Bauzustand
Bedauern des schrecklichen Zustands der Abtei
Anbauten und schönste Hallen
Wachsfiguren und echte Kleidung
Dies Gebäude ist eines der schönsten seiner Zeit, aber leider sahen wir es in einem unverantwortlich vernachlässigten Zustande, mehr noch als die Kirche selbst. Kaum wurde das Dach desselben notdürftig unterhalten; hätte man die langsam zerstörende Zeit noch länger ungehindert fortwüten lassen, so wäre bald alles zu einer schönen Ruine zusammengesunken, die überall sich besser ausgenommen haben würde als an dieser, dem heiligen Andenken großer Vorfahren geweihten Stelle. Von außen ist die Kapelle mit aller Pracht der gotischen Baukunst geschmückt, das Ganze im schönsten Ebenmaße, leicht und erfreulich. Vierzehn schöne durchbrochene Türme sind die Hauptzierde. Zum Eingange, von der Kirche aus, dient ein prächtiges, in Stein gehauenes Portal, welches drei sehr künstlich gearbeitete Gittertüren von vergoldetem Eisen verschließen. Die Decke ist über und über mit schöner Bildhauerarbeit von Stein geschmückt, schöne, gewölbte Bogen, unterstützt von Pfeilern im reinsten Ebenmaße, prächtige Fenster, herrliches Schnitzwerk, alle Pracht gotischer Architektur ist hier zu finden. Unmöglich kann man dieses schöne Überbleibsel früherer Zeit zu hoch preisen, und wohl wäre es wünschenswert, dass die Kapelle einen Freund und Verehrer fände, wie der Dom von Köln ihn an dem Herrn von Boisserée (78) fand, welcher der kommenden Zeit wenigstens im treuen Bilde ein Andenken der sichtbar hinsinkenden Herrlichkeit aufbewahrte.
Mitten in der Kapelle steht das Grab Heinrichs des Siebenten von schwarzem Basalt, verziert mit vergoldeter Bronze, umgeben von einem ebensolchen, sehr prächtigen Geländer. Sechs Basisreliefs und vier Statuen von vergoldetem Erze schmücken dies Werk des Florentiners Pietro Torregiano.
Außer diesen wirklich merkwürdigen und ehrwürdigen Kunstwerken werden hier auch aufbewahrte Wachsbilder alter Könige und Königinnen in alten Glasschränken gezeigt. Wahre Vogelscheuchen, die dem Untergange längst hätten übergeben werden sollen. Nur das leiht ihnen einiges Interesse, dass sie mit den nämlichen Kleidern angetan sind, welche die hohen Herrschaften bei Lebzeiten trugen. Wüßte besonders die Königin Elisabeth, welch ein häßliches Bild von ihr die Nachwelt hier anstaunt, so würde die ihr im Leben so eigen gewesene Eitelkeit ihr noch im Grabe keine Ruhe lassen.
[Fußnote (78):Johann Sulpiz Melchior Dominikus Boisserée, gebürtiger Kölner, kunstsammler, und historiker. Sulpiz (1783-1854) war Architekt und ein großer Förderer des Dombaus in Köln. Zum üblen Erhaltungszustand hat Johanna in der Ausgabe von 1830 in einer Anmerkung ergänzt: »Dieser Wunsch ist seit dem ersten Erscheinen dieses Buches erfüllt, und auch für die bessere Erhaltung der Westminsterabtei wird Sorge getragen.«]