Machen wir ein Buch?

Reise, Sachbuch, Belletristik ...?
Alle interessanten Themen;
alles was bewegt.

Hier geht´s weiter!

Gebäude

Body: 

Drury Lane Theater

Covent Garden Theater

Viel Lärm um nichts

Drury Lane*

Dieses Theater (23) ist von innen eines der größten und schönsten in der Welt; die Außenseite desselben sahen wir nicht vollendet. In einem schwerfälligen Stil erbaut, wie fast alle öffentlichen Gebäude Londons, scheint es trotz seiner Größe von einem ungewöhnlich hohen Dache fast erdrückt zu werden. Dies Dach ist indessen für das Ganze von unschätzbarem Nutzen, nicht allein wegen der Flugwerke und übrigen Maschinen, die darin angebracht sind, sondern weil es einen eisernen Vorhang enthält, der im Fall, dass während der Vorstellung Feuer auf dem Theater auskäme, sogleich herabgelassen wird und den Teil des Hauses, welchen die Zuschauer erfüllen, vor aller Gefahr sichert.

Von innen ist das Haus hell gemalt, geschmackvoll dekoriert; es enthält vier Reihen Logen, ohne die Galerien. Wenigstens fünfzig glänzende kristallene Kronleuchter und noch viel mehr Spiegelwandleuchter sind ringsum in zierlicher Ordnung angebracht, mehrere Hundert von Wachslichtern brennen darauf, und doch schwindet ihr Glanz gegen den des Theaters, sowie der Vorhang aufgeht. Erleuchtet durch eine Unzahl von Lampen strahlt dieses wie im hellsten Sonnenscheine.

Die Dekorationen sind des Ganzen würdig; der hintere Vorhang derselben ist eigentlich kein Vorhang, er wird nicht aufgerollt, sondern zerlegt sich in mehrere Teile, je nachdem der Gegenstand ist, den er vorstellt; diese einzelnen Teile trennen sich wieder in kleinere, schieben sich ineinander und werden so in die Höhe gezogen. So steigen sie auch herab und entwickeln sich mit Zauberschnelle, keine Spalte deutet ihre Zusammensetzung an. Diese Einrichtung hat den Vorteil, dass die Dekorationen durch das Aufrollen nicht beschädigt werden, dass sie keine Falten und Streifen zeigen und nie so in Bewegung kommen wie unsere Vorhänge, die uns oft in den friedlichsten Szenen ein Erdbeben vergegenwärtigen.

Die glänzendsten Sterne des theatralischen Himmels hatten sich, wie wir in London waren, in Covent Garden vereint; doch blieb Drury Lane, besonders im komischen Fach, noch reich genug, um durch sehr ausgezeichnete Vorstellungen zu erfreuen. Vor allem glänzte Mme. Jordan (24) hervor, die Geliebte, oder, wie einige behaupteten, die heimlich angetraute Gemahlin des damaligen Herzogs von Clarence, des jetzigen Königs, der auch vor der Welt sie auf alle Weise ehrte und sie immer in seiner Equipage mit seiner Livree ins Theater fahren ließ. Beim Anblick dieser wunderbar reizenden Frau mußte man ganz vergessen, dass sie schon ziemlich weit über die erste Blüte der Jugend hinaus und für jugendliche Rollen etwas zu stark geworden war. Der fröhlich schalkhafte Ausdruck ihres sehr hübschen Gesichts, ihr angenehmes sonores Organ, die naive Grazie und Wahrheit in jeder ihrer Bewegungen bezauberten unwiderstehlich und ließen nichts vermissen.

Wir wollen hier einer Vorstellung in Drury Lane gedenken, die uns vor allen gefiel. Man spielte Shakespeares »Much Ado about Nothing« (Viel Lärm um nichts). In Deutschland sehen wir zuweilen eine Verkrüppelung dieses herrlichen Lustspiels unter dem Namen: »Die Quälgeister« (25), und es unterhält auch da noch, soviel Mühe sich dessen Verfasser gegeben hat, es zur Mittelmäßigkeit herabzuziehen, so unbeholfen sich auch Shakespeare in der engen Uniform eines modernen Leutnants oder Hauptmanns bewegt. Welch ein ganz anderer Genuß aber ist es, dieses Stück mit wenigen Weglassungen, die unsere Sitten durchaus notwendig machen, in seinem ursprünglichen Glanze zu sehen! Madame Jordan als Beatrice und Mr. Bannister (26) als Benedickt waren ganz an ihrem Orte. Die Szenen zwischen beiden, wo ein Witz den anderen wie ein Wort das andere jagt, muß man von beiden gesehen haben, um zu glauben, dass etwas auswendig Gelerntes mit dieser Wahrheit wiedergegeben werden kann. Die langsam pathetische Abstoßung der Worte, deren wir oben gedachten, war hier wie bei allen guten englischen Komikern ganz verschwunden; alles ging Schlag auf Schlag, dennoch verlor kein Zuhörer in dem ungeheuren Hause nur eine Silbe. Freilich, sowie die Verse und mit ihnen der Ernst wieder eintreten, erscheint auch wieder der feierliche Predigerton. Über alles ergötzlich waren der Richter Dogberry und seine Gesellen mit ihrem breiten Bauerndialekte. Das ganze große Haus bebte vom unaufhaltsamen Gelächter der Zuschauer; sowie sie erschienen, mußten sie oft innehalten, um nur gehört zu werden.

[Fußnote (23): Das Theater, das Johanna besuchte(1794 –1809), brannte ab. Die Gründung des Drury Lane Theaters geht auf Thomas Killigrew zurück, der es 1662 mit königlichem Patent erichtete. Es wurde mehrmals restauriert und umgebaut. Laut Patent hatten nur Drury Lane und Covent Garden das Recht, reine Schauspiele aufzuführen; daher die oligopole Stellung dieser beiden Bühnen. Seit 1802 hatte mit dem Abgang der Geschwister Kemble, Robert Kemble und Sarah Siddons, Drury Lane die Führung gegenüber Covent Garden verloren. 1812 wurde das heute, in leicht veränderter Form, bekannte Theater erbaut.]

[Fußnote (24): Wilhelm Herzog von Clarence, König Wilhelm IV. (1830-37), erblickte Dorothy Jordan 1785 im Drury Lane zum ersten Mal auf der Bühne und verliebte sich. Sie verbrachten 20 Jahre miteinander, hatten 10 Kinder; 5 weitere, aus einer Beziehung vor Wilhelm, und hatten sie in der Nachbarschaft untergebracht. Zwischen den Geburten trat sie weiterhin auf. Ein Jahr nach Johannas Aufenthalt kam es dann zur Trennung, da Wilhelm Heiratsabsichten hatte, Dorothy ging ins Ausland und starb in Frankreich in bitterster Armut.]

[Fußnote (25):“Die Quälgeister“ vom Mannheimer Schauspieler Heinrich Beck. Johanna sah das Schaustück bei ihrem ersten Aufenthalt in London, am 30. Mai, kurz nach ihrer Anreise.]

[Fußnote (26): Leigh Hunt bezeichnete John Bannister 1807 in seinen »Critical Essays« als »den besten niederen Komiker auf der Bühne«.]