Parlamentsgebäude
House of Lords
House of Commons
Rechte, Pflichten und Verkostung im Parlamentsgebäude
Da das Parlament leider nicht versammelt war, so wollten wir doch wenigstens das Lokal sehen, in welchem das Oberhaus zusammenkommt. Dies ist ein alter, mittelmäßig großer, räucheriger Saal. Verblichene gewirkte Tapeten, welche den Sieg über die Armada vorstellen, bekleiden die Wände; man rühmt ihren Kunstwert, aber die verheerende Zeit und der ihr treulich beistehende Staub und Schmutz haben sie dermaßen entstellt, dass wenig mehr von ihrem ehemaligen Glanze zu entdecken ist. Am oberen Ende des Saals, auf einer Erhöhung, steht der königliche Thron, der wie der Baldachin einer vom Trödel geholten, altmodischen, rotdamastenen Himmelbettstelle sich ausnimmt. Daneben, zur rechten Hand, stand ein ebenso alter und unscheinbarer Lehnstuhl für den Prinzen von Wales und zur Linken sechs Stühle für die übrigen Prinzen. Mitten im Saal liegen vier große viereckige, mit rotem Zeuge bezogenen Wollsäcke für die Lords, welche zugleich Richter sind; die übrigen Lords finden ihre Plätze auf einigen zu beiden Seiten stehenden Reihen Bänken. Ein sehr großer Kamin vollendet das Ganze; er ist mit einer Barriere von eisernem Gitterwerke versehen, vermutlich damit niemand im Eifer des Debattierens hineinfalle.
So sieht der Saal aus, in welchem oft das Schicksal von Millionen entschieden wird, der Saal, in welchem die ersten und mächtigsten Glieder einer Nation sich versammeln, welche gern dem ganzen Erdball Gesetze gäbe und noch nie fremde annahm. Vielleicht ist gerade diese Unscheinbarkeit der sprechende Beweis des Stolzes, der, auf innerem Bewußtsein ruhend, allen äußeren Glanz verachtet.
Im Unterhause sieht es nicht glänzender aus; nur der Thron und die Wollsäcke fallen weg, sonst ist die Einrichtung des Saals ungefähr die nämliche. Die Wände sind mit braunem Holze getäfelt, und an einer Seite, oben, befindet sich eine Galerie für die, welche den Sitzungen als Zuschauer beiwohnen wollen. Keine Frauen werden hier während derselben zugelassen. Auch möchten wenige es ertragen können, sich zur Erhaltung eines guten Platzes schon um neun oder zehn Uhr morgens einzufinden und dann oft bis Mitternacht dort auszudauern. Indessen ist doch dafür gesorgt, dass man nicht verhungere; denn ein Gastwirt hält in einem unter dem nämlichen Dache befindlichen Kaffeezimmer Erfrischungen für die Mitglieder des Unterhauses bereit; auch Fremden ist´s erlaubt, sich in seiner Küche zu erquicken und zu stärken. Es ist Sitte, dass man nach einer solchen Exkursion seinen Platz in der Galerie unbesetzt wiederfindet.
Ursprünglich war der Saal des Unterhauses eine Kapelle, vom Könige Stephan (69) dem Schutzheiligen seines Namens gewidmet. Der prachtliebende Eduard der Dritte stellte sie in der ersten Hälfte des vierzehnten Jahrhunderts wieder her. Heinrich der Sechste gab ihr ihre jetzige Bestimmung, ließ sie dazu einrichten und durch mancherlei Abteilungen zu Gängen und Nebenzimmern verkleinern. Leider ward dadurch eins der schönsten Werke gotischer Kunst so gut als vernichtet. Vor mehreren Jahren riß man einen Teil der Vertäfelung, welche die Wände bekleidet, herab, um den Saal zu vergrößern. Mit Erstaunen entdeckte man die Überbleibsel der reichen Verzierungen an der ursprünglichen Mauer und schloß mit Bedauern aus diesem Wenigen auf die ehemalige Pracht des Ganzen. Man fand unschätzbare Spuren der Kunst jener Zeiten, wunderkünstliches Schnitzwerk, Malereien und Vergoldungen, frisch und glänzend, als wären sie von gestern; besonders am östlichen Ende der Kapelle, wo man noch deutliche Spuren des Hochaltars sah. Seitenwände und Decke waren dort mit schönem Schnitzwerke und alten Wappenbildern ganz bedeckt; dazwischen einige lebensgroße gemalte Figuren und ein uraltes Gemälde, die Anbetung der Hirten vorstellend, für den Freund der Kunstgeschichte von unendlichem Werte. Alles wurde barbarischerweise zerstört und gänzlich vernichtet, um dem jetzt existierenden traurigen Saale Platz zu machen, als gäbe es in ganz London keinen anderen Raum, in welchem die Herren des Unterhauses sich versammeln könnten. Von aller dieser Herrlichkeit blieb nur ein einziges schönes gotisches Fenster, durch welches die Sonne jetzt trübe blickt, als vermisse sie den ehemaligen Glanz.
Von außen sah das ganze Gebäude traurig und verfallen aus, sowie auch die schöne, gegenüberstehende, dazugehörige Kirche, die berühmte Abtei von Westminster. Man wendete wenig Mühe und Kosten daran, diese Denkmäler früherer Zeiten zu erhalten, und sie schienen allmählich ihrem Untergange zusinken zu wollen.
[Fußnote: (69) Stephan von Blois, Enkel Wilhelm des Eroberers, 1135-1154 König von England.]