Tanz/Religion
Musik / Tanz
Arbeitsgesang und Standard
Entfesseltes Kindertreiben auf der Veranda einer Hütte. Kanister, Töpfe, Geländer, alles wird zum Rhythmusinstrument. Und niemand beschwert sich über den Lärm. Auf den Antillen wurde der Alltag stets skandiert. Es gab besondere Gesänge für die Zuckerrohrernte, zum Beschlagen der Huftiere und zum Einholen der Fischernetze. Auch Tänze, die geheimen »Bamboulas« der Sklaven oder die Gruppentrance rund um die »Gwo-ka«, die kreolische Trommel, gehören dazu. Der gemimte »Laghia«-Kampf enthält ebenso wie der »Toumblac« Beschwörungselemente.
Beliebter, weil lustiger und profaner, sind die Tänze mit Orchesterbegleitung: Walzer, Mazurka, Polka. Die anregende, sinnliche »Biguine« nimmt auf den Französischen Antillen den Rang eines Nationalsports ein. Trotz einer Rückbesinnung auf alte Traditionen (etwa die »Gwo-ka«) beherrscht der Einfluß der Großen Antillen (Salsa, Reggae) die musikalische Produktion. Gruppen wie »Malavoi«, die »Compagnie Créole« oder »Difé« finden mächtigen Anklang auch in Frankreich. Eine Formation wie »Kassav« (Zouk) füllt selbst riesige Stadien und läßt sich in Afrika als Star feiern. Recht so!
Feste
Das Land außerhalb der Städte mag uns noch so verschlafen vorkommen: bestimmt findet gerade irgendwo ein Heiligenfest statt. Jeder Ort feiert sein eigenes (Abîmes zum Beispiel die »Bienveillance Abîmienne«). Die Frauen in den Dörfern sparen das ganze Jahr, um an diesem Festtag in neuen Kleidern auftreten zu können. Auch die Kinder werden in Sonntagsgewänder gesteckt und alte Männer hängen ihre Orden um. Nach der Messe findet ein Prozession aller Dorfbewohner statt, begleitet von den Chorsängern. Diese verteilt sich anschließend auf die Kneipen, die Witzerzähler-Wettbewerbe und die Gummibaumregatten, bis der abendliche »Zouk«-Ball beginnt.
An »Allerheiligen« schimmern sämtliche Friedhöfe auf den Inseln im Kerzenschein. Das Hauptfest auf den Antillen ist jedoch der Karneval. Weniger berühmt als jener von Trinidad, handfester als auf Guadeloupe: so präsentiert sich der Karneval von Fort-de-France, wo Gelächter, Musik und Farbenpracht vier Tage lang eine unverwechselbare Mixtur ergeben. »Vaval«, der Karnevalskönig, wird am Samstag im Freudentaumel gekrönt, am Montag in Trauerstimmung verbrannt. In der Zwischenzeit sind Schwärme von geschmückten Wagen, Teufelchen, Gerippen und paillettenübersäten Tänzerinnen durch die Straßen gezogen.
Das Nachtleben hat auf Martinique und Guadeloupe keine Tradition. Discos und Tanzlokale sind nur für die Touristen da. Die Inselbewohner selbst schwofen im Familienkreis oder bei Freunden, wenn die »Zouk«-Feste steigen.
Religion
Adventisten, Baptisten, Methodisten, Zeugen Jehovas ... Jeder Insel ihre Sekte, muß man wohl sagen. Wie auch in Polynesien, wimmelt es hier von Minikirchen. Für viele Bewohner der Antillen ist Frömmigkeit wichtiger als der Weg, der dorthin führt. In den Dörfern nehmen die Gläubigen voller Inbrunst an der Messe teil: Frauen im Kopftuch, Männer im Sonntagsstaat und Kinder mit onduliertem oder geöltem Haarschopf ... Und alle stimmen mit ihrer schönsten Stimme in die Kirchenlieder ein.
Die indischen Tempel sind leider nur noch ein Abklatsch ihrer selbst, trotz Dreizack und kitschig zurechtgebastelter Phallussymbole (in Anspielung auf den Fruchtbarkeitsgott Shiva). Der ursprüngliche Shiva-Kult ist im Kontakt mit den kreolischen Christen degeneriert. Das große Fest heißt hier schlicht nur noch »Bon Dieu Cooli« (»Lieber Kuli-Gott«; Kuli ist der Hindu) und bedeutet vier Tage Opfer (ein Schaf, ein Hahn) und rituelle Tänze in bunten Gewändern bis hin zum Laufen über Schwertklingen in göttlicher Trance.