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Hampstead

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Im grünen Gürtel um die Innenstadt

Dörfliches Ambiente in Hampstead

Auf den Spuren Karl Marx´

An die Arbeiterviertel schließen mehr oder weniger neue oder aufpolierte gutbürgerliche Viertel an. Die meisten sind nicht besonders spannend, aber einige lohnen einen Ausflug.

Hampstead liegt auf einem Hügel oberhalb von London, und an seinen weißen Häuschen ist die arme Intelligentsia der letzten beiden Jahrhunderte vorbeispaziert, die hier aus aller Herren Länder zusammentraf. Marx war hier und auch der junge Sigmund Freud.

Das kleine Dorf Hampstead war durch den Maler Constable Constable in Mode gekommen. Heute trifft man den Starkoch Jamie Oliver, die Sängerin Rachel Stevens und Boy George.

Ende 1994 machten Hampstead, Golders Green und Hendon Schlagzeilen. Es handelt sich um eine völlig verrückte Geschichte. Die genannten Stadtteile sind Bezirke mit starker jüdischer Bevölkerung, darunter viele orthodoxe Juden, die aber insgesamt in der Minderheit sind. Letzere wünschen, dass ein Riesengebiet mit acht Synagogen darin als sogannter »Eruv« ausgewiesen werden. Der Eruv ist eine Zone, in der die Regeln des Sabbats gelockert werden können. Die symbolische Verwandlung eines öffentlichen in einen privaten Bereich erlaubt es orthodoxen Juden, auch am Sabbat außerhalb der eigenen vier Wände Geegenstände mitzuführen, Kinderwagen zu schieben oder Rollstühle zu benutzen. Begrenzt wird dieser Eruv von Häusern, Bahnstrecken, und Straßen. Ganz so symbolisch ist die räumliche Abgrenzung jedoch nicht, denn künstliche Trennlinien in Gestalt hoher Pfosten und feiner Verbindungsdrähte sollen die Lücken schließen. Insgesamt sollen 85 Pfosten von sieben Meter Höhe aufgestellt werden, die den Grenzdraht zu tragen haben. Einige Anlieger haben sich also darauf gefaßt zu machen, eines Morgens mit einer unerwünschten Verzierung im Garten aufzuwachen, denn während der Eruv-Antrag zweimal nach langen Verhandlungen von der Planungsbehörde Barnet abgelehnt wurde, setzte ihn Umwelt- und Städteminister Gummer mit einem Federstrich durch. Es drohe keine Gefahr für den Charakter oder das Erscheinungsbild der betreffenden Stadtteile, beschied er. 2003 ist der Eruv schließlich eröffnet worden Über fünfzehn Quadratkilometer Londons wurden also quasi ghettomäßig abgetrennt, damit eine Minderheit ihre eigenen religiösen Überzeugungen außer Kraft setzen kann. Mit anderen Worten: wird der Leidensdruck auf Grund dessen, was man glaubt – letztlich also religiösen Wahns – zu groß, so wird ein Ventil geschaffen, das in diesem Falle auch alle nichtorthodoxen Juden und andere Londoner betrifft. Die Sache erinnert uns ein wenig an das Fleischverbot an Freitag, wo die Christen Fisch flugs zu Nicht-Fleisch (Gemüse vielleicht?, oder Obst?) umdichten, nur um nicht nach ihrer eigenen Überzeugung handeln zu müssen.