Houses of Parliament
Westminsterhall
Die gesamte Englische Nation in einem Raum
Dresscode im Parlament
Das Parlament.*
Bald hätte ich vergessen, Ihnen zu sagen, daà ich schon im Parlament gewesen bin, und doch ist dies das Wichtigste. Und wenn ich in England auch sonst nichts als dies gesehen hätte, so würde ich mich für meine Reise schon hinlänglich belohnt halten.
So wenig ich mich auch sonst um die politische Welt bekümmert habe, weil es bei uns wirklich nicht der Mühe wert ist, war ich doch sehr begierig, einer Parlamentssitzung mit beizuwohnen, und dieser Wunsch wurde mir sehr bald gewährt.
An einem Nachmittage um drei Uhr, wo gemeiniglich die Sitzung anhebt, erkundigte ich mich nach Westminsterhall, und wurde von einem Engländer sehr höflich zurechtgewiesen, wie denn dies überhaupt geschiehet, man mag fragen, wen man wolle, so daà man sich, wenn man nur einigermaÃen der Sprache mächtig ist, mit leichter Mühe durch ganz London finden kann.
Westminsterhall ist ein ungeheures Gotisches Gebäude, dessen Gewölbe nicht von Pfeilern unterstützt wird; statt deren sind aber an beiden Seiten des Gewölbes groÃe und unförmliche aus Holz geschnittene Engelsköpfe angebracht, die dasselbe zu tragen scheinen.
Wenn man durch diese lange Halle geht, so steigt man am Ende ein Paar Stufen hinauf, und kömmt zur linken Seite durch einen dunkeln Gang, ins Haus der Gemeinen, das unten eine groÃe doppelte Tür hat, und auf einer kleinen Treppe kömmt man zu der Galerie für die Zuschauer.
Als ich das erstemal diese Treppe hinaufging, und an das Geländer kam, sah ich hier einen sehr feinen Mann in einem schwarzen Kleide stehen: den ich fragte, ob ich auf die Galerie kommen dürfe? Er antwortete mir, ich müsse von einem Parlamentsgliede heraufgebracht werden, sonst könne es nicht geschehen. Da ich nun nicht die Ehre hatte, ein Parlamentsglied zu kennen, und also miÃvergnügt wieder die Treppe hinunter ging, hörte ich mir etwas von bottle of wine nachschallen, das ich mir schlechterdings nicht erklären konnte, bis ich zu Hause kam, und von meiner Wirtin hörte, ich hätte dem feingekleideten Manne eine halbe Krone oder zwei Schillinge zu einer Bouteille Wein in die Hand drücken sollen. Dies tat ich den folgenden Tag, wo mir derselbe Mann, der mich vorher abgewiesen hatte, nachdem ich ihm nur zwei Schillinge in die Hand gedrückt, sehr höflich die Tür öffnete, und mir selber einen Platz auf der Galerie anwies.
Und nun sah ich also zum erstenmale in einem ziemlich unansehnlichen Gebäude, das einer Kapelle sehr ähnlich sieht, die ganze Englische Nation in ihren Repräsentanten versammelt: der Sprecher, ein ältlicher Mann, mit einer ungeheuren Allongenperücke, in einem schwarzen Mantel, den Hut auf dem Kopfe, mir gerade gegenüber auf einem erhabenen Stuhle, der mit einer kleinen Kanzel viel Ãhnlichkeit hat, nur daà vorn das Pulpet daran fehlt; vor diesem Stuhle ein Tisch, der wie ein Altar aussieht, vor welchem wiederum zwei Männer, welche Clerks heiÃen, schwarz gekleidet und in schwarzen Mänteln sitzen, und auf welchem neben den pergamentnen Akten, ein groÃer vergoldeter Scepter liegt, der allemal weggenommen, und in ein Behältnis unter den Tisch gelegt wird, sobald der Sprecher von seinem Stuhle herabsteigt, welches geschieht so oft sich das Haus in eine sogenannte Kommittee oder bloÃe Untersuchung verwandelt, während welcher es seine Würde, als gesetzgebende Macht gewissermaÃen ablegt. Sobald dies vorbei ist, sagt jemand zu dem Sprecher: nun könnt ihr euch wieder hinsetzen! und sobald der Sprecher seinen Stuhl besteigt, wird auch der Scepter wieder vor ihm auf den Tisch gelegt.
An den Seiten des Hauses rund umher unter der Galerie sind die Bänke für die Parlamentsglieder, mit grünem Tuch ausgeschlagen, immer eine höher, als die andre, wie unsre Chöre in den Kirchen, damit derjenige, welcher redet, immer über die vor ihm sitzenden wegsehen kann. Eben so sind auch die Bänke auf der Galerie. Die Parlamentsglieder behalten ihre Hüte auf, aber die Zuschauer auf der Galerie sind unbedeckt.
Die Parlamentsglieder im Unterhause haben nichts Unterscheidendes in ihrer Kleidung; sie kommen im Oberrock und mit Stiefeln und Sporen herein. Es ist nichts ungewöhnliches, ein Parlamentsglied auf einer von den Bänken ausgestreckt liegen zu sehen, indes die andern debattieren. Einige knacken Nüsse, andre essen Ãpfelsinen, oder was sonst die Jahrszeit mit sich bringt. Das Ein- und Ausgehen dauert fast beständig, und so oft jemand hinausgehen will, stellt er sich erst vor den Sprecher, und macht ihm seinen Reverenz, gleichsam als ob er ihn, wie ein Schulknabe seinen Präceptor, um Erlaubnis bittet.
Das Reden geschiehet ohne alle Feierlichkeit: einer steht bloà von seinem Sitze auf, nimmt seinen Hut ab, wendet sich gegen den Sprecher, an den alle Reden gerichtet sind, behält Hut und Stock in einer Hand, und mit der andern macht er seine Gesten.
Redet einer schlecht, oder hat das, was er sagt, für die meisten nicht Interesse genug, so ist oft ein solches Lärmen und Gelächter, daà der Redende kaum sein eignes Wort hören kann, welches für diesen eine sehr ängstliche Lage sein muÃ; und dann hat es sehr viel Komisches, wenn der Sprecher auf seinem Stuhle, wie ein Präceptor zu wiederholtenmalen Ordnung gebietet, indem er ausruft, to Order, to Order! ohne daà eben viel darauf geachtet wird.