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Lambeth

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Vergnügliches in Vauxhall

Wunderbare Musik

Magische Gemälde, Unterhaltung, Tanz

Mehr als hundert wohlgekleidete, gewandte Aufwärter stehen neben den Bogen, welche den großen Platz umgeben. Jedes Winks bereit, besetzen sie im Nu die darin fertig gedeckt stehenden Tische mit allem, was man an einem solchen Orte von kalten Speisen und Getränken verlangen kann.

Das Orchester besteht größtenteils aus Blasinstrumenten. Wir hörten hier unter anderen ein Konzert auf der Trompete in einer Vollkommenheit, deren Möglichkeit wir nie geträumt hätten. Ein im Dienste des Prinzen von Wales stehender Künstler blies es.

Auch die beliebtesten englischen Theatersänger, einige wenige der vornehmsten ausgenommen, lassen sich hier mit einzelnen Arien, Volksliedern, Kanons und vielstimmigen Gesängen hören. Im Freien klingt jede Musik gut, aber der Effekt, den diese aus dem Feentempel erschallenden mächtigen Töne in der funkelnden, schweigenden Nacht hervorbringen, ist unbeschreiblich; denn trotz der großen Menschenmenge hört man doch nirgends wilden Lärm auf diesem Platze. Schweigend oder flüsternd wandelt alles umher und horcht der Musik, bis eine Glocke uns in einen etwas abgelegenen Teil des Gartens ruft.

Dort sehen wir in einem großen, sich bewegenden Gemälde einen Wasserfall auf das täuschendste dargestellt. Man hört das wilde Rauschen der Flut und sieht sie in stäubenden Schaum sich verwandeln. Die Szene belebt noch eine am Fuße des Wasserfalls angebrachte Brücke, über welche mancherlei Fuhrwerke, Fußgänger, Reiter und Tiere passieren, alles auf´s natürlichste und täuschendste dargeboten.

Von hier kehrt man zum Orchester zurück, von welchem um diese Zeit gewöhnlich eine große Arie oder sonst ein ausgesuchtes Tonstück erschallt; dann lustwandelt man in den hellen Alleen und besucht die verschiedenen Säle. Pfeilschnell verfliegt die Zeit; ehe man es erwartete, ist´s Mitternacht. Eine zweite Glocke ruft uns in einen anderen Teil des Gartens, zu einem artigen Feuerwerke, bei welchem man aber freilich nicht an die Flammenpracht im Wiener Prater denken muß. Nach dem Feuerwerke verteilt sich der größte Teil der Gesellschaft in die Logen, wo man in kleinen, selbstgewählten Kreisen fröhlich zu Abend ißt und dabei die draußen umher wandelnde schöne Welt die Musterung passieren läßt.

Späterhin wird auf dem grünen Rasen in der Nähe des Orchesters getanzt. Die Damen, welche hier tanzen, mögen freilich wohl nicht die unbescholtensten sein. Schwerlich würde sich in London ein Mädchen von gutem Rufe zu einer solchen öffentlichen Ausstellung verstehen; auch bemerkten wir fast immer dieselben Tänzerinnen und schließen daraus, dass sie vom Unternehmer der Anstalt hier zu tanzen engagiert sind. Indessen, sie tanzten mit dem Ausdruck der Freude und dennoch anständig, so dass sie eine vollkommene Illusion hervorbrachten. Alle waren schön, jung und wohlgekleidet, und so fragte niemand danach: wer sie wohl eigentlich sein möchten?

Gewöhnlich bricht der Tag über alle diese Freuden an, doch pflegt die gute Gesellschaft sich vor zwei Uhr zu entfernen; später artet der Ton aus und wird zuweilen zu wild und baccantisch, als dass man gern dabei verweilen möchte.