Umwelt
Umweltprobleme
Umweltschutz mal klein geschrieben
Erdöl, Gold und Diamanten
Zeitgleich mit dem Erdölboom begann die Umweltverschmutzung. Da der Ölreichtum des Landes wie ein Magnet auf die Menschen wirkte und die Bevölkerung sich durch Zuzug vervielfachte, häuften sich auch die Umweltprobleme. Diese lassen sich in zwei Kategorien einteilen: zum einen riefen sie die Industrie hervor, zum anderen die Privathaushalte.
Hauptverursacher ist die Erdölwirtschaft. Der Maracaibosee ist bereits durch Erdöl und chemische Abfallprodukte verseucht. Unterwasserpipelines verrotten, und viele sind schon leckgeschlagen. Das Baden kommt im ganzen See nicht in Frage. Ist das Petrochemiewerk in El Talblazo in Betrieb (oft fällt es allerdings aus), so kann es in Maracaibo Reizungen an Augen und Atemwegen geben. Das Werk liegt auf der anderen Seite des Sees, doch Ostwinde verfrachten die Schadstoffe in die Stadt. Waldflächen mußten Pumpen und Arbeitersiedlungen weichen. Wissenschaftler stellten bereits eine Absenkung des Seewasserspiegels fest, dessen Auswirkungen noch ungeklärt sind. Auch dem Guri-Staudamm, dem achtgrößten Stausee der Welt, fiel manche Landschaftsidylle zum Opfer, genauso wie dem Abbau von Bauxitvorkommen. Die örtliche Provinzregierung veranlaßte den Bau breiter Straßen durch den Urwald und die Anlage einiger Flugpisten. Als großes Übel gelten die Gold- und Diamantensucher, die nicht nur massiv die Natur zerstören, sondern sich obendrein noch an der unmittelbaren oder mittelbaren Vernichtung der Indiandervölker beteiligen. Beim Auswaschen des Goldes kommt Quecksilber zum Einsatz, an das sich der Goldstaub bindet. Später wird das Quecksilber vom Gold getrennt und gelangt in die Flüsse und somit in die Nahrungskette. Das bedeutet für Tierwelt und Indianderstämme ein schleichendes Todesurteil. Besucher der Goldgräberstädte sind oft von den Nuggets angetan und erwerben sie als Souvenir. Darauf sollte jeder verzichten, da dies die Naturzerstörung beschleunigt. Seit Februar 1991 ist der Quecksilbereinsatz bei der Goldgewinnung verboten. Daran halten sich vielleicht gerade mal die großen staatlichen Minengesellschaften. Die kleinen selbständigen Goldsucher im Urwald kontrolliert niemand. Venezuela ist ein hoch verschuldetes Entwicklungsland. Um Auslandsinvestitionen anzulocken, muß man nicht nur als Billiglohnland gelten und die Unternehmen gering besteuern, sondern die Regierung muß zusätzlich die Umweltauflagen niedrig halten. Mit dieser Politik steht Venezuela im Wettbewerb mit anderen Entwicklungsländern, die um die Auslandsinvestitionen buhlen.
Auch Privathaushalte tragen zur enormen Umweltverschmutzung bei. Damit Städte entstehen konnten, wurde fleißig planiert. In Caracas selbst kam die Immobilienspekulation hinzu, die kaum eine Grünfläche übrigließ. Nur noch wenige Bäume können in der Regenzeit die Wassermassen aufnehmen. Kahlschlag und Erosion sowie unkontrollierte Bebauung führen zu Erdrutschen an den Hängen der Elendsviertel. Unter den drei Städten Lateinamerikas mit der größten Luftverschmutzung ist neben Mexico-City und Santiago de Chile auch Caracas zu finden. Über dem großen Bergtal Caracas schwebt die verschmutzte Luft oft wie ein Glocke und kann nicht abziehen. Diese Luftverschmutzung verursacht hauptsächlich das Auto, da die meisten Industrien ins Landesinnere umgesiedelt sind. Die Luftverschmutzung steht in einem kausalen Zusammenhang mit der Klimaveränderung. Die Regenzeit, von April bis Oktober, ließ sich exakt von der Trockenzeit abgrenzen. Die heftigen Tropengewitter entluden sich in der Regenzeit nur ein bis zwei Stunden lang, meistens abends. In der Trockenzeit gab es selten Niederschläge. Heute dauert der Wechsel zwischen Regen- und Trockenperiode recht lang, wobei in der Übergangszeit ein nebliges, trübes Wetter herrscht, wie wir es von Deutschland her kennen.
Die Stadtverwaltung konnte gar nicht so schnell neue Mülldeponien erschließen, wie neue Städte entstanden. Aber der Urwald ist scheinbar unendlich, und wen kümmert es schon, wenn sich die Müllabfuhr dort ihres Mülls entledigt. Der Staat muß die Menschen erst noch zum Umweltbewußtsein erziehen. Das Großstadtindividuum lebt in einer klimatisierten Welt: im Auto, in der Wohnung sowie am Arbeitsplatz. Der Konsumrausch erweist sich als so stark, dass viele in der Natur nur eine wertlos Nebensache sehen. Plastikbecher lassen unbelehrbare Fußgänger auf die Straße fallen, da ihnen die Suche nach einem Papierkorb zu mühsam erscheint. Autofahrer oder Businsassen entsorgen ihren Kleinmüll während der Fahrt durchs Fenster. In der Bevölkerung herrscht überwiegend die Meinung vor, der nächste Regen spüle sowieso alles ins Meer. Passagiere der Überlandbusse entledigen sich ihrer Getränkedosen ebenfalls durch das Fenster. Doch im Urwald sammelt niemand den Müll auf. Zum Glück lassen sich bei moderneren Bussen die Fenster nicht mehr öffnen. Müllberge am Strand oder an Wanderwegen in den Anden fallen besonders nach Ostern und Weihnachten ins Auge. Das Beimischen von Motorenöl zum Benzin ist üblich, die Entsorgung leerer Dosen auf dem Wasserweg leider auch. Stellt jemand den Bootsfahrer zur Rede, bekommt er zur Antwort, dass es hier Fische gebe, die Öl fressen, oder dass das Wasser den Venezolanern gehöre und sie hier machen könnten was sie wollten. Anders benehmen sich die Indianerführer in der Gran Sabana. Kehren die Indianer von einer Tepuytour heim, nehmen sie zurückgelassenen Müll anderer Besucher mit.
