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Ölkrise

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Mit der Ölkrise zur Wirtschaftsnation

Bürokratie und Korruption als Bremse der Wirtschaft

Im Gefolge der beiden Ölkrisen (1973/74 und 1979/80) explodierten die Einnahmen. Der Staat handelte nach der einfachen Gleichung: mehr Einnahmen = mehr Ausgaben, und so nahmen Bürokratie und Korruption ihren Lauf.

So wie der öffentliche Sektor sich der Erdöleinnahmen bediente, so bediente sich auch der private Sektor. Defizitäre Unternehmen erhielten Vorzugskredite, die als Geschenk anzusehen waren, da ihre Rückzahlung kaum einer Kontrolle unterlag. Andere bereicherten sich an subventionierten Importen. Aufgrund der Agrarpolitik erhielten die Bauern günstige Kredite, garantierte Mindestpreise und subventionierte Düngemittel. Der Selbstversorgungsgrad des Landes stieg innerhalb von drei Jahren von 27% auf 74%. Die entstandenen Industrien beschränkten sich auf Montage, Abfüllen oder Mischen importierter Teile bzw. Vorprodukte. Da stets genügend Mittel vorhanden waren, erfolgte keine Importsubstitution.

Die Bevölkerung profitierte von einer starken Währung, die sie zu Wochenendausflügen nach Miami zwecks Shopping nutzte. Die Venezolaner kauften nicht nur die neueste Mode, sondern auch Grundstücke und Eigentumswohnungen. Zu dieser Zeit verzeichnete Venezuela den höchsten Pro-Kopf-Verbrauch an Whisky. Anfang der achtziger Jahre schlossen die Demokraten die breite Masse allerdings weitgehend von den Öleinnahmen aus. Die Bevölkerungsschicht der Arbeiter und Angestellten litt von da an unter der Abwertung des Bolívars sowie späteren Subventionsrücknahmen auf landwirtschaftliche Erzeugnisse. Lohnerhöhungen lagen immer weit unter der Inflationsrate. Im internationalen Vergleich schneiden die Elendsviertel in den Großstädten allerdings gut ab, denn alle verfügen in der Regel über einen Strom- und Wasseranschluß. Überdies bestehen die Hütten aus festem Baumaterial (Hohlziegel) und besitzen meist Kühlschrank und Fernsehgerät.

Einen Teil des Erdöls verkaufte die Regierung weit unter dem Marktpreis an Nachbarstaaten in der Karibik bzw. in Mittelamerika, um politischen Einfluß zu gewinnen. Diese Kunden zahlten allerdings sehr schleppend.

Dank hoher Erdölpreise auf dem Weltmarkt vergaben die internationalen Banken großzügig Kredite an Venezuela, damit die Industrie modernisiert und ausgebaut werden konnte. „Wer hoch steigt, kann auch tief fallen“ - und genau das geschah mit dem Ölpreis. Neue Nicht-OPEC-Staaten etablierten sich am Markt, und die Atomenergie übernahm einen immer größeren Anteil an der Stromerzeugung. Hinzu kam, dass die OPEC sich auf Förderquoten einigte und die Venezolaner ihre Produktion stark drosseln mußten. Da bei gedrosselter Förderung auch noch die Inlandsnachfrage stieg, ging der Export stark zurück. Preis- und Mengenabsprachen der OPEC hielten die Araber dann aber nicht ein. Mit den rasant gesunkenen Einnahmen konnte das System nicht stabil gehalten werden. Die feste Währungsparität Bolívar/Dollar gab die Regierung 1983 auf und führte ein gesplittetes System ein, das sich aus einem Präferenz- und einem freien Kurs zusammensetzte. Die Regierung hob die günstigen Kredite auf, schränkte Importsubventionen und Rückzahlung der Auslandsschulden abrupt ein und bediente die Zinszahlungen nur zögerlich. Die Verschuldung hatte ein solches Maß angenommen, dass die Bevölkerung nicht mehr von der »deuda externa« (Auslandsschulden), sondern von der »deuda eterna« (ewige Schulden) sprach. Umschuldungsverhandlungen schloß die Regierung Mitte der achtziger Jahre erfolgreich ab, wobei die Rückzahlungsraten bis zum Ende des Jahrhunderts gestreckt wurden. Mit Shopping in Florida war es nun vorbei, und es dauerte nicht lange, bis die damals in Miami gekauften Immobilien in Verkaufsanzeigen wieder auftauchten.