Bevölkerung
Bevölkerung
Menschen und Abstammung
Schmelztiegel Antillen
Bis ins 19. Jahrhundert existierte ein für Kolonien typisches starres gesellschaftliches Gefüge, mit breiter Basis und zahlenmäßig unbedeutendem »Oberbau«: afrikanische Sklaven bildeten die breite Unterschicht, darüber legte sich eine Mittelschicht weißer und schwarzer Händler und Angestellter. Ganz oben standen als dünne Oberschicht die emigrierten französischen Adligen, die als Plantagenbesitzer das Sagen hatten.
Anderthalb Jahrhunderte nach Abschaffung der Sklaverei sind die feinen Unterschiede noch nicht verschwunden, was auch in den Bezeichnungen für verschiedene Farbabstufungen und Rassenzugehörigkeiten deutlich wird: »Métis« (Mestizen, Mischlingsform zwischen Schwarzen und Weißen), »Mulâtres« (Mulatten, Mischlingsform zwischen Asiaten und Weißen), Quart-de-Ton, Sapotille usw., Mißtrauen gegenüber Indern, Chinesen ... Die Volksgruppen müssen sich erst noch kennenlernen. Übrigens: die verbreitete Nachlässigkeit und Lethargie der Menschen haben weniger mit karibischer Nonchalance zu tun, wie uns die bunten Prospekte glauben machen wollen, sondern sind häufig auf eine versteckte Unzufriedenheit und tiefsitzende Unsicherheit im Umgang mit Touristen zurückzuführen.
»Grands Blancs« (große Weiße) oder »Békés« Nachkommen der frühen Großgrundbesitzer. Nach der Französischen Revolution wurden diese aus Guadeloupe vertrieben oder hingerichtet. Auf Martinique leben dagegen bis heute etwa zweitausend »Békés«, deren Macht nach wie vor entscheidend ist. Dass sie die eigens in die Karibik geschaffte Guillotine überlebten, verdanken sie, wie bereits erwähnt, einem historischen Zufall: Martinique zählte damals zur britischen Machtsphäre. Nicht wenige dieser Familien haben durch Landbesitz oder Handel im Laufe der Jahrhunderte beträchtliche Vermögen angehäuft. Auf Guadeloupe heißen diese Leute »Blancs Pays«.
Die Vorfahren der »Petits Blancs« auf Saint-Barthélemy, Les Saintes, La Désirade waren Fischer aus der Bretagne, und diesem Metier sind sie auch treugeblieben.
»Mulâtres«: die Nachkommen einer schwarz-weißen »Domino«-Verbindung standen in den ersten Reihen beim Kampf gegen die Sklaverei und stellen auch heute den dynamischsten Bevölkerungsteil dar.
»Inder« oder »Kulis«: einst als Landarbeiter geknechtet, etablierten sie sich im Handel, als Freiberufler, im öffentlichen Dienst und in der Politik. Die Inder sondern sich als Gemeinschaft eher ab.
»Chinesen«: eine kleine Gruppe, vorwiegend im Handel tätig.
»Libanesen« (oder Syrer): leben überwiegend vom Kleinhandel sowie vom Import-Export-Geschäft.
Wohnverhältnisse
Da gibt es die wackeligen, rissigen Hütten auf Guadeloupe, rostige Kirchen mit Stahlrosetten, abgeblätterte »Lustschlößchen«, die niemand mehr herrichtet, pastellfarbene Häuschen auf Les Saintes. In den feuchten Tropen bleiben die Holzbauten nicht lange makellos. Innen sind sie dafür um so schöner herausgeputzt.
Gelegentlich erinnert man sich auf den Inseln der vergangenen Pracht. Hie und da trifft man auf verkünstelte alte Kolonialhäuser mit Balustraden, Veranden, weißen Giebeln und durchbrochenen Klappläden, sogar Marmortränken. Vereinzelte alte Behausungen aus Stein, inmitten einer Plantage, vergegenwärtigen die Hölle der Sklaverei: langgezogene Schlafsäle, wo die Menschen wie Vieh zusammengepfercht waren, Wassermühle, Kaffeesieb. Im Hintergrund das Herrenhaus, ausgestattet mit Kolonialmöbeln: Betten mit Baldachin, »Joséphine« (eine Art Récamier-Sofa im Directoire-Stil) von irgendeinem Schiffszimmerer einst aus Mahagoni geschnitzt.