Auch der Tropenwald ist bedroht, denn er liefert Holz und Rohstoffe für verschiedene Industrien. Große Flächen müssen industriellen Vorhaben weichen, wie z.B. dem Guri-Staudamm im Bundesstaat Bolívar. Doch meist brennen die Menschen den Wald nieder, um Ackerflächen zu gewinnen. Die Folgen sind verhängnisvoll, denn wo der Wald zerstört ist, können sie, auf dem nährstoffarmen Tropenboden, nur wenige Jahre etwas anbauen. Irgendwann bleibt die Ernte aus, und es entstehen Hunger und Krankheit. Letztendlich führt das zu Armut und sozialen Spannungen. Die Menschen müssen weiterziehen und das nächste Waldstück roden. Berechnungen ergaben, dass die Erträge aus Nichtholzprodukten des Regenwaldes, wie z.B. Früchte und Kautschuk, rund doppelt so hoch liegen wie in der Vieh- und Forstwirtschaft. Der Fischfang in den zahlreichen Flüssen erweist sich als ertragreicher als der Getreideanbau nach der Waldrodung. Die fortschreitende Zersiedlung der Tropenwälder auf der gesamten Erdkugel führt zu globalen Schäden, über deren Ausmaß sich heute niemand im klaren zu sein scheint. Durch Brandrodung entweicht der in Bäumen und Pflanzen gebundene Kohlenstoff, der sich mit dem Sauerstoff in der Luft zu Kohlendioxid (CO2) verbindet. Die freigewordenen Flächen werden landwirtschaftlich bestellt, so dass Düngemittel zum Einsatz kommen, deren Anwendung Distickstoff freisetzt, der wiederumeinen Teil der Wärmeabstrahlung der Erde verhindert. Den gleichen Effekt zeigt das Gas Methan, das durch die Viehhaltung freigesetzt wird und bei der Verdauung in Rinderdärmen entsteht. Kohlendioxid, Distickstoff und Methan verursachen zusammen 80% des Treibhauseffektes. Weitere Folgen des abgeholzten Regenwaldes sind Temperaturanstieg und ausbleibender Regen. Denn die tropischen Regenfälle werden hauptsächlich aus Verdunstung und Kondensation des Wasserspeichers Wald gespeist. Nur zum kleinen Teil stammen die Regenfälle aus Wolken, die der Südostpassat vom Atlantik herbeiweht. Regenwälder regulieren den globalen Klima- und Wasserkreislauf und stellen die grüne Lunge dieses Planeten dar. Es sieht so aus, als sägten wir an dem Ast, auf dem wir alle sitzen.
Eine Bewußtseinsänderung in punkto Umweltschutz ist jedoch erkennbar. Die venezolanische Regierung hat ein Umweltministerium geschaffen, das sogar die Macht besitzt, über Baugenehmigungen zu entscheiden und sie zu verhindern, wenn Bäume gefällt werden müssen. Da die Beamten keine hohen Gehälter beziehen, sind sie korrupt. Stellen sie sich stur, so gießt der Bauherr umgehend einen Eimer Benzin an den Baumstamm und wartet, bis der Baum eingeht. Oft kommt es zu der Einigung, dass der Bauherr jeden gefällten Baum durch einen neuen ersetzen muß. Um den Regenwald zu schonen und den Holzbedarf zu decken, entstanden im Bundesstaat Monagas Forstprojekte. Banken gehen mit gutem Beispiel voran und gründen Umweltgruppen, durch die sie Bäume pflanzen lassen. Aber es bildeten sich auch kleine Umweltinitiativen. Oft finden hier die jungen Leute aus den Elendsvierteln eine sinnvolle Aufgabe, die ihnen etwas Anerkennung in der Gesellschaft verschafft. Noch ärmere Menschen, die kein Wellblechdach über dem Kopf haben, müssen auf der Straße schlafen: die gesellschaftlich isolierten Landstreicher. Sie sammeln in riesigen Säcken die Aluminiumdosen am Straßenrand auf, um sie zur Recyclingstelle zu bringen und sich so ihr Essen zu verdienen. In Chichiriviche fahren die Fischer einmal im Jahr zu ihren herrlichen Inseln und sammeln den Müll meist einheimischer Touristen ein. Ähnlich halten es die Bergführer in den Anden. Ein eklatantes Beispiel für Massenerziehung im Sinne des Umweltschutzes ist die Metrogesellschaft in Caracas. Sie brachte durch massive Werbung das Kunststück fertig, dass im gesamten Metrobereich kein Müll zu sehen ist, oft nicht einmal ein Papierkorb. Die Leute werfen ihren Müll halt auf die Straße, wenn sie den Metrobereich verlassen. Positive Ansätze sind in der venezolanischen Gesellschaft jedenfalls zu erkennen, doch kopiert sie allzugerne jene Sünden, die Nordamerika und Europa bereits begangen haben.