Naturmerkwürdigkeiten
Erzählungen vom Berg Mamtor
Legenden von Eldenhole
Die Quellen St. Anna´swell und Tideswell
Ich hatte also beinahe den ganzen Nachmittag bis an den Abend in der Höhle zugebracht, und als ich mich nun betrachtete, sahe ich in meinem ganzen Aufzuge meinem Führer ziemlich ähnlich, und meine Schuh hingen kaum noch an den FüÃen, so sehr waren sie durch das lange Gehen im feuchten Sande und auf den harten spitzigen Steinen erweicht und zerrissen.
Ich bezahlte für das Herumführen nicht mehr als eine halbe Krone, und meinem Führer ein Trinkgeld: denn die halbe Krone bekömmt er nicht, sondern muà sie seinem Herrn geben, der von den Revenüen dieser Höhle sehr stattlich lebt, und sich einen Kerl hält, der die Leute darin herumführt.
Als ich zu Hause kam, schickte ich sogleich nach einem Schuster. Dieser wohnte gerade gegenüber, und kam, um meine Schuh in Augenschein zu nehmen, wobei er sich nicht gnug über die schlechte Arbeit daran verwundern konnte; denn ich hatte diese Schuh noch aus Deutschland mitgebracht. Demohngeachtet aber, weil er gerade keine neuen fertig hatte, unternahm er es, sie so gut wie möglich auszubessern.
Ich machte darauf mit diesem Schuster eine gar angenehme Bekanntschaft: denn als ich ihm meine Verwunderung über die Höhle bezeigte, freute er sich darüber, daà doch in diesem kleinen Orte etwas sei, welches Leuten, die aus so weit entfernten Ländern herkämen, Bewunderung einflöÃte. Und darauf erbot er sich selbst, noch einen kleinen Spaziergang mit mir zu machen, um mir in der Nähe den berühmten Berg zu zeigen, welcher Mam Tor genannt, und unter die Naturmerkwürdigkeiten in Darbyschire gezählt wird.
Dieser Berg ist auf seinem Rücken und Seiten grün bewachsen, allein an dem einen Ende hat er auf einmal einen jähen Absturz. Nun besteht aber das Innere dieses Berges, nicht so wie der übrigen, aus Felsen, sondern aus einer lockern Erde, die sich immer von selber ablöst, und beständig von der Spitze dieses jähen Absturzes bald in kleinen Stücken herunterrieselt, bald sich in groÃen Massen mit einem donnernden Getöse losreiÃt, und auf die Weise neben diesem Berge einen Hügel bildet, der immer höher anwächst.
Daher kömmt auch wahrscheinlich der Name Mamtor, welcher ohngefähr so viel sagen will, als Mutterberg. Denn tor ist eine Abkürzung von tower, und bedeutet jede Anhöhe. Mam aber ist eine gewöhnliche Abkürzung von Mother, Mutter; nun aber gebiert dieser Berg gleichsam wie eine Mutter wieder kleine Berge.
Ein Aberglaube ist es wohl, wenn die Einwohner sagen, daà dieser Berg ohngeachtet seines täglichen Verlustes nie abnehme, noch sich zurückziehe, sondern immer so bleibe, wie vorher.
Eine fürchterliche Geschichte erzählte mir mein Begleiter, von einem Einwohner von Castleton, der eine Wette einging, diesen jähen Absturz hinaufzusteigen.
Weil der Absturz unten nicht so ganz steil ist, sondern etwas schräg in die Höhe geht, so konnte er in dem weichen losen Erdreiche gut festen Fuà fassen, und kletterte immer hinan, ohne sich umzusehen. Endlich war er weit über die Hälfte hinaufgestiegen, und kam dahin, wo sich der Absturz hinüberneigt, und seine eigne Basis übersieht. Von dieser entsetzlichen Höhe warf der Unglückliche seine Augen hinunter, indes die drohende Spitze des Absturzes mit wankenden Erdmassen über seinem Haupte hing.
