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Geschichte

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Entstehung des Schmelztiegels

Sklaven zuhauf

Französisches Gebiet

»Oued al Aoub« oder Guadeloupe: der »Fluß der Liebe«. Unter diesem wohlklingenden, spanisch-arabischen Namen rückten die französischen Antillen ins Licht der Geschichte, irgendwann im Jahre 1493. Ein Jahr nach seiner ersten Begegnung mit Amerika gelobte »Christoph Kolumbus« der »Jungfrau von Guadaloupe / Estremadura« während eines Sturms, ihr die nächste Insel auf seinem Weg zu weihen. Seine Erscheinung versetzte die Indianer auf der Vulkaninsel in Angst und Schrecken. Nicht weniger verängstigt schilderte ein Begleiter des Kolumbus, er habe in ihren Hütten »mehrere gewebte Decken und vor allem vier oder fünf menschliche Arm- und Beinknochen entdeckt. Wir vermuteten, auf der Insel der »Kariben« gelandet zu sein, einer Rasse, die Menschenfleisch ißt«. Ein Volk von zehntausend Kriegern, nackt und rot bemalt. Wie überall in der Neuen Welt, wird die neue Kolonie auf den Leichen der Indianer errichtet, die alle aus Venezuela stammten.

Die fortgeschrittenste Kultur pflegten die »Arawaks«, die bis zum 9. Jahrhundert auf den Inseln lebten, Tongefäße sowie Steingravuren herstellten und sowohl Tabak als auch Hängematte erfanden. Dieses Fischervolk fiel den Giftpfeilen der »karaibischen Indianer« zum Opfer, einem Kannibalenstamm mit durchbohrten Nasen, der in Hütten entlang der Küste lebte und den ersten Kolonialisten das Leben schwer machte, bis er selbst an Krankheiten, Alkohol und Feuerwaffen zugrunde ging.

Nach dem Abzug der Spanier – sie hatten die Kleinen Antillen lediglich als Sprungbrett zum größere Profite versprechenden südamerikanischen Festland betrachtet – wurden Martinique, Guadaloupe, Saint-Martin und Saint-Barthélemy 1635 von den Franzosen bzw. deren Kolonialgesellschaften in Besitz genommen. Seit dieser Zeit regeln unterschiedlich gewichtete Verträge und Handelsabkommen zwischen den Inseln und Paris die unmißverständliche Unterordnung der Kolonien unter französische Interessen. Für den Zuckerrohranbau wurden Arbeitskräfte gebraucht. Die zuerst »Geladenen«, in bretonischen Häfen zusammengetrieben, hielten das Klima nicht aus. Folglich sah man sich innerhalb der Tropen um.

Bald liefern Sklavenschiffe sogenanntes »Ebenholz« von allen afrikanischen Küsten. Das Paradies wird zum Zwangsarbeiterlager. Zwei Gouverneure und Großgrundbesitzer, »Houël« auf Guadeloupe, »Duparquet« auf Martinique, legen den Grundstein für den künftigen Reichtum. Nach ihrem Tod werden die Inseln vorübergehend von der »Compagnie des Indes Occidentales« (Westindischen Handelsgesellschaft) verwaltet, dann dem König unmittelbar unterstellt. Zucker, Kaffee und Kakao machen die Herren auf Martinique reich und die Insel zum Vorposten des Archipels. Belagert von den Holländern, besetzt von den Engländern, folgen diese Erdsplitter am Ende der Welt dem wechselnden Geschick der Seefahrer.

Während der »Code noir« (das »Schwarze Gesetzbuch«) Colberts, der das Foltern oder Töten von Sklaven ohne Angabe von Gründen verbot, nahezu unbeachtet blieb, entstand im Frankreich der Aufklärung eine Bewegung gegen die Sklaverei. Am 4. Februar 1794 schaffte der Nationalkonvent die Sklaverei ab und brachte eine Guillotine nach Guadeloupe. Martinique war damals englisch, was den dortigen Großgrundbesitzern den Kopf rettete. Deshalb auch gibt es noch heute auf Martinique so viele »Békés« (auf Martinique geborene Großgrundbesitzer, Kreolen französischer Abstammung) mit adeliger Vergangenheit. 1802 führte »Napoleon Bonaparte« unter dem Einfluß seiner Gattin »Joséphine« (einer Landestochter) die Sklaverei wieder ein. Erst 1848 wurde sie endgültig abgeschafft, dank des Einsatzes des elsässischen Abgeordneten »Victor Schoelcher«. Nach ihm wurde gleich ein ganzer Ort benannt, wo sich auch ein Denkmal des Freiheitshelden erhebt: unter einem Ketten zerreißenden, gestreng anmutenden Herrn steht der Spruch »Nulle terre française ne peut plus porter des esclaves« (zu Deutsch etwa: »Auf französische Erde darf kein einziger Sklave mehr seinen Fuß setzen«).

Und was taten die ehemaligen Sklaven? Sie kehrten den Zuckerrohr- und Kafeeplantagen für immer den (geschundenen) Rücken. Neue Arbeitskräfte wurden eingeführt, diesmal aus Indien, um die schwere Arbeit für einen Hungerlohn zu verrichten; das menschliche Puzzle auf den Antillen nahm seine endgültige Gestalt an. Dennoch sahen sich einige Großgrundbesitzer gezwungen, mangels Arbeitskräften ihre Ländereien zu verkaufen, was die ohnehin ausgeprägte Landkonzentration vergrößerte. Weiterer Landerwerb der »Békés« führte zu einer Ablösung des Pachtsystems in der Landwirtschaft durch die Lohnarbeit.

1946 erhielten Martinique und Guadeloupe den Status französischer »Departements« – sicher auch, um sich vom Ruch des nach dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr opportunen Kolonialismus zu befreien. Was zunächst nach einer Aufwertung der Kolonien aussah, entpuppte sich als wohlfeiles Mittel, die Inseln mit ihren einträglichen Kolonialstrukturen noch fester an das Mutterland zu binden: aus den Monokulturen ließ sich schließlich eine Menge Profit schlagen, und die Bevölkerung bot für französische Lebensmittelausfuhren und – mangels einheimischer Konkurrenz – auch für Industrieerzeugnisse aus dem Mutterland einen gesicherten Markt. Andere Kolonialmächte ließen sich ähnliche Hilfskonstruktionen einfallen, die alle früher oder später als neokolonialistisch entlarvt wurden: Großbritannien z.B. schuf den »Commonwealth of Nations« und Portugal beharrte noch bis in die siebziger Jahre auf der Fiktion seinen überseeischen Provinzen (»Províncias ultramarinas«). Nichts anderes stellen letztendlich auch die französischen Überseebesitzungen dar, schönfärberisch »Dom-Toms« genannt: »Départements d´outre mer« bzw. »Territoires d´outre mer«. Über die Belange der Zentralregierung in Paris wacht in Martinique und Guadeloupe jeweils ein Präfekt, flankiert von einem »Conseil Général« (Generalrat) und einem »Conseil Régional« (Regionalrat). Beide Inseln stellen in der französischen Nationalversammlung je vier gewählte Abgeordnete sowie zwei im Senat.