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Hampshire

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Mühsamer Weg nach Chichester

Tumult in West Sussex

Einkehr in Arundel

Von Winchester aus hatten wir sehr böse Wege; denn durch unsere Kreuz- und Querzüge waren wir von der großen, gebahnten Straße abgekommen und mußten sie nun durch fast unfahrbare Land- und Nebenwege wieder zu erreichen suchen. Oft stiegen wir aus und gingen die steilen Hügel, über welche unser Wagen mühsam hinrasselte, zu Fuß hinab; reiche, weit ausgebreitete Aussichten entschädigten uns zuweilen für unsere Mühe.

Endlich erreichten wir das Städtchen Chichester. Wir fanden den ganzen Ort in einer Art von freudigem Tumult, als sollte es ein Pferderennen geben. Alle Fenster waren mit geputzten Frauen und Mädchen besetzt, die Straße voller Leute, Erwartung auf allen Gesichtern. Das Regiment des damaligen Prinzen von Wales, welches hier in Garnison liegt, paradierte im festlichen Schmucke, in zwei langen Reihen aufmarschiert, dem Gasthofe gegenüber. In letzterem hatte niemand Zeit; Herr und Frau und Aufwärter liefen mit den Köpfen gegeneinander. Nichts Kleines konnte all diesen Aufruhr veranlassen. Mrs. Fitzherbert (15), die Freundin des Prinzen von Wales, war es; sie wurde auf ihrem Wege nach Brighton in Chichester erwartet. Nach zwei Stunden erschien sie, ließ, ohne auszusteigen oder sich umzusehen, die Pferde wechseln und rollte davon. Die große Begebenheit war vorüber, die Soldaten marschierten ab, und alles beruhigte sich nach und nach. Wir gingen ebenfalls weiter nach Arundel.

Der Herzog von Norfolk besitzt dort ein altes Schloß; es wurde eben durch ein neues Hauptgebäude und einen daran stoßenden Flügel ergänzt und vergrößert; alles war voll Lärm, Staub und Unordnung, wie es gewöhnlich beim Bauen ist. Der Anblick des alten Schlosses wäre überall ehrwürdig und imposant, nur hier, auf einem nicht sehr geräumigen Hofplatze, neben dem neuen, ganz modernen Gebäuden, verliert es unendlich. Einige mit Efeu bewachsene alte Mauern bewiesen, dass das Schloß von Arundel weit größer und beträchtlicher gewesen sein müsse als jetzt. Der noch übrige Teil des Gebäudes mit runden Türmen und einem schönen Portal steht wie verwundert da neben der neuen, dicht dabei entstehenden Schöpfung. Schwerlich wird eines durch das andere gewinnen; isoliert, unterm Schutze alter Bäume, wären diese heiligen Überreste vergangener Größe zu dem Schönsten zu rechnen, was England in dieser Art aufzuweisen hat, so reich es auch an Denkmälern der Vorzeit ist.

Wir waren diesen Tag bestimmt, in den Gasthöfen alles in Bewegung und Unruhe zu finden. In dem zu Arundel hielten die Volontärs, von denen wir schon früher sprachen, im Saale neben dem uns angewiesenen Zimmer ein großes Bankett. Das Gebäude bebte vom Jubel der Helden bei jedem ausgebrachten Toast; im Nebenzimmer machten die Oboisten des Regiments eine Musik, welche Tote hätte erwecken können; die Aufwärter hatten alle Hände voll Bouteillen und Korkzieher; die Pfropfen knallten, Waldhörner und Trompeten schmetterten, die Janitscharentrommel drohte die Grundfesten des Hauses zu erschüttern, zu alledem der Jubelruf der vom Geiste ergriffenen Freiwilligen und die Anstalten, die wir zu einem Ball machen sahen. Das war zu viel, es trieb uns hinaus. Ganz gegen die Sitte des Landes reisten wir mit sinkender Nacht ab. Hart am Ufer des Meeres fuhren wir hin; ein sanfter Wind kräuselte kaum dessen vom Monde versilberte Fläche, die Wellen spielten und flüsterten und blinkten geheimnisvoll und leise; so kamen wir glücklich nach Brighton.

[Fußnote (15): Mrs. Fitzherbert, heimliche Gattin des Prinzen von Wales, des späteren Georgs IV. Nach königlichem Ehegesetz von 1772 nicht legal, weil der König sein Einverständnis verweigert hatte. Die Beziehung überdauerte selbst die Eheschließung des Prinzen mit Caroline von Braunschweig (1795).]