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Feste

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Feste feiern, wie sie fallen

Religiosität ist ein Anlaß

Eindrucksvolle Traditionen

Das erste Fest im Jahr ist der »Carnaval« (Karneval) im Februar, der überall ein wenig anders gefeiert wird. Als Hochburgen des Karnevals empfehlen sich Carúpano, im Bundesstaat Sucre, die Regionen des Barlovento sowie die Insel Margarita. Ob groß oder klein, hier feiern alle mit. Die Einheimischen verkleiden sich und schließen sich den Straßenumzügen an. Steelbands trommeln auf ausgedienten Erdölfässern und heizen die Stimmung an. Als Geheimtip gilt der kleine Ort El Callao, wo der Calypso den Ton angibt. Er liegt südlich von Puerto Ordaz auf dem Weg in die Gran Sabana. Gastarbeiter aus Trinidad und Tobago brachten ihre Musik hierher mit, und so singen die Bewohner heute noch die Karnevalslieder in englischer Sprache. In Maracaibo hingegen ist der Karneval den Kindern vorbehalten, die in der Schule oder privat in phantasievollen Kostümen feiern. In Caracas feiern Erwachsene und Kinder in halbgeschlossenen Gesellschaften, d.h. in Hotels oder Clubs.

Das zweite Fest des Jahres findet während der »Semana Santa« (Karwoche) mit feierlichen Prozessionen im ganzen Land statt. Bei der nachgestellten Kreuzigung Christi gilt es als große Ehre, in dessen Rolle zu schlüpfen und das Kreuz zu tragen. Am Ostersonntag wird eine Strohpuppe auf dem Scheiterhaufen verbrannt, die Judas darstellt. Oftmals ähnelt die Puppe einem Politiker, der für das Leiden des Volkes verantwortlich gemacht wird. In der Osterwoche herrscht in Caracas Geisterstimmung, denn die Stadt wirkt dann fast menschenleer. Bereits am Mittwoch vor Gründonnerstag verwandelt sich das Busterminal in eine riesige Menschentraube. Viele Firmen geben ihren Mitarbeitern die ganze Woche frei. Die Leute nutzen die freien Tage, um ihre Verwandten zu besuchen oder einen Kurzurlaub am Strand zu verbringen. Viele Geschäfte, auch am Strand, sind dann geschlossen. Das betrifft zum großen Teil auch die Tankstellen. Ostermontag ist wieder ein normaler Arbeitstag.

Das dritte große Fest heißt »Navidad« (Weihnachten). In roter Kutte und mit weißem Bart stehen die Weihnachtsmänner schwitzend in der Hitze. Plastiktannenbäume gibt es in Grün oder Weiß zu kaufen. Kreative Venezolaner schmücken ihre Balkonpflanzen oder Kakteen mit bunten Lichterketten und allerlei Kitsch. In den Foyers der Großunternehmen und Behörden stehen große Krippen, die liebevoll aufgebaut wurden. Große Figuren fallen nicht auf, sondern das Drumherum, wie z.B. die Gebirgslandschaft. In den Geschäften und bei Privatleuten stehen kleinere Krippen, die Kinder in Erstaunen versetzen. Aber auch Privatleute räumen ihre Garage aus oder bauen eine riesige Krippe im Garten auf, um sie der Öffentlichkeit zu präsentieren. In Caracas ist zur Weihnachtszeit auf dem Boulevard der Sabana Grande kaum ein Durchkommen, denn überall preisen fliegende Händler ihre Ware an. Doch Weihnachten feiern die Venezolaner anders als wir. Die Familie trifft sich, d.h. die Kinder reisen aus anderen Städten an. Im engsten Familienkreis findet am 24. Dezember der Festagsschmaus statt. Abends beginnt dann die »visita medica«, was übersetzt Arztbesuch heißt. Dies ist eine »Stippvisite«, denn die Kinder verlassen das Haus und schauen bei all ihren Freunden vorbei. Der Besuch dauert aber nur eine Viertelstunde, bis es zum nächsten geht. Die Eltern bescheren nur die Kinder, und zwar mit Kleinigkeiten. Erwachsene schenken sich nichts. Der Konsumterror hat noch nicht Einzug erhalten. Einen zweiten Weihnachtstag wie bei uns gibt es nicht. Die Venezolaner feiern allerdings den 29. Dezember als »día de los inocentes« (Tag der unschuldigen Kinder). Die jungen Leute begehen diesen Tag in ihrem Freundeskreis und schenken sich Kleinigkeiten, die sie meist selber basteln, um den anderen zu verschaukeln wie bei uns am 1. April. Kurz vor Weihnachten beginnen die »vacaciones colectivas« (Betriebsferien), die ein Chaos am Busterminal verursachen, das dem der Osterwoche gleicht.

