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Englisches Frühstück

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Einladendes Familienfrühstück

Tabakspfeife,verpöntes Utensil

Die Kunst des Teekochens

Ein Tag in London*

Wer spät zu Bette geht, steht spät auf, das ist in der Regel; daher hat die goldene Morgensonne nirgends weniger Verehrer als in London, wo doch sonst das Gold nicht zu gering geachtet wird. Vor neun bis zehn Uhr wird´s nicht Tag. Anständig gekleidet, versammelt sich dann die Familie in dem zum Frühstück bestimmten Zimmer, die Herren in Stiefeln und Überröcken, die Damen unbeschreiblich reizend gekleidet, schneeweiß verhüllt bis ans Kinn, mit zierlichen Häubchen. Das Negligé ist der Triumph der Engländerinnen; mit der geschmackvollen Einfachheit vereinigt es die höchste Eleganz; der volle Anzug hingegen fällt oft steif und überladen aus.

Nichts Einladenderes gibt´s in der Welt als ein englisches Familienfrühstück, auch wird die dabei hingebrachte Stunde durchaus für die angenehmste des ganzen Tages gehalten, und man verlängert sie gern. Auf dem hellpolierten, stählernen Roste lodert die stille Flamme des Steinkohlenfeuers, selbst im Sommer, wenn das Wetter feucht ist. Das elegante Teegeräte steht in zierlicher Ordnung auf dem schneeweiß bedeckten Tische, daneben frische, ungesalzene, in Wasser schwimmende Butter, das weißeste Brot von der Welt, Zwieback, hartgekochte Eier, auch wohl, nach schottischer Sitte, Honig und Marmelade von Pomeranzen. Hotrolls, heiße Rollen, eine Art warmer, mit Butter bestrichener Semmeln, und Toasts, Brotschnitten, welche, von beiden Seiten mit Butter bestrichen, langsam am Feuer rösten, dürfen nie fehlen; letztere stehen in einem dazu verfertigten silbernen Gestell im Kamin, der Teekessel braust und siedet gesellig daneben.

Mit allem diesem wäre aber dennoch das Frühstück ohne die neuesten Zeitungsblätter sehr unvollständig, sie sind ein Hauptstück dabei. Ein selten vermißtes Stück des deutschen Frühstücks, die Tabakspfeife, ist, zum Lobe der Londoner sei´s gesagt, bei ihnen ganz verbannt; dies schmutzige Vergnügen wird der letzten Klasse des Volks überlassen; höchst ergötzt sich noch zuweilen ein alter, ausgedienter Seemann oder ein kaum halbzivilisierter Landjunker in seinen einsamen vier Pfählen daran.

Die Dame des Hauses bereitet den Tee, zwar viel umständlicher, aber auch viel besser als wir. Die Tassen werden erst sorgfältig mit heißem Wasser ausgewärmt, der Tee abgemessen, das heiße Wasser nach gewissen Regeln darauf gegossen, und um für alle diese Mühe den gehörigen Ruhm zu ernten, wird der Reihe nach gefragt: ob der Tee nach jedes Wunsch geraten sei? Alles geschieht langsam und mit einer feierlichen Ruhe, welche die Engländer gern ihren Mahlzeiten geben: denn sie mögen dabei keine anderen Gedanken aufkommen lassen, außer den des gegenwärtigen Genusses. Nur die Zeitungsblätter machen beim Frühstück hiervon eine Ausnahme, und die Herren und Damen beschäftigen sich eifrig damit: denn nicht nur politische Neuigkeiten werden darin aufgetischt, auch Theater- und Familiennachrichten, und vor allem die neuesten Stadtgeschichten, frohe und traurige, erbauliche und skandalöse, wahre, halbwahre und ganz erdichtete. Alles wird gelesen, alles wird besprochen. Dass bei solchen Fällen das Gespräch seltener stockt, als sonst wohl geschieht, ist natürlich.

Nach dem Frühstück begeben sich die Männer an ihr Geschäft, ins Comptoir, oder wohin ihr Beruf sie treibt. So viel möglich wird den Vormittag über alle Arbeit abgetan, und trotz des späten Anfangs ist er lang genug dazu, da niemand vor fünf bis sechs Uhr zu Mittag speist. Nach Tische feiert jeder gern, wenn ihn nicht gerade ein hartes Schicksal zur Arbeit zwingt.