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Blackburn

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Der Zahn der Zeit nagt an der Magna Charta

Kein Reiz am Museum in der Touristengruppe

Whitebread Brewery

Man zeigte uns auch den Entwurf einer ziemlich langen Rede, welche Wilhelm der Eroberer (54) an das englische Volk halten wollte. Sie ist durchaus von seiner Hand in französischer Sprache geschrieben, ziemlich unorthographisch und voll Korrekturen und ausgestrichener Stellen. Nach ihrem Inhalte war er bloß aus Liebe zu dem Volke herübergekommen, um dieses glücklich zu machen.

Unter den neuen Manuskripten bemerkten wir Popes »Essay on Man«, so wie er ihn zuerst niederschrieb, ebenfalls voll Verbesserungen und Änderungen. Nicht ohne Grund nennt ihn einer seiner Zeitgenossen den Papier sparenden Pope, paper sparing Pope. Das ganze Gedicht ist auf kleinen Papierstücken sehr schlecht und unleserlich niedergeschrieben, auf Briefkuverte, Visitenkarten, Einladungsbillette, ja sogar auf den Rändern alter Zeitungsblätter, und dann mit Stecknadeln und seidenen Fäden bestmöglichst zusammengeflickt.

Auf einem Pulte mitten in diesem Zimmer thront triumphierend das Heiligtum der Engländer, die ursprüngliche Magna Charta (55), unter Glas und Rahmen. Lange war sie verloren und ward glücklicherweise in dem Moment entdeckt, in welchem ein Schneider seine entheiligende Schere schon ansetzte, um Riemchen zum Maßnehmen daraus zu schneiden. Jetzt wird sie hier, wenn auch etwas verblichen, etwas zernagt vom Zahn der Zeit, dennoch sicher, kommenden Jahrhunderten aufbewahrt und von jedem echten Briten mit Ehrfurcht betrachtet.

Gern wären wir an einem anderen Tage ins Museum zurückgekehrt, aber die bestehende Einrichtung erschwerte uns diesen zweiten Besuch. Zuviel Fremde wünschten das Museum zu sehen, als dass die nämlichen öfter als einmal dazu kommen könnten. Nur wenige Personen dürfen zugleich zugelassen werden, und man muß sich lange zuvor um die Erlaubnis dazu anmelden. Donnerstag morgens wird es zwar öffentlich gezeigt, aber es ist weder Freude noch Nutzen dabei, von ziemlich unwissenden Aufsehern mit einer Menge von Leuten durch die Zimmer gedrängt zu werden. Wer zu wissenschaftlichem Zwecke diese Sammlungen benutzen will, kann auf gewisse Bedingungen die Erlaubnis dazu von den Vorstehern erhalten. Ein mit Schreibmaterialien und allem Erforderlichen wohlversehenes ruhiges Zimmer steht einige Stunden des Tages den Arbeitenden offen.

Herrn Whitbreads Brauerei*

Wieviel Anstalten zu einem Kruge Porter! Welch ein Treiben und Knarren und Rasseln aller Maschinen! Biertonnen, größer wie ein Haus in den Hochlanden! Kühlfässer wie Meere! – Diese Brauerei verdiente in Walhalla für Odins Helden den stärkenden Gerstentrank zu bereiten.

Ohne fernere Ausrufungen können wir versichern, dass sie wenigstens zu Londons ersten Sehenswürdigkeiten gehört. Der alte König, welcher sie einmal mit seiner ganzen Familie besuchte, nahm im Brauhause ein Frühstück ein, das dem Eigentümer auf fünfzehnhundert Pfund Sterling zu stehen kam, und der berühmte englische Dichter, Peter Pindar (56), war beflissen, diese merkwürdige Begebenheit in wohlgesetzten Reimen auf die Nachwelt zu bringen. Unter anderem fragte damals der König Herrn Whitbread: wie viel Fässer er besitze? Die Antwort war: »Der Länge nach dicht aneinandergelegt, möchten sie wohl von London bis Windsor reichen.« Bekanntlich liegt Windsor zweiundzwanzig englische Meilen von London: sieht man aber diese ungeheure Anstalt, so erscheint die Behauptung Herrn Whitbreads gar nicht unwahrscheinlich.

Eine nicht große, im Souterrain angebrachte Dampfmaschine ist die Triebfeder des ganzen ungeheuren Werks, die sauberste, einfachste, geräuschloseste, die wir je sahen. Man hat berechnet, dass sie die Arbeit von siebzig, Tag und Nacht beschäftigten Pferden verrichtet. Sie schafft das nötige Wasser herbei, leitet den fertigen Porter durch unterirdische Kanäle quer über die Straße in ein anderes Gebäude, wo er in Fässer gefüllt wird, bringt die Fässer zum Aufladen aus dem Keller herauf, mahlt das Malz, rührt es in den zwanzig Fuß tiefen Malzkufen und windet es vermittelst einer schraubenartigen Vorrichtung bis oben hinauf in die Spitze des Gebäudes.

[Fußnote (54):Wilhelm der Eroberer I. (1066-87); geb. 1027 / 1028 als Sohn Herzog Roberts II. (Teufel der Normandie). 1051-52 verbrachte er als Gast König Eduards des Bekenners in England, der ihm wohl die Krone versprach. Sein Anspruch auf England – Krönung 1066 in Westminster– versetzte das Land in gewaltigeUnruhe; trotzdem strebte er eine stark feudalistische und absolutistische Herrschaft in England an.]

[Fußnote (55): Magna Charta Libertatum, The Great Charter; galt als wichtigstes Staatsgrundgesetz,1215 von Johann Ohneland unter Druck des revoltierenden Adels unterschrieben; sie sicherte politische Freiheit und Unabhängigkeit der Kirche,sie war teilweise eine direkte Abschrift der Charter of Liberties von Henry I.]

[Fußnote (56): John Wolcot, Pseudonym Peter Pindar (1738-1819); Arzt, geistlicher und gefürchteter englischer Satiriker, der weder die königliche Akademie noch das Königshaus verschonte.]