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Gegensätze

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Heilbad und Heiratsfalle Bath

Eldorado für Glücksritter

Vom Queens Square zum Royal Circus

In England muß nun einmal alles im Leben dem gewöhnlichen Laufe der Natur entgegenstreben. Der Sommer ward zum Winter, der Winter zum Sommer umgeschaffen, den Abend machte man zum Mittag, die Nacht zum Tage, und um diese allgemeine Veränderung aller Zeiten recht vollkommen zu haben, beliebte man auch die Badezeit von Bath in den Winter zu versetzen. Vom November bis zum Mai wimmelt es dort von Badegästen, die sich im Kreise stets wiederkehrender Lustbarkeiten bis zum Schwindel umherdrehen. Im Sommer ist´s leer, die recht bresthaften Kranken schleichen dann still, traurig und einsam zur heilenden Quelle. Man sieht sie auf den Terrassen und Promenaden an Krücken und auf Podagristenwägelchen die belebenden Strahlen der Sonne aufsuchen.

Im Winter herrscht Leben und Freude da, wo im Sommer einsame Seufzer traurig verhallen. Viele führt das Vergnügen, einige auch wohl eine leise Andeutung von Gicht und Podagra nach Bath; der größte Teil der Badegäste aber besteht aus einer eigenen Gattung von Kranken. Wer ein wenig zu schnell und lustig in die Welt hineinlebte und jetzt in ein paar etwas sparsamer verlebten Jahren seinen zerrütteten Finanzen aufzuhelfen denkt, wer bei beschränkten Mitteln den Freuden der großen Welt nicht zu entsagen versteht, der flüchtet hierher, wo er sie alle findet; freilich in etwas verjüngtem Maßstabe wie in London gehalten, aber dafür auch unendlich wohlfeiler. Zwar ist es auch hier sehr teuer leben, aber doch immer viel weniger als in London, wenn man in dieser Riesenstadt ein Haus machen muß. Schon in dem Umstande, dass die bergige Lage von Bath Pferde und Wagen entbehrlich, ja ganz überflüssig macht, liegt ein sehr bedeutender Ersparnis. Nach einigen in Bath verlebten Wintern ist man gewöhnlich wieder zu Kräften gekommen und kann sich von neuem auf einer größeren Laufbahn versuchen.

Da die Gesellschaft hier größtenteils aus Mitgliedern der müßigen und eleganten Welt besteht, so ist der Ton derselben so verfeinert und vornehm frivol als möglich. An Glücksrittern fehlt es dabei nicht; diese tragen aber zur Erheiterung des Ganzen bei, wo sie erscheinen. Väter und Vormünder reicher Erbinnen, welche diese bisweilen hierher führen, um sie zu ihrer Erscheinung auf einem größeren Theater vorzubereiten, müssen sich freilich in acht nehmen. Von Bath aus ward schon manche Reise zum kunstreichen Schmied von Gretna Green vorbereitet oder gar angetreten.

Bath liegt in einem lachenden Tale, rund umschlossen von beträchtlichen Anhöhen, die sich nur öffnen, um dem schönen Strom eben den Durchweg zu gewähren. Langsam und majestätisch windet er sich, bis zu dem zwölf englische Meilen entfernten Bristol schiffbar, durch Tal und Stadt, erhebt die Schönheit der Gegend und gewährt durch die leichte Kommunikation mit jenem großen Seehafen beträchtliche Vorteile. Von wunderbar einziger Schönheit ist der Anblick der Stadt. Bald ward das Tal zu eng, und sie erhob sich auf die nächsten Anhöhen, höher und immer höher türmte sie Paläste über Paläste, wetteifernd untereinander an Schönheit und allem Schmucke der neueren Architektur.

Im sonderbaren Kontraste mit diesen leichten, luftigen Schöpfungen liegt unten im Tale am Ufer des Avon die alte Kathedrale(12) zu welcher König Osric schon im Jahre 676 den Grund gelegt haben soll. Ernst steht sie da, in alter Majestät; ihre gotischen Türme streben wie aus eigener Kraft seit Jahrhunderten ins Blaue des Himmels hinaus, während die bunte neue Welt um sie her die Hügel erklettert und sich groß dünkt.

Die Häuser sind alle von schönen Quadersteinen erbaut, die man ganz in der Nähe in Menge bricht. Alles sieht neu aus, als wäre es gestern erst fertig geworden. Squares, einzelne Reihen Häuser, mehrere Circus, halbe Monde, aus eleganten Häusern bestehend, die unter einem fortlaufenden Dache, ganz symmetrisch verziert, das Ansehen eines einzigen Prachtgebäudes haben, stehen zerstreut, wo Laune der Erbauer oder Zufall sie hinsetzte, oft in sehr beträchtlicher Höhe.

Regelmäßig zu einem Ganzen verbunden ist dies alles nun gar nicht, aber doch unbeschreiblich hübsch anzusehen; ausgezeichnet schön der große Platz, Queen´s Square genannt, mit seinen prächtigen, vielleicht ein wenig mit Zierart überladenen Häusern, aus deren Fenstern man sich einer schönen Aussicht erfreut. In der Mitte dieses Platzes umschließen eiserne Geländer einen artigen Garten, dessen sich die Bewohner der umliegenden Häuser zum Spazieren bedienen können; schade, dass ein kleinlicher Obelisk ihn entstellt.

Von Queen´s Square geht es sehr steil in die Höhe durch Gay Street zum Royal Circus, einem großen runden Platze. Die ihn umgebenden Häuser sind mit dorischen, jonischen, korinthischen und allen möglichen Säulen aller möglichen Ordnungen verziert oder verunziert. Hinter ihm, noch viel höher, liegt der Royal Crescent; er besteht aus dreißig sehr schönen Häusern, die das Ansehen eines einzigen haben. Sie bilden einen halben Kreis, einfach, im edelsten Stil erbaut, mit einer einzigen Reihe jonischer Säulen. Vor ihnen hin breitet sich ein herrlicher Wiesenteppich und läuft hinab gegen die Ufer des Avon. Eine diesem ähnliche Reihe Häuser, Marlboroughsgebäude genannt, liegt ganz in der Nähe. Der höchste bewohnte Platz in Bath ist der Landsdown Crescent, ebenfalls eine schöne, im halben Monde sich hinstreckende Reihe Häuser. Sie liegen, gleichsam die Krone der schönen Stadt, in schwindelnder Höhe.

[Fußnote(12): Abbey Church. Die heutige Kirche ist das dritte an dieser Stelle, im dekadenten gotischen Stil erbauten Gebäude (16. Jh.).]