Machen wir ein Buch?

Reise, Sachbuch, Belletristik ...?
Alle interessanten Themen;
alles was bewegt.

Hier geht´s weiter!

Fremdenverkehr

Body: 

Fremdenverkehr

Haupteinnahmequelle Tourismus

Abhängigkeit des Départements

Nur wer die Inseln unter dem Winde (engl. »Windward Islands«) entzaubert und sie als etwas anderes als weiße Sandstrände mit Kokospalmen und ewigem Sonnenschein wahrnimmt, kann sich unserer Meinung nach zu ihrem Anwalt machen und zugleich die Entdeckung ihres echten Charakters fördern: eine geheimnisvolle und anrührende Eigenart, die mit vordergründiger Jugendlichkeit und Sorglosigkeit eine Gegenwart voller Widersprüchlichkeiten, Konflikte und Probleme verdeckt.

Die Französischen Antillen bedeuten nicht nur »den Sommer im Winter«, wie es in einer Werbung heißt, die mehr verschleiert, als informiert. Wer sich auf sie einläßt, begegnet einer Kultur und einem entwurzelten Volk auf der Suche nach sich selbst. Daraus kann sich auch ein tieferes Verständnis für die Geschichte Frankreichs und ihrer Schattenseiten entwickeln.

Sicherlich gibt es den blauen Himmel, die Sonne und das Meer, daneben aber auch die Berge, eng verbunden mit dem Leben der Einheimischen, und den Tropenwald, der so völlig von den Touristen verkannt wird. Der Reiz Martiniques, Guadeloupes und seiner Dependancen, Dominicas, Saint-Lucias, Sint Maartens, Saint Barthélemys und Anguillas besteht vor allem in ihrer Vielfalt, von der Friedlichkeit der karibischen Küsten bis zum Toben des Atlantiks, der unaufhörlich gegen die steilen Felsen brandet.

Vor Reiseantritt steht man vor einer schwierigen Wahl: Guadeloupe oder Martinique? Kein Problem, sich für beide zu entscheiden. Wer wirklich nur für eine der beider Vulkaninseln Geld oder Zeit hat, sollte folgendes beherzigen: auf die Gefahr hin, uns Feindschaften zuzuziehen, möchten wir behaupten, dass Martinique uns eine Spur verlockender erscheint, und zwar aus mehreren Gründen: dort gibt es wirklich herrliche Strände, vor allem im Süden, mit denen die von Guadeloupe nicht mithalten können. Auch ist die Auswahl an Unterkünften breiter, ebenso wie das Angebot an ländlichen »Gîtes Ruraux« oder städtischen Herbergen in Privathäusern. Dies erleichtert die Reiseplanung. Hinzu kommt, dass die Bevölkerung auf Martinique weniger engagiert im Unabhängigkeitskampf ist bzw. war als auf Guadeloupe und ihr Verhältnis zu europäischen Touristen folglich unbelasteter. Es ist einfacher, als Europäer mit ihr in Berührung zu kommen.

Damit wir uns nicht mißverstehen: unsere Sympathien gehören keineswegs jenen politischen Kräften in Paris und innerhalb der EU, denen an einer verstärkten wirtschaftlichen Abhängigkeit der beiden Inseln gelegen ist. Deren Autonomie- und Unabhängigkeitsbewegungen lehnen die volle Einbeziehung in den europäischen Binnenmarkt einstimmig ab und fühlen sich von den Versprechungen der Pariser Zentralregierung getäuscht: was ihnen als Selbstbestimmung und Dezentralisierung verkauft wurde, entpuppte sich als Umweg hin zu einer stärkeren wirtschaftlichen Integration. Schon einmal mußten linke und auf Unabhängigkeit bedachte Parteien mit ansehen, wie sich ihre Hoffnungen ins Gegenteil verkehrten: als den beiden Inseln 1946 der Status französischer Departements verliehen wurde, was eher zu größerer Abhängigkeit als zur Selbstbestimmung beitrug.

Und der Fremdenverkehr? Als Teil des überdimensionierten Dienstleistungssektors – Fachleute sprechen von einem »Wasserkopf«, der auf Guadeloupe 65%, auf Martinique sogar 82% der Beschäftigung ausmacht – sorgt er auf der einen Seite für einen vergleichsweise hohen Lebensstandard, äußert sich aber auf der anderen Seite in geringer Produktionskapazität, hoher Arbeitslosigkeit – in manchen Jahren bis zu vierzig Prozent! – beträchtlichen Einfuhren (Lebensmittelimporte!) und zu wertmäßig zu vernachlässigenden Ausfuhren. Alles Faktoren, die einer abhängigen, auf Frankreich ausgerichteten Wirtschaftsstruktur Vorschub leisten. Aber keine Bange: Bombenanschläge gegen touristische Einrichtungen hat es bisher nicht gegeben, wie etwa auf Korsika. Damit das so bleibt, sollte wir bei der Wahl unseres Quartiers oder des Restaurants darauf achten, dass unsere Urlaubsgroschen möglichst den Einheimischen zufließen und nicht internationalen Hotelketten und Dienstleistungsbetrieben aus dem »Mutterland«.

Ob unsere Leserinnen und Leser sich nur für Martinique oder Guadeloupe entscheiden: sich keinesfalls auf das Badevergnügen beschränken! Zu den Inseln gehören lebhafte und zugleich gelassene Menschen, die als Gastgeber zu betrachten sind. Daraus folgt, das wir uns als Gäste zu benehmen haben. Besonders wichtig ist, nicht ständig auf die Uhr zu schielen, sondern sich dem sachten Verinnen von Minuten und Stunden hinzugeben: »doucement« heißt das Zauberwort.