regierung mehrerer Könige bald hier, bald da daran gebaut und zugesetzt ward.

Jetzt gleicht der Tower fast einer kleinen Stadt; er umschließt in seinem Bezirke mehrere Straßen, eine Kirche, Magazine, Kasernen für die Garnison, Häuser für die Offiziere, Zeughäuser, die Münze, nebst Wohnungen für die dabei beschäftigten Offizianten und sonst noch mancherlei Gebäude. Ein breiter Wassergraben läuft ringsumher, und zwischen diesem Graben und der Themse befindet sich eine Art Terrasse, auf welcher sechzig Kanonen stehen, die bei feierlichen Gelegenheiten abgefeuert werden. Der Tower wird, wie es bei Festungen Gebrauch ist, mit Sonnenuntergange geschlossen. Die Yeomen oder Ochsenfresser haben die Wache darin und dienen zugleich den besuchenden Fremden als Ciceronen. Hier sind sie ganz augenscheinlich am rechten Platze; ihre Kleidung und ihr ganzes Ansehen trägt gleich am Eintritte dazu bei, uns in frühe dunkle Jahrhunderte zu versetzen.

[Fußnote (61):Der Tower diente als Stadtfestung und Gefängnis; ältester Teil (White Tower) von Wilhelm dem Eroberer erbaut. Trockenlegung der Gräben erfolgte 1843.Unterbringung des Tierparks 1834 in den zoologischen Garten in Regent´s Park.]