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Deutschlandbild

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So sehen die Engländer die Deutschen

Klischees und Stereotypen

Hitler und der Krieg

Während in Deutschland im April 2005 die Bildzeitung stolz verkündete: "Wir sind Papst", druckte The Sun zum gleichen Anlass die berühmte Schlagzeile "From Hitler Youth to Papa Ratzi". Ein Deutscher auf dem Papststuhl, der noch dazu zu Hitlers Zeiten schon gelebt hatte, das weckte Assoziationen. Wie tief diese im Gedächtnis der Engländer verankert sind, verrät auch ein Blick auf die Presselandschaft vor einem Länderspiel gegen Deutschland. Da werden die Spieler mit Soldaten, die Mannschaft mit einem Panzer, das Match mit einer Schlacht verglichen.

Auch im alltäglichen Leben werden Deutsche ständig mit der Vergangenheit der eigenen Nation konfrontiert. Beliebter Gesprächseinstieg: "Oh, you´re German? That´s all right, I like Germans. I mean, everybody is always talking about the war, but that´s history."

Kaum einer kann es am Ende dann aber lassen, trotzdem über die Geschichte zu reden. Natürlich ist das nie böse gemeint, sondern soll Interesse bezeugen. Doch schnell beschleicht einen das Gefühl, auf diesen einen Aspekt reduziert zu werden. Hinzu kommt, dass das Dritte Reich in Deutschland ein stark belastetes Thema ist, über das man gewohnt ist, mit größter Zurückhaltung zu sprechen. Nach einem kurzen "Hallo, wie geht´s?" einen Plausch über Hitlers Badegewohnheiten zu halten, erwartet man einfach nicht.

Ich unterrichtete an einer Sekundarschule in Peterborough Deutsch. Oft spielte ich Spiele mit kleineren Gruppen von Schülern. So viel Mühe ich mir auch gab, aktuelle deutsche Kultur zu vermitteln, die Top-3 Antworten auf jede Frage nach berühmten Deutschen waren "Hitler" Goebbels" und dann entweder "Schindler", "Rammstein" oder "Ballack".

Wirklich erschreckend fand ich allerdings, als am 20. April der Lehrer ins Klassenzimmer kam und fragte, wessen Geburtstag es heute sei. Schüler, die mir weder Hauptstadt noch Währung von Deutschland nennen konnten, antworteten wie selbstverständlich: "Hitler´s".

Die beste Art und Weise mit diesem Thema umzugehen, ist Humor. Ein Gast in meiner Stammkneipe riss dauernd Sprüche über Deutschland, woraufhin er die Arme hob und mich bat, bitte deshalb nicht gleich sein Land zu bombardieren. Irgendwann hatte ich genug und gab ihm zu verstehen, dass ich mit meinem Panzer seinen Vorgarten durchpflügen würde, wenn er nicht endlich den Mund halte. Von da an war Ruhe.

Können Deutsche auch lachen?

Ich kann mir vorstellen, dass dieser Engländer aus allen Wolken fiel, einen Deutschen mit Humor und einem Sinn für Sarkasmus zu erleben. Das nächste Vorurteil, das im UK nämlich gegen uns gehegt wird, ist jenes, dass wir ungefähr das Temperament von Nussknackern besäßen.

Ein kleiner diplomatischer Streit über dieses Thema entbrannte schon, als der deutsche Botschafter in London sich über die Darstellung seines Landes in den britischen Medien beschwerte, woraufhin sein britisches Pendant in Berlin ihn aufforderte, doch nicht immer alles auf diese deutsche Art und Weise so ernst zu nehmen.

Zugegeben, ganz aus der Luft gegriffen ist dieses Klischee nicht. Der Engländer scheint einen Hang zu zynischen Kommentaren und absurden Humor schon mit der Muttermilch aufzunehmen. Beispiele aus Film und Fernsehen wie Monty Python´s, Mighty Boosh oder The Office (das Vorbild zu unserem "Stromberg") gibt es wie Sand am Meer. Dagegen vermag Deutschland eher selten mit humoristischen Ergüssen zu glänzen.