Mit Silvester klingt das Jahr aus. Den letzten Tag des Jahres begehen die Venezolaner nicht wie bei uns. Silvester stellt wieder ein Familienfest dar, bei dem sich nur im engsten Kreise zugeprostet wird. Jede Familie feiert ihre eigene kleine Party. Die Kinder nehmen kurze Zeit an den Parties der Nachbarn teil, bis sie zu Hause selber Besuch empfangen. Sitte ist es, sich an diesem Tag neu einzukleiden. Von der Kopfbedeckung bis zum Schuh darf vorher noch nichts getragen worden sein, da man sonst im nächsten Jahr verarmt oder arm bleibt. Industrie und Handel zeigen sich sichtlich erfreut über diesen Brauch. Feuerwerkskörper kommen gerade in Mode. Leuchtpistolen und Raketen sind jedoch vom Import und von der Herstellung ausgeschlossen. Damit leisten die Venezolaner einen kleinen Beitrag zum Umweltschutz. Große Silvesterparties sind in Venezuela unbekannt.

Fronleichnam wird hingegen nicht überall gefeiert. Lohnenswert erscheint zu dieser Zeit ein Besuch der Ortschaft San Francisco de Yare, wo die »Baile de los Diablos Danzantes« (Teufelstänze) stattfinden. Die Teilnehmer verkleiden sich mit bunten Masken und rotem Tuch, als Teufel. Bevor jemand die Messe in der Kirche liest, führt eine Gruppe auf dem vorgelagerten Platz die Teufelstänze auf. Im ganzen Dorf herrscht Stimmung.

Ein Feiertag, der nicht überall begangen wird, ist das Fest des »San Juán« (Johannes der Täufer). In kleinen Küstenortschaften und im Barlovento setzen bereits am Vorabend des 24. Juni die »tambores« (Trommeln) ein. Die Sklaven drückten mit ihren Trommeltänzen die Hoffnung auf ein Leben in Freiheit aus. Für sie war der Tanz Ausdruck einer Symbiose mit einem afrikanischen Gott. Zum katholischen »Johannes dem Täufer« beteten die Schwarzen alllerdings nicht. Heute nehmen alle Bewohner am Fest teil. In Choroní verwandelt sich der Strand zu dieser Zeit in ein Zeltlager. Nachts leuchtet er im Fackelschein, und die Trommeln ertönen die ganze Nacht. Am darauffolgenden Tag tauchen die Trommler dann die müden Hände ins Meer. Weitere Orte, die für ihre Trommler bekannt sind: Higuerote, Río Chico, Naiguatá sowie Caraballeda.

In manchen Gegenden finden Feierlichkeiten zu Ehren örtlicher Heiliger statt. In Chichiriviche feiert das Dorf zu Ehren des Schutzpatrons des Meeres am 8. September ein Fest. Die Fischer fahren mit ihren Familien und einer Heiligenfigur zur Grotte hinaus und bringen sie anschließend in die Kirche. Oder eine Art Erntedankfest, am 23./24. September in Maparorí, bekannt unter dem Namen »Tura-Fest«, eine indianische Übersetzung des Wortes Mais. Die Maisbauern treffen sich in der Stadt, um die Geister durch Tänze und Musik zu beschwören und ihnen für ihre Ernte zu danken. Neben Kürbisrassel und Flöte kommt noch das »Cacho de Venado« (Geweih) als Musikinstrument zum Einsatz, mit dem der Musiker dumpfklingende Töne erzeugt. Zwischendurch findet dann noch die Wahl der Mais-Königin statt. Am 27. Dezember und am 1. Januar verehren die Schwarzen am Südende des Maracaibosees ihren Heiligen San Benito. Zu den Trommeln gesellen sich weitere Instrumente wie die »Maraca« (Kürbisrassel) und »Flauta« (Flöte).

Venezolanische Familienfeste ...

... haben es in sich. Die Musikanlage dröhnt bei voller Lautstärke bis in den Morgen. Die Nachbarn beschweren sich in der Regel nicht, da sie sich für ihre Feste das gleiche Recht nehmen. Bei Geburtstagsfeiern ist es noch üblich, »cumpleaños feliz« (Geburtstagslied) zu singen, mehrere Strophen meist in lustigen Abwandlungen. Das geschieht meistens um Mitternacht, ebenso wie das Anschneiden der Geburtstagstorte. Beim Kindergeburtstag darf die »piñata« nicht fehlen, eine große Figur aus Pappe und Papier. Sie ist bunt bemalt und reichlich mit Bonbons und kleinen Spielsachen gefüllt. Einem Kind werden die Augen verbunden und es darf dann mit einem Stock dreimal auf die Figur einschlagen, die am Haken hängt und frei im Raum schwebt. Die Kinder wechseln sich dann beim Schlagen ab, bis die Figur kaputtgeht, und jeder versucht soviel wie möglich der herausfallenden Kleinigkeiten einzusammeln. Als Urlauber können wir dieses Spektakel im »Parque del Este« oder im »Zoológico« beobachten, auf eigens eingerichteten Plätzen. In diesen Parks feiern die Armen, die zu Hause keine große Kinderschar unterbringen können. Manche Geschäfte haben sich auf Kindergeburtstage eingestellt und bieten eine reiche Auswahl an »piñatas« und Spielsachen.