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Lustspiele

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Besondere Leistungen

Triumph von Covent Garden

Aufregung im Drury Lane Theater

Was Cooke und Kemble in der Tragödie, das waren Munden, Fawcett, Lewis(32) in der Komödie, vor allem Munden. Dumme Bediente, alberne Jungen, wunderliche alte Herren waren sein Hauptfach und Polonius im »Hamlet« sein Triumph. Übrigens übertraf er in Gesichterschneiden und närrischen Stellungen alles, was wir je gesehen haben. Stürmisch geht es in Covent Garden her wie in Drury Lane. Einst, bei einer Benefizvorstellung von »Menschenhaß und Reue« (33), welche in den komischen Rollen besonders vortrefflich dargestellt ward, trat im Zwischenakt ein junger Mann mit einem Hornpipe(34) auf. Sehr unschuldigerweise gefiel er den hohen Gönnern, denn er tanzte herrlich schlecht. Man forderte Wiederholung des Tanzes, aber der junge Herr war so ungefällig, nicht zu erscheinen. Nun entstand ein Lärmen, als sollte das Haus einstürzen wie weiland die Mauern von Jericho vor dem Trompetenschalle. Wer solch einem Aufruhr zum ersten Mal beiwohnt, kann sich in der Tat der Furcht nicht erwehren; es übersteigt allen menschlichen Begriff. Ein Schauspieler stand auf der Bühne und wartete, bis die Schreihälse einmal würden pausieren müssen. Der Moment kam endlich; mit tiefen Bücklingen trat er hervor und erbat sich die Erlaubnis, ein Lied zu singen, dabei versicherte er, der andere Gentleman würde gleich darauf tanzen, er erhole sich nur ein wenig. Jetzt war der Beifall ebenso rauschend als zuvor der Tadel; der Sänger sang ein närrisches Lied von einem Yorkshireman(35); es hatte unendliche Verse, mußte aber dennoch zweimal wiederholt werden. Dass der Sänger sich nicht lange darum bitten ließ, versteht sich von selbst. Sowie das Lied geendigt war, trat der Tänzer wieder auf, man ließ ihn gelassen tanzen und pfiff ihn hinterher aus.

Im folgenden Zwischenakt ahmte ein Schauspieler die bekanntesten Mitglieder beider Theater auf´s täuschendste nach; etwas, das doch wohl bei keiner Bühne anderer Nationen geduldet werden würde. Gang, Sprache, Deklamation, alles war zum Verwechseln; mit lautem Beifall rief das Publikum den Namen des jedes Mal dargestellten Schauspielers aus. Sehr interessant war es, dieselbe Stelle einer Tragödie mehrere Mal hintereinander auf ganz verschiedene Weise deklamieren zu hören. Auf alles dieses folgte noch ein Nachspiel, ohne welches das Publikum gewiß nicht ruhig nach Hause gegangen wäre, obgleich schon fast der Tag wieder anbrach.

Den größten Lärm aber erlebten wir in Sheridans Umarbeitung von »Rollas Tod«, im »Pizarro«. Bis jetzt hatte man dieses Stück nur in Drury Lane, aber vielmal hintereinander gegeben, denn Sheridan war bekanntlich Mitdirektor jenes Theaters. Jetzt ward es mit neuen prächtigen Dekorationen auch im Covent Garden angekündigt. Mme. Siddons sollte die Cora, Kemble den Rolla, Cooke den Pizarro spielen. Alle Logen waren längst auf diesen Tag vorbestellt, alles war voll Erwartung.

Die Direktion von Drury Lane konnte den Triumph von Covent Garden unmöglich gleichgültig ansehen, und sie ergriff sonderbare Mittel ihn zu vereiteln. Für´s erste kündigte sie dasselbe Stück für den nämlichen Abend an. Der Fall, dass das nämliche Stück an einem Abend in beiden Häusern gegeben werden sollte, war damals nicht vorgekommen, solange die Londoner Theater existierten. Sodann gab sie den Tag vor der Vorstellung ein prächtiges Mittagessen, Herrn Cooke zu Ehren. Dass auf englische Weise dabei viel getrunken ward, dass der Held des Tags mit einem ziemlichen Rausche nach Hause gebracht werden mußte, war in der Regel. Abends darauf, als das Schauspiel anfing, fand sich eine ungeheure Menge Zuschauer ein, die glänzendste Versammlung, die man seit langer Zeit in Covent Garden gesehen hatte. Zu Anfang ging alles vortrefflich, bis Cooke als Pizarro auftrat und – trotz aller Anstrengung – nicht imstande war, auch nur ein lautes Wort hervorzubringen. Er versuchte zwei, drei Mal zu reden, umsonst, er mußte verstummen. Nur zu gut hatten die Schauspieler von Drury Lane die Schwäche ihres ehemaligen Mitgenossen gekannt und berechnet, denn jedes Mal war Cooke den Tag nach einem Rausche durchaus heiser, so dass er unmöglich spielen konnte. Das Übel dauerte nur den einen Tag, deshalb hatte man ihn abends vorher so hoch fetiert. Der Zorn, das Wüten des Publikums überstieg nun alle Grenzen; das vom wildesten Orkan aufgeregte Meer ist nur ein schwaches Bild des unbeschreiblichen Tobens des Parterres und der Galerien. In den Logen blieb man ziemlich ruhig, die Damen zitterten, alle waren leichenblaß, und einige wurden ohnmächtig hinausgebracht. Alle Schauspieler mußten auf dem Theater bleiben. Mme. Siddons, Kemble, der in der indischen Tracht (36) wunderschön aussah, standen ängstlich verlegen dem entsetzlichen Lärm gegenüber, denn sowie sie nur Miene machten, das Theater zu verlassen, drohte man es zu stürmen. Cooke war wie vernichtet im Hintergrunde. So lärmte man eine starke Stunde durch; unbegreiflich blieb es uns, wie es die Lungen nur aushielten. Kemble versuchte endlich Cookes plötzliche Krankheit und ein anderes Stück für den heutigen Abend anzukündigen, kaum ließ man ihn zu Worte kommen. »Pizarro, Pizarro!« riefen tausend Stimmen, »Cooke ist betrunken!« riefen andere und achteten nicht darauf, dass Kemble mit den demütigsten Gebärden das Gegenteil versicherte. Das Toben nahm jeden Augenblick zu, die Schauspieler schienen sich ängstlich untereinander um Rat zu fragen. Nun trat Kemble wieder vor und fragte: ob das Publikum dem jungen Siddons erlauben wolle, den Pizarro mit dem Buch in der Hand zu spielen. Lauter Beifall erfolgte, der Sturm legte sich, Cooke schlich sich von der Bühne fort, und das Stück wurde genau von da an weitergespielt, wo man erst abgebrochen hatte.

[Fußnote (32): William Lewis, Komödiant]

[Fußnote (33):“Menschenhaß und Reue“ von August Kotzebue. Die erfolggekrönte original Fassung hieß »The Stranger or Misanthropy and Repentance«]

[Fußnote J. S. (34): »ein in Matrosenkleidung getanztes Solo, wie man es auch zuweilen auf deutschen Bühnen sieht.«]

[Fußnote J.S. (35): »Die Bewohner von Yorkshire sind wegen ihrer schlauen Gewandtheit zum Sprichwort geworden. Man sagt von ihnen: give him a saddle and he will find a horse, also: gebt ihm einen Sattel, ein Pferd findet er schon.«]

[Fußnote (36): indianische Federmäntel]