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Derbyshire

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Heimweh in England

Neue Reisegefährten auf dem Weg nach Tideswell

Das Hübsche kleine Tal

Das Feld war nehmlich auf deutsche Art nicht mit Hecken eingezäunt, sondern die Saatfelder wechselten mit allerlei grünlichten und gelblichten Farben ununterbrochen ab, welches ein angenehmes Kolorit gab. Übrigens aber brachte mir diese ganze Gegend, und tausend Kleinigkeiten, deren ich mich nicht deutlich bewußt war, die Jahre meiner ersten Kindheit ins Gedächtnis zurück.

Ich ruhete mich hier eine Weile aus, und da ich nun wieder fortging, dachte ich an den Ort meines Aufenthalts, an alle meine Bekannte, und auch an Sie, liebster Freund, und dachte, wenn die mich hier so wandern sähen! - und in dem Augenblick fühlte ich erst eigentlich den Gedanken der Entfernung, und daß ich nun in England war, welches eine ganz sonderbare Empfindung bei mir hervorbrachte, die ich nur einigemale in meinem Leben gehabt habe.

Ich kam nun durch noch einen kleinen Ort, Namens Ashford, und wollte den Abend noch ein kleines Dorf, Namens Wardlow, das nur drei Meilen davon lag, erreichen, als in der Ferne zwei Männer hinter mir herkamen, die ich schon in Matlock gesehen hatte, und welche mich anriefen, daß ich auf sie warten sollte. Dies waren also seit dem Herrn Modd, die ersten Fußgänger, die sich mit mir zu gehen erboten.

Der eine war ein Sattler, und trug eine kurze braune Jacke, eine Handwerksschürze und einen runden Hut, der andre war ordentlich bürgerlich gekleidet, und ein sehr stiller Mann, da hingegen der Sattler äußerst gesprächig war.

Ich horchte hoch auf, da derselbe von Homer, Horaz und Virgil zu sprechen anfing, und Stellen aus dem Gedächtnis daraus anführte, und überhaupt seine Worte so vortrefflich zu setzen wußte, als ich es vielleicht nur irgend von einem Doktor oder Magister in Oxford hätte erwarten können. Er riet mir, nicht nach Wardlow, wo ich schlechte Herberge finden würde, sondern lieber mit ihm noch ein Paar Meilen weiter nach Tideswell, zu gehen, wo er wohnte. Dieser Name Tideswell wird durch eine sonderbare Verkürzung wie Tidsel ausgesprochen, eben so, wie man anstatt Birmingham im gemeinen Leben beständig Brumidschäm ausspricht.

Wir kehrten in einem kleinen Alehause an der Heerstraße ein, wo der Sattler nicht abließ, bis ich ihm verstattete, meine Zeche zu bezahlen, weil er mich diesen Weg mit hergenommen habe.

Nicht weit von diesem Hause kamen wir auf eine Anhöhe, wo mich mein philosophischer Sattler auf eine Aussicht aufmerksam machte, die freilich wohl die einzige in ihrer Art sein mochte. Wir sahen nehmlich unter uns einen tiefen Abgrund, der wie ein Kessel aus der umgebenden Erdmasse herausgeschnitten war, und auf dem Boden desselben ein kleines Tal, wo der grüne Teppich der Wiese von einem kleinen Flüßchen in schlängelnden Krümmungen durchschnitten wurde, und die reizendsten Spaziergänge waren. Hinter einer kleinen Krümmung blickte ein Haus hervor, wo der Bewohner dieses glücklichen Tales ein großer Naturforscher, ganz sich selbst und seiner Lieblingswissenschaft leben soll. Er hat schon eine große Anzahl fremder Gewächse auf diesen Boden verpflanzt. Mein Begleiter geriet beinahe in poetische Begeisterung, da er mich auf die Schönheiten dieses Tales aufmerksam machte, indes unser dritter Mann, dem dies zu lange dauerte, über den Verzug beinahe etwas unwillig wurde.

Uns führte ein ziemlich steiler Weg in das Tal hinunter, durch welches wir gingen, und auf der andern Seite zwischen den Bergen wieder herauskamen.

Nicht weit von Tideswell verließ uns unser dritter Reisegefährte, der in einem benachbarten Orte wohnte. Als wir nun endlich Tideswell vor uns im Tale liegen sahen, erzählte mir der Sattler von seiner Familie, und daß er sich nie mit seiner Frau gezankt, noch ihr mit der geballten Faust gedrohet, und gesagt habe: thou liest! (du lügst.)

Hierbei muß ich bemerken, daß es in England für die größte Beleidigung gehalten wird, wenn man zu jemanden sagt: du lügst! thou art a Liar, (du bist ein Lügner) ist noch stärker, und thou art a dammned Liar (du bist ein verdammter Lügner) ist das allerstärkste was man jemanden sagen kann.

So wie man also in Deutschland sagt, einer läßt keinen Hundsfott oder Schurken auf sich sitzen, oder so wie dies bei den Zänkereien die Losung zum Schlagen ist, eben so verhaßt ist auch in England das Wort Lügner, und gleichsam ein Herausforderungszeichen, wodurch der beleidigte Teil zur tätigen Rache gereizt wird.

Unser Jacky in London sahe mich einmal mit großen Augen an, da ich im Scherz zu ihm sagte: thou art a Liar, und ich hatte viel zu tun, ehe ich es wieder bei ihm gut machte.

Wenn man aus dergleichen Kleinigkeiten auf den Charakter einer Nation schließen kann, so scheint mir dieser allgemein eingewurzelte Haß gegen das Wort Lügner keinen schlechten Zug bei der Englischen zu verraten.

Doch, ich komme wieder auf meinen Reisegefährten, der mir ferner erzählte, wie er sich sein Brot auswärts verdienen müsse, und jetzt nach zwei Monaten zum erstenmal zu seiner Familie wieder zurückkäme.

Er zeigte mir nahe an der Stadt eine Reihe Bäume, die sein Vater gepflanzt habe, und die er nie ohne Rührung ansehe, so oft er von seinen kleinen Reisen wieder in seinen Ort zurück käme. Sein Vater sei ein reicher Mann gewesen, habe aber fast alle sein Vermögen angewandt, um einen Sohn in Amerika zu unterstützen, und seine übrigen Kinder arm hinterlassen, demohngeachtet sei ihm sein Andenken wert, und sein Herz gerührt, so oft er diese Bäume erblicke.

Tideswell bestand aus ein Paar Reihen niedriger Häuser, von unbearbeiteten grauen Steinen erbauet. Mein Begleiter machte mich gleich beim Eingange auf die Kirche des Orts aufmerksam, welche ziemlich ansehnlich, und ohngeachtet ihres Altertums sehr im modernen Geschmack erbaut war.

Er fragte mich darauf, ob er mich in einen ansehnlichen oder wohlfeilen Gasthof führen solle? Weil ich das letztre verlangte, ging er selbst mit mir in einen kleinen Gasthof, und empfahl mich dem Wirt, als seinen Reisegefährten, zu einer guten Aufnahme.