Schulrecht
Prügelstrafe
Wenig Sinn für Recht und Ordnung
Sonntag: Im Zeichen Gottes
Hat ein Knabe einen Fehler begangen, seine Lektion nicht gelernt oder beim Spiel Unordnung gemacht, so wird ihm vom Lehrer zur Strafe aufgegeben, eine Seite Griechisch oder Latein auswendig zu lernen. Wenn er diese zur bestimmten Zeit nicht auswendig weiß, so schreibt der Lehrer seinen Namen auf und legt ihn auf´s Katheder des Herrn Lancaster. Abends werden dann die so Verklagten zu ihm ins Studierzimmer gerufen, so viel ihrer sind, alle zugleich. Er redet sie mit Sir oder Gentleman an und fragt, ohne fernere Untersuchung ihres Vergehens, ob sie ihre Aufgabe gewußt haben? Sie müssen natürlich mit »Nein« antworten. Ohne sich auf etwas Weiteres einzulassen, fragt er: was sie dafür verdient hätten? Sie antworten: geprügelt zu werden, und ohne Aufschub vollzieht der sehr ehrwürdige Herr an ihnen dies Urteil mit eigener Hand, oft an sieben oder acht nacheinander, ohne Rücksicht, ob der Knabe sechs oder sechzehn Jahre alt ist, und dazu auf die beschimpfendste Weise.
Haben zwei Knaben miteinander Streit gehabt oder sich geschlagen, so verklagt einer den anderen; wenn aber auch seine Klage noch so sonnenklar wäre, er bekommt kein Recht, solange der Beklagte leugnet. Der Kläger muß Zeugen mitbringen; sagen dagegen er und seine Zeugen noch so augenscheinlich die Unwahrheit, der Beklagte wird bestraft, wenn er nicht andere Zeugen beibringen kann, die seine Unschuld beweisen. Alles wird nach der Form abgetan wie vor englischen Richterstühlen; den Charakter der Kinder zu ergründen, ihr Gefühl für Recht und Unrecht im höheren Sinn, ihre Liebe für das eigentliche Wissen zu bilden, daran denkt niemand.
Wir enthalten uns aller Bemerkungen über eine solche Erziehungsmethode, jeder macht sie gewiß selbst und fühlt, welchen Vorzug auch in dieser Rücksicht wir Deutsche vor jenen stolzen Insulanern haben, und welche Resultate sich von einer solchen frühen Behandlung erwarten lassen.
Sonntagmorgens werden die Schüler im Schulzimmer versammelt. Herr Lancaster ist nicht Prediger in Wimbledon, sondern Merton, einem eine halbe Stunde weit entlegenen Dorfe; aber zu seiner Übung hält er seinen Schülern die Predigt, die er mittags dort halten wird, erst einmal in der Frühe. Damit verbindet er den in der englischen Liturgie vorgeschriebenen Gottesdienst, so dass das Ganze eine starke Stunde währt. Um elf Uhr werden sie in sauberen Sonntagskleidern paarweise auf dem Hofe rangiert und treten dann in Begleitung der vier Lehrer den Marsch nach der Wimbledoner Kirche an, wo sie bei Predigt, Gesang und Litanei zwei Stunden verweilen müssen. Nachmittags werden sie wieder auf die nämliche Weise zur Kirche getrieben, und abends um acht Uhr wird abermals in der Schulstube großer Gottesdienst gehalten, wobei wieder des Königs und seines Hauses gedacht wird. Zwischen allen diesen Andachtsübungen müssen sie in der Bibel lesen und dürfen in Begleitung der Lehrer einen Spaziergang machen; alle Spiele aber und alle lauten Ausbrüche der Freude sind hoch verpönt, und werden streng bestraft.