Wechselkurspolitik
Schutz der Industrie durch die Politik
Anmerkungen zur Wechselkurspolitik
Wochenendreisen nach Florida zum Einkaufen
Steigende Ölpreise aufgrund zweier Ölkrisen bescherten dem Staat große Einnahmen. Aufgrund des starken Wirtschaftswachstums bei Vollbeschäftigung entstanden höhere Preissteigerungsraten als in den USA. Der feste Wechselkurs von 4,30 Bolívar zum US-Dollar wurde somit ständig weiter überbewertet. Die Folge waren steigende Importe und Wochenendreisen nach Florida zum Vergnügen sowie zum Einkaufen. Der festgezurrte Wechselkurs hatte gravierende Folgen für die heimische Industrie, die nicht so günstig produzieren konnte, wie andere Unternehmen importieren konnten. Sie suchte Schutz in Zoll- und Subventionsbestimmungen. Ihren Gewinn maximierten die Firmeninhaber nicht durch Investitionen und Produktivitätssteigerungen, sondern über die Durchsetzung höherer Subventionen. Die exportorientierte Industrie sah sich dem Problem gegenüber, dass Exporterlöse in Dollar, die Herstellungskosten aber in Bolívar anfielen. Der Erlös in Bolívar war bei dem festen Kurs zu gering, um wettbewerbsfähig zu sein. Eine Exportindustrie konnte sich daher nie richtig etablieren. Ebensowenig konnte eine Fremdenverkehrsindustrie entstehen, da durch die Überbewertung der Währung das Land zu den teuersten in der Welt zählte.
Da die Unternehmer mit Investitionen im Inland wenig verdienen konnten und ein hohes Risiko in Kauf nehmen mußten, kauften sie US-Dollar zum günstigen Kurs und legten sie in den USA an. Die Profis nahmen Kredite in Bolívar auf, wechselten sie gegen US-Dollar und transferierten sie in die USA. Die Attraktivität des Geschäfts erhöhte sich zusätzlich dank der 1981 von den USA eingeleiteten Hochzinspolitik. Die Hände in den Schoß legend, warteten sie darauf, dass der Zentralbank die Devisen ausgingen.
Im Februar 1983 platzte der Knoten. Die Regierung mußte den festen Wechselkurs von 4,30 Bolívar wegen großer Zahlungsschwierigkeiten abschaffen. An seine Stelle trat ein System aus festen und freien Kursen. Um eine Kapitalflucht zu verhindern, fror der Staat die Vermögen auf den Bankkonten ein und führte Devisenkontrollen ein. Doch ein Großteil des Geldes hatte das Land noch ein paar Tage bzw. Stunden vorher verlassen. Danach versuchten die Unternehmer, das Geld illegal herauszuschaffen, da sie das Vertrauen in die Regierung verloren hatten. Das Auslandsvermögen der in Venezuela lebenden Personen übersteigt bereits die gesamte Auslandsschuld. Später tauschte die Regierung die eingefrorenen Gelder in Regierungsanleihen um, die auch an der Börse gehandelt wurden. Der alte Kurs von 4,30 Bs. diente u.a. noch zum Milchpulver- und Weizenimport sowie zur Tilgung privater anerkannter Auslandsschulden. Die Zinsen mußten allerdings schon zum Kurs von 7,50 Bs. abgewickelt werden. Der freie Wechselkurs war am Jahresende bereits bei 13 Bs. angelangt. Als fiskalpolitisches Instrument dachte sich die Regierung folgendes aus: Exporteinnahmen mußten zu 65% zum festen Wechselkurs 4,30 - 7,50 Bs. getauscht werden. Je höher der freie Kurs anstieg, desto uninteressanter erwies sich das Exportgeschäft, wobei eine Exportdiversifikation, d.h. weg vom Erdöl, wieder im Keim erstickte. Im Laufe der Jahre führte die Partei einen weiteren festen Kurs von 14,50 Bs. ein, zu dem Maschinen eingeführt werden konnten. Wegen dieser Subventionen nahmen die Devisenreserven ständig ab.
Carlos Andrés Pérez (1989) schaffte bei seinem zweiten Regierungsantritt die festen Kurse wieder ab, und die Exportindustrie konnte sich etwas erholen. Um die Fluchtgelder wieder ins Land zurückzuholen, setzte die Zentralbank ab 1990 den Zinssatz über die Abwertungsrate. Nun konnte jeder in Venezuela auf einem Bolívarkonto höhere Zinserträge erwirtschaften als auf einem US-Dollarkonto in den USA. Die Fluchtgelder flossen anfangs aber nur spärlich zurück, da niemand der Regierungspolitik so recht traute. Ausländer konnten hiervon nicht profitieren, wenn sie nicht ihren Wohnsitz im Lande hatten. Durch diese Politik drängte der Staat die Exportindustrie allerdings wieder zurück, da die Abwertungsrate des Bolívars unter der Inflationsrate lag und somit zu einer Überbewertung führte.
Es drängt sich der Verdacht auf, dass die Regierungsparteien kein großes Interesse an einer Exportdiversifikation haben. Würde der private Exportsektor wachsen und Gewinne akkumulieren, gewönne er an Macht und Einfluß, den die politischen Parteien nicht zu teilen beabsichtigen. Addieren wir zu dem Erdöl noch die anderen exportfähigen Bodenschätze in Staatshand wie Eisenerz, Bauxit, usw. hinzu, sehen wir, wie klein der Anteil des privaten Sektors in Wirklichkeit ist.