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Fremde Sitten

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Wohlhabenheit und flotte Begräbnisse

Komisches Essen und Krankheiten

Verschwenderische Straßenbeleuchtung

So weit ich diese Paar Tage über London durchstrichen bin, habe ich, im Ganzen genommen, nicht so schöne Häuser und Straßen, aber allenthalben mehr und schönere Menschen, als in Berlin, gesehen. Es macht mir ein wahres Vergnügen, so oft ich von Charingkroß, den Strand hinauf, und so weiter, vor der Paulskirche vorbei, nach der Königlichen Börse gehe, wenn mir vom höchsten bis zum niedrigsten Stande fast lauter wohlgestaltete, reinlich gekleidete Leute, im dicksten Gedränge begegnen, wo ich keinen Karrenschieber ohne weiße Wäsche sehe, und kaum einen Bettler erblicken der unter seinen zerlumpten Kleidern nicht wenigstens ein reines Hemde trüge.

Ein sonderbarer Anblick ist es, unter diesem Gewühl von Menschen, wo jeder mit schnellen Schritten seinem Gewerbe oder Vergnügen nachgeht, und sich allenthalben durchdrängen und stoßen muß, einen Leichenzug zu sehen.

Die Englischen Särge sind sehr ökonomisch gerade nach dem Zuschnitt des Körpers eingerichtet; sie sind platt, oben breit, in der Mitte eingebogen, und unten nach den Füßen zu laufen sie spitz zusammen, ohngefähr wie ein Violinkasten.

Einige schmutzige Träger suchen sich mit dem Sarge, so gut sie können, durchzudrängen, und einige Trauerleute folgen. Übrigens bekümmert man sich so wenig darum, als ob ein Heuwagen vorbeiführe. Bei den Begräbnissen der Vornehmen mag dies vielleicht anders sein.

Übrigens kömmt mir ein solcher Leichenzug in einer großen volkreichen Stadt immer desto schrecklicher vor, je größer die Gleichgültigkeit der Zuschauer, und je geringer ihre Teilnehmung dabei ist. Der Mensch wird fortgetragen, als ob er gar nicht zu den übrigen gehört hätte. In einer kleinen Stadt oder Dorfe kennt ihn ein jeder, und sein Name wird wenigstens genannt.

Die Influenza, welche ich in Berlin verließ, habe ich hier wieder angetroffen, und es sterben viele Menschen daran. Noch immer ist es für die Jahrszeit ungewöhnlich kalt, so daß ich mir noch täglich muß Kaminfeuer machen lassen. Ich muß gestehen, daß mir die Wärme von den Steinkohlen im Kamine weit sanfter und milder vorkommt, als die von unsern Öfen. Auch tut der Anblick des Feuers selbst eine sehr angenehme Wirkung. Nur muß man sich hüten, gerade und anhaltend hineinzusehen; denn daher kommen wohl mit die vielen jungen Greise in England, welche mit Brillen auf der Nase auf öffentlichen Straßen gehen und reiten; und sich also schon in ihrer blühenden Jugend der Wohltat für das Greisenalter bedienen, denn unter diesem Namen (the Blessings of old Age) werden die Brillen in den Läden verkauft.

Ich esse jetzt beständig zu Hause, und muß gestehen, daß meine Mahlzeiten ziemlich frugal eingerichtet sind. Mein gewöhnliches Gericht des Abends ist eingemachten Lachs (Pickle Salmon) den man mit Öl und Essig aus der Brühe isset, eine sehr erfrischende und wohlschmeckende Speise.

Wer in England Kaffee trinken will, dem rate ich allemal vorherzusagen, wie viel Tassen man ihm von einem Lot machen soll, sonst wird er eine ungeheure Menge braunes Wasser erhalten, welches ich mit aller Erinnerung noch nicht habe vermeiden können. Das schöne Weizenbrot, nebst Butter und Chesterkäse halten mich für die spärlichen Mittagsmahlzeiten schadlos. Denn diese bestehen gemeiniglich aus einem Stück halbgekochten oder gebratnen Fleische, und einigen aus dem bloßen Wasser gekochten grünen Kohlblättern, worauf eine Brühe von Mehl und Butter gegossen wird; das ist wirklich die gewöhnliche Art, in England die Gemüse zuzurichten.

Die Butterscheiben, welche zum Tee gegeben werden, sind so dünne wie Mohnblätter. Aber es gibt eine Art, Butterscheiben am Kaminfeuer zu rösten, welche unvergleichlich ist. Es wird nehmlich eine Scheibe nach der andern so lange mit einer Gabel ans Feuer gesteckt, bis die Butter eingezogen ist, alsdann wird immer die folgende drauf gelegt, so daß die Butter eine ganze Lage solcher Scheiben allmählich durchzieht: man nennt dies einen Toast.

Vorzüglich gefällt mir die Art, ohne Deckbette zu schlafen. Man liegt zwischen zwei Bettlaken, wovon das obere die Unterlage einer leichten wollenen Decke ist, die ohne zu drücken, hinlänglich erwärmt. Das Schuhputzen geschiehet nicht im Hause, sondern durch eine benachbarte Person deren Gewerbe dies ist, und die alle Morgen die Schuh aus dem Hause abholet, und gereinigt wiederbringt, wofür sie wöchentlich ein Gewisses erhält. Wenn die Magd unzufrieden mit mir ist, so höre ich zuweilen, daß sie mich draußen the German, den Deutschen nennt, sonst heiße ich im Hause the Gentleman, oder der Herr.

Das Fahren habe ich ziemlich eingestellt, ob es gleich lange nicht so viel kostet, wie in Berlin, indem ich hier für einen Schilling über eine Englische Meile hin und her fahren kann, wofür ich dort wenigstens einen Gulden bezahlen müßte. Demohngeachtet aber erspart man sehr viel, wenn man zu Fuße geht, und sich mit Fragen zu behelfen weiß. Von meiner Wohnung in Adelphi bis an die Königliche Börse, ist wohl so weit, wie von einem Ende Berlins zum andern, und bis an den Tower und St. Catharins, wo die Schiffe auf der Themse ankommen, ist wohl noch einmal so weit, und diesen Weg habe ich wegen meines Koffers, der noch auf dem Schiffe war, schon zweimal zu Fuße gemacht.

Als ich den ersten Abend, wie es dunkel ward, zurückkam, erstaunte ich über die herrliche Erleuchtung der Straßen, wogegen die unsrige in Berlin äußerst armselig ist. Die Lampen werden schon angesteckt, wenn es noch beinahe Tag ist, und die Laternen sind so dicht neben einander, daß diese gewöhnliche Erleuchtung einer feierlichen Illumination ähnlich sieht, wofür sie auch ein deutscher Prinz hielt, der zum erstenmal nach London kam, und im Ernst glaubte, daß sie seinetwegen veranstaltet sei.