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Carnary Wharf

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Greenwhich Hospital

Ausgezeichnete Versorgung der Veteranen

Barockes Meisterwerk St. Paul´s Kirche

Das ganze Gebäude ist aus schönen Quadersteinen erbaut. Vorzüglich bewundert man die mit fast verschwenderischer Pracht geschmückte Kapelle. Sie prangt mit Marmorsäulen, einem gut gemalten Plafond und jeder einem solchen Orte geziemenden Zierde. Einige schöne große Hallen dienen den Invaliden zum Spazierengehen bei schlechtem Wetter, besonders zeichnet sich die größte, mit einer Kuppel versehene Halle aus; sie ist hundertsechs Fuß lang und hat einen gut gemalten Plafond, schöne Säulen und Malereien. Ein angenehmer Park mit einer auf einem Hügel erbauten Sternwarte umgibt das Gebäude von der anderen Seite.

Es war ein schöner, menschenfreundlicher Gedanke, diese Ruhestätte am Ufer der Themse zu erbauen, im Angesichte aller ankommenden und auslaufenden Schiffe. Die abgelebten Helden haben hier den Tummelplatz ihres ehemaligen Lebens noch immer vor Augen; und dem in See stechenden Schiffer gibt der Anblick dieses Ruhehafens Trost und Mut. Nahe an dreitausend Veteranen ruhen hier von ihrem mühevollen Leben aus. Sie wohnen fürstlich, werden gut genährt und gepflegt, alle zwei Jahre neu, anständig, bequem gekleidet und erhalten wöchentlich ein gar nicht unbedeutendes Taschengeld zu ihren kleinen Bedürfnissen und Vergnügungen. In Krankheiten werden sie mit Sorgfalt gewartet. Sie sind nicht, wie in anderen Verpflegungsanstalten, von allem, was ihr Leben bedeutend machte, geschieden, sie leben und weben noch darin und kämpfen mit alten Kampfgenossen nochmals alle ihre gewonnenen Schlachten in froher Erinnerung, vor Gemälden, welche diese vorstellen und die Wände ihrer Speise- und Wohnsäle schmücken.

Besonders gut eingerichtet fanden wir die Schlafstellen. In langen, hohen, luftigen Sälen, welche zur Winterszeit von mehreren großen Kaminen erwärmt werden, sind auf der den Fenstern entgegengesetzten Seite eine Reihe Schiffskajüten ähnlicher Kabinette dicht aneinander gebracht. Jedes derselben hat neben der nach dem Saale ausgehenden Tür zwei Fenster und ist groß genug, um ein nach englischer Art geräumiges Bett, einen Tisch, einen Stuhl und einen Koffer zu enthalten. Es gibt nichts Netteres und Saubereres als diese kleinen Zimmerchen; jedes hat einen Teppich, Fenster und Bett sind mit reinlichen Vorhängen versehen, an den Wänden auf dazu angebrachten Leisten stehen die zierlichen Tabaks- und Teekästen, Gläser, Tassen und dergleichen in gefälliger Ordnung. Kupferstiche zieren die Wände. Jeder hängt daran nach Gefallen Bildnisse des Königs, der Königin oder berühmter Seehelden auf; dazwischen Seeschlachten, Häfen und auch wohl manche lustige Karikatur.

Hundertvierzig Witwen verdienter Seemänner wohnen ebenfalls im Hause, sie verrichten darin alle weiblichen Arbeiten, pflegen die Kranken und werden in aller Hinsichte ebenso gut gehalten als die Veteranen selbst. Auch für die Waisen der gebliebenen Seemänner ist hier gesorgt; denn einige hundert Knaben werden in einem abgesonderten Teile des Hauses zum Gewerbe ihrer verstorbenen Väter erzogen. Noch dreitausend Invaliden, die im Hause nicht Platz fanden, erhalten außer demselben Pensionen.

Die St. Paulskirche (60)*

Das Äußere von St. Paul ist durch Kupferstiche allbekannt. Leider übersieht man auf diesen das ungeheure Ganze besser als in der Wirklichkeit, in deren Umgebungen es nirgends einen guten Standpunkt dafür gibt. Diese Kirche, nach der Peterskirche in Rom die größte in Europa, liegt auf einem viel zu kleinen Kirchhof eingeklemmt zwischen Häusern, umgeben von engen Straßen. Auch im Innern findet sich keine Stelle, von der man sie ganz übersehen könnte, überall drängt sich die Architektur vor und verhindert eine reine Übersicht.

Mit allen diesen Fehlern macht dieses wunderbare große Gebäude dennoch einen imposanten Eindruck. Es scheint ganz leer, denn leicht übersieht man einige wenige Statuen und eine kleine, zum Gottesdienst eingerichtete Abteilung. Diese befindet sich in einem der Flügel, welche die Kreuzform bilden, in der die Kirche erbaut ist. Überall herrscht ehrfurchtgebietende, schauerliche Stille und Einsamkeit; nichts wird man von dem kleinlichen Geräte gewahr, welches die Menschen nötig zu haben glauben, um sich mit dessen Hilfe zur Gottheit zu erheben. Es ist ein Tempel im höchsten Sinne des Worts. Ein feierliches Grauen, eine Art Bangigkeit, die uns fast den Atem raubte, ergriff uns, als wir, mitten in der Kirche stehend, da hinauf blickten, wo beinahe unabsehbar der Dom sich wölbt, »ein zweiter Himmel in dem Himmel«. Es war kein erhebendes, es war mehr ein beängstigendes Gefühl. Die wenigen Menschen um uns her schwanden fast vor unseren Blicken und machten durch ihre Kleinheit die gewaltige Größe dieser Steinmasse uns erst recht anschaulich.

Es wurde sehr schwer, sich von diesem ersten Eindrucke loszureißen. Solche Pygmäen waren es doch auch, dachten wir endlich, welche dies erstaunenswerte Werk durch vereinte Kraft emportürmten, und ein einziger unter ihnen bildete es vor in seinem Geiste, noch ehe es sich in die Lüfte erhob. Ja, er dachte es sich noch weit herrlicher, als es jetzt dasteht, er allein leitete die Kräfte der vielen Hunderte, die arbeiteten und sich abmühten und doch nicht deutlich wußten, was sie taten. Jetzt ruhen der Werkmeister und die Arbeiter; aber ihr Werk wird stehen, trotzend der mächtigen Zeit, in herrlichen Ruinen, wenn die ganze volkreiche Stadt längst eine Wüste ward wie Palmyra und Persepolis.

[Fußnote (60):Die St. Pauls Kirche, barockes Meisterstück, von Christopher Wren 1675-1710 erbaut in Form eines lateinischen Kreuzes, auf Befehl Jakobs II, entgegen des Wunsches des Architekten, dessen Pläne ein griechisches Kreuz waren. Dazu eine Anmerkung Johannas: »Man zeigt noch in St. Paul ein Modell von dem ersten Plan des Baumeisters Sir Christopher Wren. Die damaligen regierenden Zeloten verwarfen ihn wegen seines heidnischen Ansehens, und wählten dafür die jetzige Kreuzform«. Ihre Behauptung, die Kirche sei nach der Peterskirche in Rom die größte, ist falsch, denn die Kathedralen von Mailand, Sevilla und Florenz sind größer.]