Machen wir ein Buch?

Reise, Sachbuch, Belletristik ...?
Alle interessanten Themen;
alles was bewegt.

Hier geht´s weiter!

Sehenswertes

Body: 

Sehenswertes

Reiz der Viertel

Gedenkstätte des Befreiers

Hinter den öden Betonburgen am Stadtrand und am Rathausplatz entdecken wir beim Stadtbummel das alte Geschäfts- und malerische Hafenviertel. Die Hauptachse des »Centre commerçant« bildet die Rue Frébault, eine reine Einkaufsstraße, die zum größten Teil in libanesischer Hand ist. Auch in den Rues Nozières, Schoelcher und Delgrès wimmelt es von pittoresken Läden, in denen sich alles finden läßt, vom ausgestopften Fisch bis zum edelsten Madras-Tuch. Die Geschäfte schließen reichlich früh am Abend, ebenso samstagnachmittags und sonntags. Danach wirkt dieser Stadtteil wie ausgestorben.

Wegen der vielen Erdbeben und verheerenden Brände in der Vergangenheit entbehrt der Stadtkern jeder architektonischen Homogenität. Immerhin wurde er stets wieder ohne Hochhäuser aufgebaut. Auch sind einige Gebäude im Kolonialstil, mit Veranden oder Galerien, erhalten geblieben.

Vor dem Justizpalast (Place Gourbeyre) erhebt sich die Saint-Pierre-et-Saint-Paul-Basilika. Von der Innenausstattung her zienlich schlicht; bemerkenswert ist jedoch ihre kuriose Metallarchitektur.

Saint-Antoine-Markt: Rue Frébault, Ecke Rue Peynier. Täglich außer samstagsnachmittags und sonntags von 7 bis 15 oder 16 Uhr. Endlich finden wir wieder alle Vorurteile bestätigt: dieser Markt ist genauso, wie man sich einen Markt in den Tropen schon immer vorgestellt hat: laut, bunt, exotisch, voller Früchte und Gemüsesorten mit unerhörten Formen und Namen. Sich hier mit Gewürzen eindecken, bevor´s wieder nach Hause geht. Und nach Möglichkeit beachten, dass die üppigen Marktfrauen hinter ihren Warenbergen es nicht besonders schätzen, wenn sie ungefragt fotografiert werden! Geschäftstüchtig sie sind sie auch, für ein zärtliches »Doudou chérie« läßt man sich aber gerne ein paar Gramm mehr andrehen.

Hafenviertel: dazu zählt zunächst die Place de la Victoire, ausgesprochen reizvoll unter Palmen und Flamboyants, mit ein paar ansehnlichen Kolonialhäusern und einer erholsamen Grünanlage. Benannt wurde dieser Platz nach dem entscheidenden Sieg Victor Hugues über die Engländer während der Französischen Revolution.

Vor dem Platz erkennen wir das alte Hafenbecken. Die einst von dem Dichter Saint-John Perse besungenen stolzen Schoner sieht man freilich nicht mehr. Sich mit dem Anblick des farbenprächtigen Marktes trösten, der seine Stände bis 13 Uhr entlang des Kais ausbreitet, weniger straff geordnet als der andere, mit Früchten, Gemüsen, Kleidung, Andenken und sogar laut schreienden Zeitungsverkäufern, die die Titel der französischen Blätter ins Kreolische übersetzen. Hier bringen die Fischer von Les Saintes ihre Fänge an den Kunden. Nach altem Brauch dürfen sie jedoch kein Festland betreten. Deshalb wird unmittelbar vom Boot aus gehandelt. Auf der linken Seite vom Hafenbecken laufen alle Schiffe nach Les Saintes und Marie Galante aus. Auch ein Großteil des Nahverkehrs in andere Orte auf Guadeloupe wird hier abgewickelt.

