Wohnen
Hotels und Pensionen
Hausbesitzer und Etagenwohnungen
Wohnungen in London*
Eigentlich wohnt man im Durchschnitt nicht sonderlich in London. Da der Eigentümer eines Hauses sich hier großer Vorzüge im bürgerlichen Leben zu erfreuen hat, so strebt jeder, eines zu besitzen. Daraus entsteht dann, dass London fast aus lauter kleinen Häusern zusammengesetzt ist. Wer auch kein eigenes Haus hat, will doch für sich allein wohnen; dies verengt den Platz ungemein.
In Paris, möchte man sagen, schweben vier Städte übereinander; in London macht jeder Anspruch auf sein Plätzchen auf Gottes Erdboden, und nur Fremde, einzelne Familien oder in ihren Mitteln sehr beschränkte Personen bewohnen Etagen, die dann auch freilich bei der Kleinheit der Häuser wenig Bequemlichkeit darbieten. An eine Suite mehrerer Zimmer ist in gewöhnlichen bürgerlichen Häusern nicht zu denken; selten, dass man zwei aneinanderstoßende findet, selbst in denen der reichen Kaufleute; jedes Stockwerk enthält gewöhnlich nur zwei Zimmer, eines nach der Straße, eines nach dem oft engen Hofraum zu. Überall enge Treppen, wenige und kleine Zimmer. Die Küchen und Bedienstetenwohnungen sind in den Souterrains untergebracht, die Türen alle auffallend enge und hoch, sowohl die Haustüren als die in den Zimmern. Jene sehen bei größeren Gebäuden oft nur wie eine enge Spalte aus; in diesen findet man fast niemals Flügeltüren. Auch die Fenster sind schmal, die Spiegelwände zwischen denselben dagegen sehr breit. Die schönen Teppiche aber, die selbst bei wohlhabenden Handwerkern nicht allein die Fußböden der Zimmer, sondern auch Treppen und Vorplätze von der Haustüre an bedecken, die zierlichen Möbel, das schöne Mahagoniholz mit seinem bescheidenen Glanze, die Reinlichkeit überall, geben diesen kleinen Wohnungen einen eigenen Reiz. Alles sieht sauber, bequem, elegant aus und ist es auch.
Die Kamine, die oft mit Marmor, Stahlarbeiten und dergleichen geschmückt sind, dienen zu keiner geringen Zierde der Zimmer; schöne Vasen von Wedgwoods Fabrik (21) und kristallene Kandelaber zieren den Sims; der stählerne Rost, in welchem das Feuer brannte, Zange, Schaufel und alles Metallgerät glänzen hell poliert; Kupferstiche schmücken die Wände, schöne Vorhänge die Fenster. Nichts in der Welt ist gemütlicher, als ein englisches Wohnzimmer.
Das Schlafzimmer kann selten viel mehr als ein Bett fassen. Die englischen Bettstellen sind alle sehr groß. Drei Personen fänden bequem darin Platz; auch ist´s allgemein Sitte, nicht allein zu schlafen; Schwestern, Freundinnen teilen ohne Umstände das Bett miteinander, und fast jede Frau nimmt in Abwesenheit ihres Mannes eines ihrer Kinder oder im Notfall sogar das Dienstmädchen mit sich zu Bette, denn die Engländerinnen fürchten sich nachts allein in einem Zimmer zu sein, weil sie von Jugend auf nicht daran gewöhnt wurden. Federdecken sind ganz unbekannt, nicht so Unterbetten von Federn; seit einigen Jahren kommen diese sehr in Gebrauch, doch sind Matratzen gewöhnlicher. Betten ohne Gardinen, sowie Zimmer ohne Teppiche kennt nur die bitterste Armut.
[Fußnote(21): Josiah Wedgwood (1730-95); Maßgeblich verantwortlich für die Industrialisierung der englischenTöpferei. Charles Darwin war sein Enkel]