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Einführung

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Südöstlich von London

Der nördliche Zipfel der Grafschaft, rund um den Mündungstrichter der Themse, zeigt sich von Industrie geprägt, während das Bild im Süden eher Obstgärten und die letzten Hopfenfelder bestimmen. Das Fachwerk der kleinen Städte blieb weitgehend erhalten und es wäre jammerschade, Kent nur als Sprungbrett für die Rückreise auf den Kontinent zu benutzen.

Canterbury

Mittelalterliche Pilgerstadt

Canterbury ist das »Ergebnis« einer Pilgerbewegung, die im Mittelalter von Winchester ausging und den Dichter Geoffrey Chaucer (1340-1400) zum ersten, auf einer Fiktion beruhenden Opus der englischen Literatur anregte: die Canterbury Tales (Canterbury-Geschichten), eine Rahmengeschichte von vierundzwanzig Novellen mit eindrucksvoller Wiedergabe der Wirklichkeit und Betonung des individuellen Lebensgefühls – brav gelernt, was?

Danach zu urteilen, handelte es sich bei den Pilgern, die sich gegen Ende des 15. Jhs auf den Pilgrims Way begaben, eher um lebenslustige Wüstlinge. Ihr Ziel war das Wundergrab eines gewissen Thomas Becket, der 1170 von Rittern des Königs Heinrich II. mitten in der Kathedrale um die Ecke gebracht worden war. Dreihundertfünfzig Jährchen später krähte kein Hahn mehr nach den Wundern und die Wallfahrten schliefen ein. Becket hat ja übrigens einen nicht minder berühmten Namensvetter, den Samuel Beckett nämlich, allerdings mit zwei »t«. Dieser ist u.a. bekannt für ein Theaterstück, Waiting for Godot, das sich nicht gerade durch eine spannende, quirlige Handlung auszeichnet.

Die gelungenste und denkwürdigste Fassung gelangte vor einiger Zeit in unserem Heimatstädtchen zur Aufführung, und zwar von einer der Verwaltung als »Geier« angemeldeten studentischen Theatergruppe in der Uni. Fleißige Plakatierung brachte immerhin rund hundert Zuschauer auf die Beine, die brav ihren Obulus von fünf Mark einem Maskierten – vermeintlich ein Schauspieler – vor dem Saal überreichten. Als sich der Saal gefüllt hatte, marschierte der Kerl mit der Kasse durch die Zuschauerreihen, auf die Bühne und verschwand in den hinteren Räumen.

Das Licht wurde heruntergedreht, gespannt starrte das Publikum auf die kahle Bühne, auf der sich nur zwei Stühle befanden. Nichts Ungewöhnliches für moderne Inszenierungen. Nichts geschieht. Das Publikum geduldet sich. Nach zwanzig Minuten steigen zwei Besucher auf die Bühne, rücken die Stühle, machen ein paar Faxen, ein paar Lacher, kleine Diskussion zwischen den Stuhlreihen. Unsere Leser hatten´s schon längst geahnt: das Publikum säße heut´ noch da, um auf Godot zu warten, wären nach zwanzig weiteren (!) Minuten geduldigen Wartens nicht zwei Beherzte hinter die Bühne gestiefelt, um mal nach dem Rechten zu sehen.

Na ja, was hatte dieser elende Betrüger denn da auch auf jeder der computergefertigten Eintrittskarten gestempelt? »Stumm«. Wie heißt´s bei Georg Henschels Spielplan über Becketts Klassiker des modernen Theaters: »Es kommt nicht auf Godot an, sondern auf das Warten«. Insofern ein Erfolg, da die meisten ihr Warten begriffen und nur wenige in Erwartung etwas Bestimmten aus Wut Anzeige erstatteten. Ha, wie gut, dass wir ein Alibi haben ... Für etwaige weitere zu erwartende Aufführungen beanspruchen wir zehn Prozent Lizenzgebühr.