Interkulturelles
Zollbestimmungen
Trinkgeld und verzwickte Geldwechselei
Sichere Gehwege und verdammter Suff
London, den 5ten Juni.*
Endlich, liebster G..., bin ich einmal wieder in Ruhe, da ich meinen Koffer und meine Sachen vom Schiffe habe, das erst gestern Morgen angekommen ist. Weil ich meinen Koffer nicht erst wollte nach dem Kustom- oder Zollhause bringen lassen, welches sehr viele Umstände macht, so muÃte ich an die Gerichtsdiener und Visitatoren, welche auf das Schiff kamen, bezahlen. Als ich aber den einen mit zwei Schillingen befriedigst hatte, so protestierte der andre wieder gegen die Verabfolgung des Koffers, bis ich ihm eben so viel gegeben hatte, und so auch der dritte, daà es mir sechs Schillinge kostete, die ich auch gern gab, weil es mir auf dem Kustomhouse noch mehr würde gekostet haben.
Gleich am Ufer der Themse befanden sich verschiedne Träger, wovon einer den groÃen und schweren Koffer mit erstaunlicher Leichtigkeit auf die Schulter nahm, und ihn für zwei Schillinge so weit trug, bis wir eine Mietkutsche trafen, in welche wir ihn absetzten, und ich zugleich selbst mitfuhr, ohne weiter für den Koffer besonders zu bezahlen. Dies ist ein groÃer Vorteil bei den Englischen Mietkutschen, daà es einem nicht verwehrt ist, mit sich zu nehmen, was man will: man erspart dabei doppelt so viel, als man einem Träger bezahlen müÃte, und fährt selber mit. Die Antworten und Ausdrücke der gemeinen Leute sind mir hier wegen ihrer Kürze und Präcision oft schon sehr aufgefallen. Als ich mit dem Kutscher zu Hause kam, warnte ihn meine Wirtin, mir nicht zu viel abzufordern, weil ich ein Fremder sei: und wenn er auch kein Fremder wäre, antwortete er, so würde ich ihm nicht zu viel abfordern!
Meine Empfehlungsschreiben an einen hiesigen Kaufmann, die ich wegen der eiligen Abreise von Hamburg nicht mitnehmen konnte, sind nun auch angekommen, und haben mir viele Besorgnisse wegen der Umwechselung meines Goldes erspart, ich kann dies nun wieder mit nach Deutschland nehmen, und dort an den Korrespondenten des hiesigen Kaufmanns die Summe wieder geben, die mir derselbe hier im Englischen Gelde auszahlt. Sonst hätte ich meine PreuÃischen Friedrichsd´or nach dem Gewicht verkaufen müssen. Für einige holländische Dukaten, die ich während der Zeit ausgeben muÃte, bekam ich nicht mehr wie acht Schillinge.
Von dem Matrosenpressen hat hier ein Ausländer nicht das mindeste zu befürchten, vollends wenn er sich an keinen verdächtigen Orten finden läÃt. Eine sonderbare Erfindung zu diesem Endzweck ist ein Schiff, das nicht weit vom Tower auf Towerhill auf dem Lande steht, und mit Masten und Zubehör versehen ist. Einfältigen Leuten, die etwa vom Lande kommen und hier stehen bleiben, um es anzugaffen, verspricht man, es für eine Kleinigkeit zu zeigen, und sobald sie darin sind, werden sie wie in einer Falle fest gehalten, und entweder nach Befinden der Umstände wieder losgelassen oder zu Matrosen weggenommen.
Gar bequem deucht einem Fremden der mit breiten Steinen gepflasterte Weg an beiden Seiten der StraÃen, wo man vor der entsetzlichen Menge von Wagen und Kutschen auf den StraÃen so sicher ist, wie in seiner Stube; denn kein Rad darf nur um einen Fingerbreit hinüber kommen. Indes erfordert es die Höflichkeit, eine Dame, oder jemand, den man ehren will, nicht etwa wie bei uns, immer zur Rechten, sondern an der Seite der Häuser (Wall-side), es sei nun übrigens die rechte oder die linke, gehen zu lassen, weil diese die bequemste und sicherste ist. Mitten auf der StraÃe wird man in London nicht leicht einen vernünftigen Menschen gehen sehen, ausgenommen, wenn man quer über muÃ, welches bei CharingkroÃ, und andern Plätzen, wo sich verschiedne StraÃen durchkreuzen, wirklich gefährlich ist.
Sehr auffallend ist es, wenn man, besonders auf dem Strande, wo ein Kaufmannsgewölbe an das andere stöÃt, und oft Leute von sehr verschiednem Gewerbe in einem Hause wohnen, die Häuser oft von unten bis oben, mit groÃen, an aufgehängte Tafeln gemalten Buchstaben, beschrieben sieht. Alles was in dem Hause lebt und webt prangt auch mit einem Schilde vor der Türe, und da ist in der Tat kein Schuhflicker, dessen Namen und Gewerbe nicht mit groÃer goldner Schrift von jedermann zu lesen ist. Es ist hier gar nichts Ungewöhnliches, hinter einander an den Türen zu lesen: hier werden Kinder erzogen, hier Schuh geflickt, hier fremde Liqueurs verkauft, und hier Begräbnisse veranstaltet. Dealer in Foreign Spirituous Liquors, oder hier sind fremde Liqueure zu verkaufen ist unter allen die häufigste Inschrift, die ich gefunden habe. Auch soll die Begierde zum Brannteweintrinken, besonders bei den gemeinen Engländern auÃerordentlich weit gehen, und es ist eine Englische Phrases, daà man von jemanden sagt, he is in liquor (er ist in Branntewein) wenn man bezeichnen will, daà er betrunken ist. Auch sind bei dem letzten groÃen Aufruhre, der noch jetzt immer der zweite oder dritte Gegenstand ist, worauf sich die gewöhnlichen Konversationen zu lenken pflegen, mehr Menschen bei den ausgeleerten Branntweinsfässern auf den StraÃen, als durch die Musketenkugeln der eingerückten Regimenter, tot gefunden worden.