Land/Leute
Anguilla
Die nördlichste der karibischen »Leeward-Inseln« ist bekannt als Luxus-Winterresidenz für Amerikaner der oberen Zehntausend. Diesen Ruf auch weiterhin zu pflegen, scheinen sich die Fremdenverkehrsbehörden fest vorgenommen zu haben. Dem kommt die gastronomische Struktur auf der von Großbritannien abhängigen Insel entgegen: es gibt fast nur kleine, sehr exklusive Hotels. Dennoch ist es kein Ding der Unmöglichkeit, auf Anguilla zu übernachten, ohne ans Eingemachte zu gehen: wenn man sich von der Küste entfernt und ins Landesinnere ausweicht. Da Anguilla, bei dreißig Kilometern Länge, nur vier Kilometer in der Breite mißt, ist man sowieso immer in der Nähe des Meeres!
Ein Abstecher auf diese »vergessene« Insel kann nichts schaden, zumal sie nur fünfzehn Schiffsminuten von Marigot liegt. Warum sie nach einem Aal benannt ist? Na, wegen ihrer flachen, langgezogenen Form. Keine hohen Bäume, nur etwas Gestrüpp klammert sich an den kargen Untergrund. Die Strände von Anguilla halten dafür einem Vergleich mit den schönsten in der Karibik stand.
Geschichte und Status der Insel
Lange Zeit stritten sich jene europäischen Mächte um diesen Landstreifen, die sich in der traurigen Kolonialgeschichte besonders hervortaten: Frankreich und England. Nach Napoleons Niederlage wurde Anguilla dann endgültig englisch, bildete zusammen mit St. Christopher (Kitts) und Nevis eine staatsrechtliche Einheit und führte ein friedliches Dasein, bis hiesige Politiker 1967 die Unabhängigkeit ausriefen. Der griechische Reeder und Multimilliardär »Onassis« witterte das Geschäft und bot eine Million Dollar für den Aufbau einer Billigflagge. Doch 1969 sprangen ein paar englische Fallschirmspringer über Anguilla ab, und die Insel kehrte ins Glied der mit Großbritannien assoziierten Karibikinseln zurück. Gegenwärtig steht Anguilla also unter britischem Protektorat und darf sich »Kronkolonie mit beschränkter innerer Selbstregierung« nennen. An der Spitze steht ein Exekutivrat, unter Vorsitz eines Gouverneurs. Die eigentliche Entscheidungsgewalt liegt aber bei der einheimischen Abgeordnetenversammlung, der »Legislative Assembly«.
Bevölkerung und Lebensart
Alles mutet friedlich an in dieser tropischen Enklave Englands. Man chauffiert auf der »falschen« Seite, die Schwarzen parlieren Englisch und schwingen am Wochenende sogar die Cricketschläger. Auch bei der Religionszugehörigkeit hinterließ die britische Kolonialgeschichte Spuren: Anglikaner spielen statistisch die erste Geige, gefolgt von Katholiken, Baptisten und Methodisten. Die Hauptstadt »The Valley« (2.000 Einwohner!) besteht lediglich aus mehreren verstreuten Behausungen zwischen brachliegenden Feldern.
Ganz Anguilla bringt es auf knapp siebentausend Seelen, überwiegend Schwarze, aber auch Mulatten und Europäer häufig irischer Abstammung. Sie sind stolz auf ihre selbstgebauten Schnellboote, mit denen sie an den Bootsrennen teilnehmen. Die wichtigsten finden am 30. Mai und zur Zeit des Karnevals, der am ersten Montag im August beginnt und zwei Wochen lang dauert, statt.
Wirtschaft und Tourismus
Seit Anfang der achtziger Jahre gewinnt der Fremdenverkehr an Bedeutung. Ihren Broterwerb bestreiten die rund siebentausend Insulaner aber auch mit Salzgewinnung, Fischerei, Viehzucht, Ackerbau und Schiffsbau. Auch nach der Umwandlung Anguillas in eine Kronkolonie mit einer gewissen Autonomie ist man auf britische Finanzhilfe angewiesen. So betrug der Transferbetrag Ende der achtziger Jahre über zwei Millionen US-Dollar! Das pro Kopf erwirtschaftete Bruttoinlandsprodukt nahm innerhalb von zwanzig Jahren (1970-1990) zwar um 1700 % zu, erreicht aber immer noch nicht die Werte auf den Französischen Antillen.
Noch ein Wort zu den touristischen Trümpfen Anguillas: die Insel gilt als Taucherparadies. In kristallklarem Wasser lassen sich die Papageienfische beobachten, die sich zwischen den roten (von Brandnarben duch Abbau entstellten), weißen und orangefarbenen Korallen tummeln. Besonders in »Little Bay«, »Shoal Bay«, »Crocus Bay« und kleineren Buchten.