England
Großbritannien
Eine Liebeserklärung in Bildern
Very British! | Bostelmann & Siebenhaar Verlag | 224 Seiten| 39,80 Euro | von Martin U. K. Lengemann
Großbritannien, ein Land "dessen Gegensätze, Paradoxien von Jahr zu Jahr prononcierter erscheinen, bis zu dem Punkt, wo alles, was man über die Insel aussagt, richtig ist – inklusive das Gegenteil davon".
Was Thomas Kielinger in seinem Essay zum Bildband "Very British – eine fotografische Liebeserklärung" von Martin Lengemann als These mit auf die Reise durch Momentaufnahmen des britischen Lebens mitgibt, wird durch diese zweifelsohne bewiesen.
Gut die erste Hälfte des Bandes porträtiert das Land, das oftmals übereilt mit UK oder Großbritannien gleichsetzt wird: England. Hierauf und auf den schnelllebigen Großstadtdschungel Londons setzt er sein Hauptaugenmerk, zeigt einerseits aufpolierte, viktorianische Gebäude, andererseits den Mikrokosmos hinter der Fassade. Die Tube, Acton Town – ihnen widmet er eigene Serien ungeschönter, ganz zufälliger Bilder, in denen der britische Hang zum Imperfektionismus anklingt, bei denen die Mehrheit der Aufnahmen ungewöhnlich oft in Farbe sind, während der Bildband insgesamt dagegen mehr Schwarzweißaufnahmen bereithält.
Besonders beeindruckend ist das Kapitel Nordirland, in dem der Konflikt immer noch spürbar in der Luft liegt: Ein katholischer Priester, der sich zu erklären versucht, schräg über ihm ein Kreuz, so schwarz, dass es auf der hellen Wand fast zu leuchten scheint. Auf der anderen Hälfte der Doppelseite die Aufnahme eines kleinen Mädchen, das verschüchtert, fast verängstigt vor dem Kamin einer Stube sitzt, umgeben von Bauklötzchen. In starkem Kontrast dazu steht Irland, der "grüne" größere Teil der Tochterinsel, wo Idylle pur zu herrschen scheint und der Ire stolz auf seine Guinness und Pubkultur ist.
Es sind Charakterstudien von Großstadtmenschen und Dorfbewohnern, von aufblühenden Städten wie Leeds, Manchester oder Newcastle, von der fast unberührten Natur der vier Teilstaaten. Insbesondere das allgegenwärtige Meer, das bei Kontinentaleuropäern eher ein Gefühl von Eingeschlossenheit hervorruft, hat die Eigenschaften des Inselvolks geprägt: Offenheit, Risikobereitschaft, Liberalität und ein kleines bisschen Anarchie.
Ein gelungener, sehr persönlicher Bildband mit der Prise dieses gewissen britischen Humors, eben eine "Liebeserklärung" in Bildern; insbesondere für jemanden, der die Inseln und sein so ganz eigenes Völkchen bereits kennt und sie trotz oder gerade wegen ihrer gewissen Skurrilitäten und Eigenheiten ins Herz geschlossen hat.