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Rastas

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Rastas

Halb Kult – halb Religion

Müßige Lebenseinstellung

Ein »Rasta« ist für Otto Normalverbraucher ein Mensch, der Reggae-Musik spielt und ein Käppchen wie eine Fahne trägt über einer seltsamen, lianenartig gewundenen Mähne. Eine Art Penner aus den Tropen, wie man das von »Bob Marley», Peter Tosh» und »Jimmy Cliff« kennt. Dahinter steht indessen eine begeisternde Philosophie, di e zahlreiche Schwarze in der Karibik in ihrer Alltagskultur leben.

Es handelt sich um eine religiöse Bewegung, die ihren Ursprung in Jamaica nahm und die übrigen anglophonen Inseln innerhalb eines halben Jahrhunderts eroberte. Ihren Namen verdankt sie einer Zusammenziehung von »Ras Tafari«, Ehrentitel des Kaisers von Äthiopien, »Makonnen», bekannter als »Haile Selassie«. Die Rastafari-Bewegung folgt der Doktrin, die in den zwanziger Jahren vom schwarzamerikanischen »Propheten« »Marcus Garvay« gelehrt wurde. Dieser nationalistische Führer widmete sein Leben dem exilierten schwarzen Volk. Sein Ziel war es, den Schwarzen ihre Vorfahren nahezubringen und sie von der Notwendigkeit zu überzeugen, ihr Joch abzuschütteln. So begannen die Nachkommen der im 15. Jahrhundert als Sklaven aus Afrika Entführten die Bibel zu lesen, das einzige auch für Schwarze erlaubte Buch. Wichtig für sie waren alle Hinweise auf das Land ihrer Mütter: Äthiopien. So entstand die neue Rastafari-Religion, die hebräische Vorschriften auf recht abenteuerliche Weise mit den unglaublichsten Erkenntnissen über die Krönung des Negus verband. Haile Selassie, der »König der Könige« und ein aufgeklärter Despot, stieg so zum »lebendigen Gott« auf. Sein Tod im Jahre 1975 wurde von seinen Jüngern schlicht geleugnet.

Eine unbestreitbare Errungenschaft dieser besonderen antillanischen Mystik ist jedenfalls der »Reggae« als eine der originellsten Musikrichtungen überhaupt. In den fünfziger Jahren ging er aus dem afroamerikanischen »Rhythm´n´Blues« hervor, hieß in den Sechzigern »Ska« und späterhin »Rock Steady« und wurde zur idealen Ausdrucksform der »Rastas«. Sein begabtester Sänger-Prophet, »Bob Marley«, hat seither Haile Selassies Platz in den Herzen der jungen »Rastamen« eingenommen. Mit seinen Liedern über den Exodus der Ahnen, für ein Leben in Armut und gegen die korrupten Söhne Babylons machte Marley Millionen von Schwarzen auf den Antillen, in Großbritannien, Frankreich und Afrika klar, dass »Gott ein Mensch ist« und »ein weiser Mensch nie zuviel redet«.

Die gewaltfreien Rastas glauben an die friedenschaffende Kraft der Musik, halten strikte Ernährungsvorschriften ein und leben am liebsten, ohne zu arbeiten. Manche von ihnen verkaufen Obst auf der Straße oder chauffieren einen Minibus, so wie auf Dominica. Mit aufgedrehtem »Sound System« (dem tragbaren Tonbandgerät) und den »Dreadlocks« (festgezurrte und mit Lehm oder auch Exkrementen in Form gebrachte Zöpfe) im Wind, führen sie eine Existenz abseits der Konsumgesellschaft, quasi in ständiger Ekstase. Meist sieht man sie am Straßenrand hocken, mit geröteten Augen und einem seligen Lächeln im Gesicht. Denn sie pflegen eine besondere Gärtnerkunst, nämlich den Anbau und das Rauchen von »Ganja«, einem gewissen Gras, das mit unserem Rasen im Vorgarten nicht viel gemein hat.

Dazu muß gesagt werden, dass dem Marihuana zwar viele wohltuende Eigenschaften zugesprochen werden (medizinische, aphrodisische und andere), es uns aber im Zweifelsfall vor allem Unannehmlichkeiten bescheren wird. Denn auf den Antillen ist der Konsum jeglicher Form von Kannabis-Derivaten verboten ... vor allem den Europäern. Die Behörden sehen es nicht gerne, wenn Weiße sich dem Rastafari-Lebensstil anpassen, und greifen bei jeder Gelegenheit ein, am liebsten »in flagranti«. Dem Delinquenten blüht unweigerlich eine irrsinnige Geldstrafe, wenn er nicht gar eingebuchtet wird ...

Jetzt sind unsere Leser sicher in der Lage, einen Rasta eindeutig zu identifizieren: das besagte Wollkäppchen, wie schon erwähnt, grün, gelb, rot und schwarz, und die typischen »Dreadlocks« oder »Natty Dread«, die mit religiöser Inbrunst gepflegt werden. Allerdings haben wir auch schon einen Rasta mit auffällig kahlgeschorenem Schädel angetroffen: seine Mutter hatte ihm gedroht, dass er nichts mehr zu essen bekäme, wenn er seinen Kopfschmuck nicht ablege! Schließlich überstieg der Appetit die Liebe zu seinem Gott ...

Letztes Merkmal: die Rastas haben Zeit, alle Zeit der Welt, und sogar mehrere Leben.