Die Rue Duplessis führt nach Massabielle, einen volkstümlichen Stadtteil am Hügel, in Richtung Krankenhaus. Die Rue Raspail säumt ihrerseits das Carénage-Viertel, wo die Seeleute und kleinen Schiffsbauer wohnen. Ebenfalls ein volkstümlicher Stadtteil mit Holzbuden und verfallenen Läden in einem Gewirr enger Gassen. Es gibt auch mehrere malerische Bars, doch sollte man sich dorthin nur in Begleitung eines einheimischen Freundes begeben, der mit dem Milieu bereits vertraut ist. Von einsamen nächtlichen Spaziergängen ist dringend abzuraten. Auf einer Halbinsel hebt sich schon seit Jahren die massige, traurige Ruine der alten »Darboussier«-Zuckerfabrik ab.

Musée Schoelcher: 24, Rue Peynier, Tel. 82 08 04. Einlaß von 8.30 bis 12.30 Uhr und von 14.30 bis 17.30 Uhr (donnerstags und freitags bis 18 Uhr). Mittwochsnachmittags, samstagnachmittags und sonntags geschlossen. Das Museum in einem vornehmen Kolonialgebäude enthält Andenken und Zeugnisse des bereits erwähnten Kritikers und Aktivisten gegen die Sklavenhaltung: Porzellan aus der väterlichen Fabrik im Elsaß, eine Miniatur-Guillotine, von einem Sklaven gefertigt; im ersten Stock dann Dokumente zur Sklaverei, sehenswerte Graphiken aus dem 18. Jahrhundert sowie mehrere Exponate von Seltenheitswert: Originaldokumente über das englische Sklavenschiff »Brookes«, die »Königliche Deklaration« zur Behandlung der Schwarzen (aus der Epoche Ludwigs XVI.) und ein Halseisen. Im Eingangshof die humoristische Skulptur eines »Sans-culotte« – eines französischen Revolutionärs also, mit langer Hose (im Gegensatz zu den aristokratischen »Culottes«-Kniehosen), kurzer Jacke und roter Mütze – die Victor Hugues aus Frankreich mitgebracht hatte. Begraben ist Schoelcher übrigens im Pariser Pantheon.

Musée Saint-John Perse: 9, Rue de Nozières, Tel. 90 01 92. Publikumsverkehr von 9 bis 17 Uhr, Samstagnachmittag und Sonntag geschlossen. Eintritt zuletzt 2 Euro. Museum im Hause »Pagès«, dem schönsten Kolonialgebäude in Pointe-à-Pitre. Bewundernswert sind der kunstvolle Balkon und der Zink-Fries, der das Haus wie eine feine Spitze schmückt. Er wird »Lambrequin« genannt und findet sich an vielen kreolischen Häusern. Aufwendige Holzverkleidungen im Inneren.

Im Erdgeschoß sind einheimische Trachten, Kohlezeichnungen von Pascin sowie Graphiken und Landkarten der Karibik ausgestellt. Hier auch Wechselaustellungen. Im ersten Stock: Dokumente zum schlimmsten aller Erdbeben, historische Fotografien, Familienandenken, Briefe usw.

Im zweiten Stock: vielfältige Zeugnisse zum literarischen Schaffen des Dichters Saint-John Perse, z.B. Zeitungsartikel und Fotografien. Der hieß eigentlich Alexis Saint-Léger, war ein Kind der Insel, wo er 1887 das Licht der Welt erblickte, kehrte als Zwölfjähriger nach einem Erdbeben zusammen mit seinen Eltern den Plantagen auf Guadeloupe den Rücken, ließ sich im südfranzösischen Pau nieder und begann seine Karriere als Diplomat und Lyriker. Seine Dichtkunst brachte ihm 1960 sogar der Literatur-Nobelpreis ein. Obwohl Saint-John Perse die Heimat seiner Kindheit, Guadeloupe, in seiner traumhaften Poesie besang, setzte er nie mehr einen Fuß auf die Antilleninsel. Ob er sich die kaum zu vermeidende Ernüchterung ersparen wollte?