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Kunst und Kultur

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Parks

Reizüberflutung im Britischen Museum

Haymarket Theater

London, den 17ten Juni.*

Ich habe nun London alle Tage nach verschiednen Richtungen durchstrichen, und bin jetzt, nach meinem Grundriß zu urteilen, mit diesen Wanderungen beinahe fertig. Dann solls weiter ins Land gehn, und das, wills Gott! in ein paar Tagen, denn schon lange bin ich des immerwährenden Kohlendampfes müde, und sehr begierig, einmal eine reinere Luft wieder einzuatmen.

Es ist wohl wahr, daß London, im Ganzen genommen, nicht so schön wie Berlin gebaut ist, aber es hat mehrere und schönere große Plätze, die sogenannten Squares, deren eine ziemliche Anzahl sind, und die denn doch unsern Gens d´armes-Markt, Dehnofschen, und Wilhelmsplatz an Pracht und Regelmäßigkeit zu übertreffen scheinen. Diese Squares oder viereckigten Plätze enthalten die prächtigsten Gebäude von London, und innerhalb derselben ist ein runder grüner Rasenplatz mit einem Geländer eingefaßt, in dessen Mittelpunkt gemeiniglich eine Statüe errichtet ist, wovon die, welche ich gesehen habe, zu Pferde und vergoldet waren. In Großvenorsquare ist statt dieses Rasenplatzes sogar ein kleines Wäldchen in der Ründung angelegt. Einer der längsten aber auch angenehmsten Wege, die ich gemacht habe, ist von Paddington nach Islington, wo man zur linken Seite eine schöne Aussicht auf die nahegelegnen Hügel, und vorzüglich nach dem Dorfe Hampstead, das an einem dieser Hügel erbauet ist, und zur rechten Seite die Straßen der Stadt London in einem abwechselnd schönen Prospekte hat. Freilich ist es gefährlich, hier, besonders in den Mittags- und Abendstunden allein zu gehen: denn noch vergangene Woche ist auf eben diesem Wege ein Mensch beraubt und erschlagen worden. Doch nun von etwas andern!

Das brittische Museum.*

Ich habe auch Herrn Pastor Woide kennen lernen, der mit dem brittischen Museum in Verbindung steht, und mir Gelegenheit verschafft hat, dasselbe, noch am Tage vorher, ehe es geschlossen wurde, zu sehen; da man sich sonst vierzehn Tage vorher melden muß, ehe man zugelassen wird. Eigentlich habe ich aber freilich nur die Zimmer und Glasschränke, und Bücherrepositoria im brittischen Museum, und nicht das brittische Museum selbst gesehn, so schnell wurden wir durch die Zimmer geführt. Die Gesellschaft bestand aus allerlei, auch ganz niedrigen Personen, beiderlei Geschlechts: denn weil es ein Eigentum der Nation ist, so muß einem jedweden der Zutritt dazu verstattet werden. Ich hatte Herrn Wendeborns Beiträge bei mir, wodurch ich wenigstens auf einiges Specielle, als die ägyptischen Mumien, einen Homerskopf, und einige andre Dinge aufmerksam gemacht wurde. Sobald das die übrige Gesellschaft von Engländern bemerkte, versammelten sie sich um mich, und ich unterrichtete sie aus Herrn Wendeborns deutschem Buche, was hier zu sehen sei. Der Trustee oder Aufseher, welcher uns herumführte, bezeigte eine spöttische Verwunderung, da er erfuhr, daß ich eine deutsche Beschreibung vom brittischen Museum bei mir habe. Man ist in einer Art von Betäubung, wenn man binnen einer Stunde durch alle diese Zimmer geht, und die ungeheuren Schätze von Naturmerkwürdigkeiten, Altertümern und Gelehrsamkeit anstaunt, woran man wenigstens ein Jahr aufmerksam zu betrachten, und eine Lebenszeit zu studieren haben würde. Teilweise soll die Sammlung von andern weit übertroffen werden, aber im Ganzen genommen, und an Vollständigkeit dieser keine gleich kommen. Durchreisende Theologen pflegen sich gern den Alexandrinischen Kodex zeigen zu lassen, um sich mit ihren Augen zu überzeugen, ob die Stelle: Drei sind die da zeugen, u. s. w. darin steht, oder nicht.

Der Herr Pastor Woide wohnt nicht weit von Paddington, ganz am Ende der Stadt, in einer sehr angenehmen Gegend, wo man schon eine weit freiere und reinere Luft einatmet, als mitten in der Stadt. Seine Verdienste um die orientalische Literatur sind bekannt. Er ist aber auch ein sehr umgänglicher und dienstfertiger Mann.

Das Theater zu Haymarket*.

