Übernachten
Westminster
Gewusel auf der Themse
Echte Engländer und Herbergen und Hotels
Endlich kamen wir an die prächtige Westminster-Brücke. Es ist, als ob man über diese Brücke eine kleine Reise tut, so mancherlei Gegenstände erblickt man von derselben. Im Kontrast gegen die runde, moderne, majestätische Paulskirche zur Rechten, erhebt sich zur Linken, die altfränkische, länglichte Westminsterabtei mit ihrem ungeheuren spitzen Dache. Zur rechten Seite die Themse hinunter, sieht man die Blackfriarsbrücke, die dieser an Schönheit nicht viel nachgibt. Am linken Ufer der Themse schön mit Bäumen besetzte Terrassen, und die neuen Gebäude, welche den Namen Adelphi-Buildings (1) führen. Auf der Themse selbst eine große Anzahl kleiner hin und her fahrender Böte mit einem Mast und Segel, in welchen sich Personen von allerlei Stande übersetzen lassen, wodurch dieser Fluß beinahe so lebhaft wird, wie eine Londner Straße. Große Schiffe sieht man hier nicht mehr, denn die gehn am andern Ende der Stadt nicht weiter als bis an die Londner Brücke.
Wir fuhren nun in die Stadt über Charingkroß und den Strand, nach eben den Adelphi-Buildings, die von der Westminsterbrücke einen so vortrefflichen Prospekt gaben: weil meine beiden Reisegefährten auf dem Schiffe und in der Postchaise, ein Paar junge Engländer, in dieser Gegend wohnten, und sich erboten hatten, mir noch heute in ihrer Nachbarschaft ein Logis zu verschaffen.
In den Straßen wodurch wir fuhren, behielt alles ein dunkles und schwärzliches, aber doch dabei großes und majestätisches Ansehen. Ich konnte London seinem äußern Anblick nach, in meinen Gedanken mit keiner Stadt vergleichen, die ich sonst gesehen hatte. Sonderbar ist es, dass mir ohngefähr vor fünf Jahren, beim ersten Eintritt in Leipzig, gerade so wie hier zu Mute war: vielleicht, dass die hohen Häuser, wodurch die Straßen zum Teil verdunkelt werden, die große Anzahl der Kaufmannsgewölber, und die Menge von Menschen, welche ich damals in Leipzig sahe, mit dem einige entfernte Ähnlichkeit haben mochten, was ich nun in London um mich her erblickte.
Allenthalben gehen vom Strande nach der Themse zu sehr schön gebaute Nebenstraßen, worunter die Adelphi Buildings bei weiten die schönsten sind. Unter diesen führt wieder eine Nebenabteilung, oder angrenzende Gegend den Namen York-Buildings, in welchen Georg Street befindlich ist, wo meine beiden Reisegefährten wohnten. Es herrscht in diesen kleinen Straßen nach der Themse zu, gegen das Gewühl von Menschen, Wagen und Pferden, welches den Strand beständig auf und nieder geht, auf einmal eine so angenehme Stille, dass man ganz aus dem Geräusch der Stadt entfernt zu sein glaubt, welches man doch wieder so nahe hat.
Es mochte ohngefähr zehn oder elf Uhr sein, da wir hier ankamen. Nachdem mich die beiden Engländer noch in ihrem Logis mit einem Frühstück, das aus Tee und Butterbrot bestand, bewirtet hatten, gingen sie selbst mit mir in ihrer Nachbarschaft herum, um ein Logis für mich zu suchen, das sie mir endlich bei einer Schneiderwitwe, die ihrem Hause gegenüber wohnte, für sechzehn Schilling wöchentlich, verschafften. Es war auch sehr gut, dass sie mit mir gingen, denn in meinem Aufzuge, da ich weder weiße Wäsche noch Kleider aus meinem Koffer mitgenommen hatte, würde ich schwerlich irgendwo untergekommen sein.
Es war mir ein sonderbares aber sehr angenehmes Gefühl, dass ich mich nun zum erstenmal unter lauter Engländern befand, unter Leuten, die eine fremde Sprache, fremde Sitten, und ein fremdes Klima haben, und mit denen ich doch nun umgehen und reden konnte, als ob ich von Jugend auf mit ihnen erzogen wäre. Es ist gewiß ein unschätzbarer Vorteil, die Sprache des Landes zu wissen, worin man reist. Ich ließ es mir nicht sogleich im Hause merken, dass ich der Englischen Sprache mächtig sei; je mehr ich aber redete, destomehr fand ich Liebe und Zutrauen.
Anmerkung:
1. siehe Adelphi-Buildings und
hier eine weitere Seite und
und hier eine letzte.