Haymarket
Theater am Haymarket
Eitelkeit und Pracht beim Italienischen Theater
Spielzeiten
Unbegreiflich war uns die Fassung, mit der alle, besonders Mme. Siddons und Kemble, nach einem solchen Auftritt fortspielten; sie übertrafen sich selbst, die Dekorationen waren wunderschön, und auch Pizarro nahm sich trotz des Buchs besser aus als man erwarten konnte. Alles war vergeben und vergessen, nur da Kemble das Stück für den folgenden Tag wieder ankündigte, rief man ihm von allen Seiten zu: »Sagt Cooke, er solle sich nicht wieder betrinken!«
Die italienische Große Oper (37)
Von diesem großen Theater, dem Stolz der Nation, wenden wir uns jetzt zur italienischen Oper.
Obgleich die Vornehmsten es beschützten, so ist dieses Theater dennoch dem Volke verhaßt, weil es auf alle Weise dem Nationalgeiste entgegenstrebt. John Bull geht höchstens einmal hin, um sich hernach zeitlebens darüber lustig zu machen. Die fremde Sprache, das ganze ausländische Wesen, vor allem die französischen Tänzer erscheinen ihm wie ebenso viele Entheiligungen des vaterländischen Bodens. Längst wäre die ganze Anstalt zugrunde gegangen, wenn nicht der Großen Eitelkeit, Prachtliebe und Vorliebe für das Ausländische sie erhielte; deutlich sieht man, dass sie hier nicht gedeihen kann und trotz der großen Summen, die darauf verwendet werden, nur kümmerlich vegetiert.
Das Haus, noch größer als Drury Lane, enthält außer dem Parterre fünf Reihen Logen und zwei Galerien. Über und über mit Malereien überladen, schien es, ungeachtet der sehr glänzenden Erleuchtung, dennoch dunkler als die anderen Schauspielhäuser. Die Verzierungen waren ziemlich geschmacklos, überall schwärmen Amoretten zwischen tausend Schnörkeln und Girlanden auf dunklem Grunde; das Ganze erschien bunt, aber nicht heiter.
Dieses Theater ist der glänzendste Vereinigungspunkt des hohen Adels, dem es hauptsächlich seine Erhaltung verdankt; wer sonst auch noch auf feinen Ton, auf Bildung, auf hohen Stil Anspruch macht, der tut wenigstens als besuche er es fleißig und sei jedes Mal entzückt, wenn er auch noch so oft mit geschlossenem Munde während der Vorstellung gähnen mußte. Alle Logen von unten bis oben sind zu Preisen vermietet, für welche man in mancher Stadt des festen Landes ein ganzes Haus nicht allein mieten, sondern sogar kaufen könnte.
Vom Monat Dezember bis Ende Junius sieht man wöchentlich zweimal, dienstags und sonnabends, in diesen Logen die schönsten, berühmtesten, reichsten und vornehmsten Damen des Reichs in ihrem prunkvollsten Schmucke versammelt. Strahlend von Diamanten sitzen sie in langen Reihen und gewähren einen Anblick, der das eigentliche Schauspiel weit übertrifft. Wer nicht abonniert ist, muß ins Parterre, welches hier an Rang den Logen gleichgehalten wird. Das Billett kostet eine halbe Guinee, und die Etikette befiehlt auch hier in Gala zu erscheinen, die Herren in Escarpines, den Dreieck unterm Arme, die Damen auf´s schönste geschmückt; sonst wird man auf die erste Galerie gewiesen, die halb soviel kostet als das Parterre. Ob sich aber dort im sechsten Stockwerk viel sehen und hören läßt, müssen wir billig bezweifeln.
Unser Schicksal wollte, dass wir die von Winter (38) komponierte Oper »Calypso« sehen sollten, denn an eine Wahl ist hier nicht zu denken. Mehrere Wochen hindurch erscheint eine und dieselbe Oper, ein und dasselbe Ballett ununterbrochen hintereinander fort, bis Sänger und Tänzer es müde sind; denn das Publikum in den Logen ermüdet nicht, immer das nämliche zu sehen und es vortrefflich zu finden. Kaum dreimal werden den Winter über die Vorstellungen gewechselt.
[Fußnote (37): Das Theater am Haymarket, wurde bis 1714 The Queen´s Theater, später The King´s Theatre genannt. 1789 brannte es ab, wurde 1791 neu eröffnet und brannte erneut 1867 ab. 1892 erfolgte der Abriß, da niemand mehr Geldmittel für dasTheater aufbringen wollte.]
[Fußnote (38): Peter von Winter (1754-1825), war ein europaweit geachteter Komponist, 1788 in München sogar Hofkapellmeister.Er verfasste mehr als 40 Opern, Oratorien, Kantaten, Messen und Kammermusik. Während der Proben seiner Oper »Calypso« lebte Winter 1803-05 in London.]