Vergangene Woche bin ich denn auch zweimal in der Englischen Komödie gewesen. Das erstemal wurde der Nabob aufgeführt, wovon der verstorbene Foot Verfasser ist, und zum Nachspiel wurde ein komisches Singspiel The Agreeable Surprise, die angenehme Überraschung gegeben; das andremal aber der Englische Kaufmann, welches Stück ins Deutsche übersetzt, und unter dem Titel: die Schottländerin oder das Kaffeehaus, bekannt ist.

Das Theater zu Koventgarden und Drurylane habe ich nicht gesehen, weil auf denselben im Sommer nicht gespielt wurde. Auch reisen die besten Schauspieler vom Mai bis zum Oktober aufs Land, und spielen nur im Winter. Die Schauspieler, welche ich gesehen habe, waren, einige wenige ausgenommen, eben nicht sonderlich.

In den Logen bezahlt man fünf, im Parterre drei, in der ersten Galerie zwei, und in der letzten oder Obergalerie einen Schilling. Und gerade diese Obergalerie macht für ihren einen Schilling das meiste Lärm. Ich war im Parterre, welches bis an das Orchester schräg hinuntergeht, und von oben bis unten mit Bänken versehen ist. Und alle Augenblicke kam eine faule Apfelsine bei mir oder meinem Nachbar vorbei, mir auch wohl auf den Hut geflogen, ohne daß ich es wagen durfte, mich umzusehen, wenn mir nicht auch eine ins Gesicht geflogen kommen sollte.

Beiläufig werden diese Äpfelsinen sehr häufig in London gegessen, und man verkauft sie um einen ziemlich wohlfeilen Preis, zuweilen eine oder gar zwei für einen Halfpenny, oder einen Dreier nach unserm Gelde. In der Komödie hingegen foderte man mir für eine einen Sixpence ab.

Außer diesem Werfen von der Galerie hat das Schreien und Stampfen mit den Stöcken kein Ende bis der Vorhang aufgezogen ist. Ich sahe einen großen Müller oder Bäckerjungen mit seinem Stocke über das Geländer reichen, und immer auswendig mit aller Gewalt daran schlagen, so daß ihn jedermann sehen konnte, ohne daß er sich gescheuet oder geschämt hätte. Zuweilen hörte ich auch, daß Leute aus der untern Galerie mit der obern zankten.

Hinter mir im Parterre saß ein junger Geck, der um seine prächtigen Steinschnallen brillieren zu lassen, immer seinen Fuß auf meine Bank, und auch wohl auf meinen Rockschoß setzte, wenn ich seinen Schnallen nicht Platz machte.

In den Logen saßen die Bedienten der Herrschaften, die nicht da waren, ganz in einem Winkel; denn wenn es einer wagt, sich darin blicken zu lassen oder hinaus zu sehen, soll er gleich mit einer ganzen Ladung Apfelsinenschalen von der Galerie begrüßt werden.

In dem Nabob von Foot sind lokal und persönliche Anzüglichkeiten, die für einen Fremden verloren gehen. Der Nabob, welchen ein Mr. Palmer mit alle dem vornehmseinwollenden affektierten Air eines plötzlich zu ungeheuren Reichtümern gelangten Geckes, spielte, wurde von einer Gesellschaft naturforschender Freunde, von Quäkern, und wer weiß von wem sonst, zum Mitgliede gesucht und aufgenommen, und eine höchst einfältige Rede, die er spottweise in dem naturforschenden Klubb hielt, mit Bewunderung angehört. Die beiden Scenen mit den Quäkern, und mit der Gesellschaft Naturforscher, die mit den wichtigsten Mienen, ihren Präses in der Mitten, an einem grünen Tische saßen, indes der Sekretär die lächerlichen Geschenke des Nabobs sehr sorgfältig aufzeichnete, waren höchst komisch. Eine der letzten Scenen nahm sich noch am besten aus, wo des Nabobs alter Freund und Spielkamerad ihn besucht, der ihn ohne Umstände bei seinem Taufnamen anredet, aber auf alle seine Fragen: ob er ihn denn nicht mehr kenne, sich nicht noch jenes Spiels, jener Schlägerei, die sie als Kinder gehabt, u. s. w. zu erinnern wisse, mit einem kalten und spöttischen: no Sir! und vornehmen Achselzucken zurückgewiesen wird, das äußerst karakteristisch war.

Das Nachspiel the agreeable Surprise, war wirklich eine sehr komische Farce. Und auch hier habe ich denn gesehen, daß die Schulmeister, so wie allenthalben, auf dem Theater lächerlich gemacht werden, welches auch sehr natürlich ist, denn die Pedanterie der Schulmeister in England geht so weit, wie irgendwo. Eben der, welcher in dem vorigen Stücke, mit sehr viel Natur und eigentümlicher Laune den ehemaligen Schulkameraden des Nabob spielte, machte hier den Schulmeister. Er heißt Edwin, und ist gewiß einer der besten unter den Schauspielern die ich hier gesehen habe.