Was für die Medien gilt, erlebt man ebenso im Alltag. Nachdem ich bereits eine Weile in Peterborough gewohnt hatte, war ich selbst immer wieder verwundert, wie trocken mir die anderen Deutschen vorkamen, die mir hin und wieder über den Weg liefen

Große Momente im Fußball

Neben dem Sieg der Alliierten 1945 betonen Engländer immer noch gerne einen weiteren Triumph: das 5:1 ihrer Nationalmannschaft gegen die deutsche Elf im WM-Qualifikationsspiel 2001. Die Fußballrivalität der beiden Länder reicht mindestens zurück ins Jahr 1966, in dem England – natürlich auf völlig unrechtmäßige Weise! – Deutschland im WM-Finale in Wembley besiegte.

Die Briten scheinen sich förmlich auf uns als Erzfeind eingeschossen zu haben. In Newcastle sah ich zum Beispiel ein paar Jungs durch die Straßen laufen, die allesamt T-Shirts mit der Aufschrift "German football sucks" trugen. Und dann ist da eben noch diese für Engländer magische Zeichenfolge 5:1. Schüler schrieben sie in meinem Unterricht mit Edding auf DIN A4-Blätter und hielten sie die gesamte Stunde stolz in die Luft. Gäste in Pubs prosteten mir mit einem herzlichen "Five-One" zu. Einer meiner Freunde hängt noch heute an jede Email, die er mir schreibt, ein "P.S: 5:1!!!!" ran.

Mit drei WM-Titeln gegenüber dem einen von 1966 im Rücken kann man sich bei solcherlei Sprüchen getrost zurücklehnen und den Protzern sachlich erklären, dass es doch einigermaßen traurig ist, wenn man sich noch heute so über alle Maßen an einem sechs Jahre alten, normalen Punktspiel ergötzen muss.

Andere Klischees

In einer Beziehung erkennt aber selbst der verbissenste Patriot die Alleinherrschaft der Deutschen an: dann nämlich, wenn es um Sonnenstühle und Badeliegen geht. Wo immer man hinkomme, wurde mir gesagt, meine Landsleute seien schon da, um mit ihren Strandtüchern ihr Revier zu markieren. Sie würden sich auch nicht nur für ein paar Stunden sonnen, sondern von frühmorgens bis in die späten Abendstunden beanspruchen, was es zu beanspruchen gibt. Nun, dazu kann ich nicht besonders viel sagen, da ich schon ewig keinen Liegestuhlurlaub mehr gemacht habe. Doch in Anbetracht typisch deutscher Angewohnheiten wie Korrektheit und Ordnungsliebe scheint mir diese Vorstellung auch nicht völlig absurd zu sein.

"Ist David Hasselhoff bei euch wirklich ständig in den Top Ten?" Wenn ich jedes Mal, wenn ich diesen Satz hörte, ein Pfund bekommen hätte, hätte ich mir das Arbeiten sparen können. Okay, ich gebe zu, als ich fünf war, bin ich voll auf "Looking for Freedom" abgegangen. Das hat jeder gehört, das war cool. Aber das war vor fast zwanzig Jahren. Heute macht "the Hoff" grauenhafte Blue-Box-Videos zu noch viel grauenhafteren Liedern und tritt mit "Stille Nacht" in der Schlagerparade auf. Selbst wir humorlosen Deutschen lachen über ihn.

Die recht willkürlich anmutende Verknüpfung Deutschland – David Hasselhoff scheint ihren Ursprung irgendwo zur Zeit des Mauerfalls zu haben. Oben genannter Hitsong avancierte derzeit zu einer Art Hymne für die Befreiung osteuropäischer Staaten vom Kommunismus. Die Bilder vom Mauerfall wiederum schlugen international riesige Wellen und so kam im Deutschlandbild der Engländer zusammen, was im echten Leben nicht viel miteinander zu tun hat.