Er fing am ganzen Körper an zu zittern, Hände und FüÃe waren schon im Begriffe loszulassen, und er wagte es, weder vorwärts noch rückwärts zu steigen: so schwebte er eine Weile mit Verzweiflung umgeben, zwischen Himmel und Erde. Indes da seine Sehnen nicht mehr halten wollten, raffte er noch einmal alle seine Kräfte zusammen, und ergriff einen losen Stein nach dem andern, wovon jeder ihn fallen zu lassen drohte, wenn er nicht schnell einen andern ergriff, auf welche Weise er denn zu seiner und aller Zuschauer Verwunderung, dem beinahe gewissen Tode entging, glücklich die Spitze des Berges erreichte, und seine Wette gewann.
Mich schauderte, da ich diese Erzählung hörte, und den Berg und den ungeheuren Absturz, wovon die Rede war, selbst so nahe vor mir, und den Kerl in Gedanken hinanklettern sahe.
Nicht weit von hier ist Eldenhole, ein fürchterliches Loch in der Erde, von so ungeheurer Tiefe, daà wenn man einen Kieselstein hineinwirft, und das Ohr an den Rand legt, man denselben lange Zeit fallen hört.
Sobald der Stein hinunterkömmt, ists, als ob man einen seufzenden Laut hörte, bis der erste Schlag das Ohr wie ein unterirdischer Donner rührt. Dieses donnernde Getöse nimmt ab und zu, nachdem der Stein an die harten Felsenwände schlägt, und endlich nachdem er lange gefallen ist, hört plötzlich das Getöse mit einem Gezisch auf.
Das Volk trägt sich auch hiervon mit allerlei abergläubischen Erzählungen; daà nehmlich einer eine Gans hineingeworfen habe, die zwei Meilen davon, in der groÃen Höhle, die ich beschrieben habe, ganz nackt und von Federn entblöÃt wieder hervorgekommen sei, und mehr dergleichen Märchen.
Eigentlich zählt man in Darbyschire sieben Wunder der Natur, wozu denn dies Eldenhole, der Berg Mamtor, und die groÃe Höhle, worin ich gewesen bin, gehören. Diese Höhle wird hier mit einem ziemlich schmutzigen Namen, the Devils Arse, benannt.
Die übrigen vier Wunder der Natur sind die Poolshöhle, welche mit der meinigen einige Ãhnlichkeit hat, die ich aber nicht gesehen habe: ferner St. Anna´swell, oder der St. Annenbrunnen, wo dicht nebeneinander zwei Quellen, die eine siedend heià und die andre eiskalt, entspringen; alsdann noch Tideswell, nicht weit von der Stadt, durch welche ich gekommen bin, eine Quelle, die sich die mehreste Zeit fast ganz unmerklich ergieÃt, und dann auf einmal mit einem starken unterirdischen Getöse, das auch etwas musikalisches haben soll, hervorbricht, und ihre Ufer überschwemmt; endlich Chatsworth, ein Palast am Fuà eines Berges, der oben mit Schnee bedeckt ist, und den traurigsten Winter darstellt, indes zu seinen FüÃen der angenehmste Frühling blühet. Von diesen letztern Wundern kann ich Ihnen nichts mehr sagen, weil ich sie alle nur aus Erzählungen kenne, womit mich teils auch mein Begleiter der Schuster, während unsers Spazierganges unterhielt.
Indem mich dieser Mann hier herumführte, und erwägte, wie weit ich nun schon in der Welt gekommen sei, und was für wunderbare Dinge ich weit und breit zu sehen bekomme, erregte dies bei ihm eine so lebhafte Begierde zum Reisen, daà ich genug zu tun hatte, sie ihm wieder auszureden: denn er konnte den ganzen Abend nicht davon aufhören, und beteuerte, wenn er nicht Weib und Kind hätte, er reiste Morgen am Tage fort; denn hier in Castleton sei so nicht viel zu verdienen, und sehr schlechte Nahrung, und er sei noch nicht dreiÃig Jahr alt.
Auf dem Rückwege wollte er mir noch die Bleiminen zeigen, allein es war schon zu spät. Er stellte mir den Abend noch meine Schuh auf eine meisterhafte Art wieder her.
Ich aber habe aus der Höhle einen Husten mitgebracht, der mir gar nicht gefällt, und mir viel Beschwerlichkeit verursacht, welche mich vermuten läÃt, daà man doch in dieser Höhle wohl ungesunde Dämpfe einatmen müsse, aber denn begreife ich nur nicht, wie der Charon es so lange aushalten kann.