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Geschichte

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Maracaibos Geschichte

Damals Kaff – heute Geschäftsmetropole

Die Stadt Maracaibo hat eine bewegte Gründungsgeschichte. Alonso de Ojeda entdeckte 1499 den mit dreißig bis vierzig Pfahlbauten besiedelten Golf von Coquivacoa und gab ihm den Namen »Golf von klein Venedig«, aus dem später Venezuela wurde. Die Stadtgründung war nicht so einfach. Dem deutschen Gouverneur der Provinz Venezuela, Ambrosius Alfinger, war aufgetragen worden, neue Landstriche zu entdecken, zu erobern und zu bevölkern. 1529 gründete er die Stadt Maracaibo. Doch der Stadtgründer zog weiter und hinterließ nur wenige Bewohner, über die wahrscheinlich Piraten herfielen, denn als Nicolás Federman sechs Jahre später anrückte, fand er nur leere Hütten vor. Doch auch er war auf der Suche nach dem El Dorado und ließ niemanden zurück. Erst 1569 gelang es Alonso Pacheco, die Geisterstadt wieder zu bevölkern. Er gab ihr den Namen »Ciudad Rodrigo«. Wahrscheinlich metzelten Indianer die Fremden nieder, denn als fünf Jahre später Kapitän Pedro Maldonaldo hier ankam, fand er die Stadt verlassen vor. Er taufte sie in »Nueva Zamora de Maracaibo« um. Der Name Maracaibo leitet sich vom Namen des Indianerhäuptlings Mara ab.

Piraten suchten die Bewohner heim und plünderten Maracaibo in regelmäßigen Abständen, bis der Statthalter an der See-Enge fünf Schutzfestungen erbauen ließ. Wer nun der wahre Stadtgründer ist, kann jeder für sich selbst entscheiden. Einige venezolanische Bücher nennen jedenfalls Alonso Pacheco. Die Gedenktafel zur Stadtgründung, Avenida 2a/ Ecke Calle 85, weist jedoch Ambrosius Alfinger aus.

Maracaibo wurde bald zum Umschlagplatz für agrarische Erzeugnisse. Die Bauern brachten sie aus dem Süden und Osten des Bundesstaates über den See nach Maracaibo, von wo aus man sie zu den Niederländischen Antillen verschiffte. Mit anderen venezolanischen Städten unterhielten die Maracuchos mangels Straßenverbindungen keinen Handel. Die schwüle Hitze bewegte den Maracucho nur zur Arbeit, wenn er ausgeruht war und Geld benötigte. Ansonsten beobachtete er das Leben mit endlosem Gleichmut aus der schaukelnden Hängematte. Anfang des Jahrhunderts kamen die Amerikaner und suchten nach Erdöl. Als sie fündig wurden, ging alles Schlag auf Schlag. Sie errichteten Camps für ihre Familien sowie für die Arbeiter und sicherten diese durch hohe Stacheldrahtzäune ab. Wer draußen blieb, war vom Ölreichtum weitgehend ausgeschlossen. Aus allen Teilen der Welt strömten plötzlich Einwanderer herbei, die am Erdölreichtum teilhaben wollten. Das schreckte die Maracuchos aus ihren Hängematten. Sie begriffen, dass sie ihren Lebensrhythmus nun nach der Uhr einrichten mußten. Von den Ausländern lernten sie Arbeitseifer und Streß kennen.

Maracaibo heute

Heute gilt Maracaibo als eine emporstrebende Geschäftsmetropole mit fast zwei Millionen Einwohnern. Ihre Skyline ist von der Brücke des Sees aus unübersehbar. Die zweitgrößte Stadt Venezuelas stellt von ihrer wirtschaftlichen Bedeutung her alle anderen Städte in den Schatten. Das Erdöl drängt die übrigen Wirtschaftszweige in den Hintergrund. Dabei siedelte sich im Gefolge der Erdölförderung die petrochemische Industrie an. Obendrein lagern hier mächtige Kohlevorkommen, die sich im Tagebau abtragen lassen. Doch das ist noch nicht alles, denn die Landwirtschaft erzeugt drei Viertel der in Venezuela konsumierten Milch und ein Drittel des Rindfleischbedarfs. Und im Bundesstaat Zulia gedeihen die größten Bananenplantagen des Landes. Eine riesige Palmenplantage legten Farmer an der Westflanke des Sees an. Fast drei Viertel aller Staatseinnahmen stammen aus dem Bundesstaat Zulia. Doch über das Geld verfügt die Zentralregierung in Caracas. Während die Caraqueños in Saus und Braus leben und das Geld der Maracuchos ausgeben, verfügt Maracaibo nicht einmal über eine Metro. Aber auch hier wohnen genügend Wohlhabende, die in dieser trockenen Gegend einen grünen Garten hervorzaubern. Bankgebäude, Luxushotels, Golfplätze und Privatclubs stehen denen in Caracas in nichts nach. Die Antipathie den Hauptstädtern gegenüber kommt deutlich zum Ausdruck. Behauptet der stolze Caraqueño, Caracas sei die Filiale des Himmels, nickt der Maracucho zustimmend und ergänzt, dass Maracaibo dann der Himmel ist. Die Menschen hier sind stolz auf ihre Region und benutzen eigene Vokabeln, die nicht im Wörterbuch stehen.

In Maracaibo steht die Wiege der Gaita-Musik, die in der Weihnachtszeit im ganzen Land erschallt. Maracaibo zeigt sich aber nicht nur von seiner Schokoladenseite. Wer einen Mietwagen steuert, lernt hier die Anarchie im Straßenverkehr kennen. Maracaibo hält den traurigen Rekord bei den Fahrzeugdiebstählen. Die Versicherungsunternehmen versichern Autos inzwischen nur noch gegen Diebstahl, wenn der Kunde weitere Policen abschließt. Das Sympathische an dieser Stadt ist, dass die Menschen mit den indianischen Ureinwohnern friedlich zusammenleben. Das fällt besonders im Stadtzentrum auf, wo die Guajiros in ihren Trachten herumlaufen. Abends kehren die meisten Indianer allerdings mit Sammeltransporten in ihr Stammesgebiet zurück, die Guajiorhalbinsel.