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Wirtschaft

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Wirtschaft

Abhängigkeit von Frankreich

Einnahmequelle Tourismus

Die Zeiten haben sich geändert seit dem 17. und 18. Jahrhundert, als die Wirtschaft dank Zucker und Rum blühte. Dass es sich um eine Scheinblüte handelte, wissen wir heute, denn der Boom beruhte auf wenigen Monokulturen und verhinderte die Herausbildung leistungsfähiger sozio-ökonomischer Strukturen. Zucker (aus Zuckerrüben) führt man inzwischen ein, und der Rum stößt zunehmend auf Absatzschwierigkeiten. Heutzutage sind denn auch nahezu alle Zuckerfabriken geschlossen, und die Wirtschaft lebt zum Teil von Unterstützungsgeldern aus Paris bzw. Brüssel und dem »Azent b´Aguette« (»Hosenschlitz-Geld« = Kindergeld). Ironie der Geschichte: extrem hohe Arbeitslosigkeit, geringe Produktionskapazitäten aufgrund fehlender Industrialisierung, erdrückender Importüberschuß und Strukturverzerrungen dienen Paris heute als wohlfeiles Argument für eine Beibehaltung der quasikolonialen Abhängigkeit. Der eigentliche Verursacher der Misere darf sich als Wohltäter aufspielen, ja, er empfände es geradezu als unmoralisch, Martinique und Guadeloupe in der jetzigen Situation ihrem Schicksal zu überlassen. Die Unabhängigkeitsbewegungen mögen sich damit trösten, dass formalpolitische Unabhängigkeit längst noch nicht Selbstbestimmung bedeutet ...

Immerhin: mit staatlicher Hilfe wird versucht, den Produktionsrückgang im Bereich der Landwirtschaft aufzuhalten und neue Märkte für den Rum zu erschließen. Die meisten Abnehmer finden jedoch Bananen und Ananas (als Konserven). Nicht zu vergessen die exotischen Blumen, die Touristen gerne aus dem Urlaub mit nach Hause nehmen ... freilich nur, wenn diese nicht unter Artenschutz stehen! Der Absatz französischer »Kolonialbananen« zu Lasten unserer vertrauten lateinamerikanischen Früchte mit dem Reißverschluß erfuhr bekanntlich durch EU-Regelungen mächtig Aufschwung und bescherte uns ein Drittel höhere Preise. Eine schöne Art, seine Kolonien, in die man seit Jahrzehnten nur hineinbuttern muß, über andere zu finanzieren. Andererseits: welchen Sinn es ergeben soll, dass Bananen und andere exotische Früchte mit Riesenaufwand, unter Verwendung von Pestiziden, Fungiziden und Insektengiften, die hierzulande längst verboten sind, anzubauen und nach Europa zu bringen, während hier Pflaumen, Äpfel usw. wegen der niedrigen Preise am Baum verdorren oder vernichtet werden, ist eine andere Frage. Die obligatorische dumme Kiwischeibe auf dem Eis hier, ärgert uns schon lange.

Potentiell reicher und stärker von der Kolonialzeit durchdrungen als Guadeloupe, wird Martinique noch heute von den Nachkommen der Békés kontrolliert, die im Import-Export-Geschäft hohe Umsätze erzielen. Wer wollte es ihnen verübeln, dass sie an einer stärkeren Selbstversorgung ihrer Insel mit Lebensmitteln und Industriegütern desinteressiert sind. Es dürfte sie auch nicht stören, dass Landwirtschaft und Industrie zusammen nur 16% zum Bruttoinlandsprodukts beitragen, bei einem Anteil des wasserkopfartigen Dienstleistungssektors von sage und schreibe 84%! Anteile der Wirtschaftssektoren in Deutschland/Frankreich zum Vergleich: Landwirtschaft gut ein und 6%, Industrie 38% bzw. 32% u. Dienstleistungen 61% bzw. 59%.