Sellafield
Der Windscale Skandal
Atomunfälle in England
Zurück zu Sellafield, das übrigens zehntausend Leute und fünftausend Zulieferer beschäftigt: fest steht nach amtlichen Statistiken eine zehnmal höhere Leukämierate bei Kindern als zu erwarten. Fest steht, dass Windscale in den letzten vierzig Jahren etwa eine Vierteltonne Plutonium in die Irische See abließ, das stärkste bekannte Gift überhaupt, von dem ein kinderkopfgroßer Ball, fein verteilt, in allen Lebewesen der Erde mit Lunge Lungenkrebs auslösen würde. Täglich strömen vier Millionen Liter leicht (was ist das?) verseuchten Wassers ins Meer. Die Irische See gilt weltweit als atomar verseuchtestes Meer. Aber warten wir vielleicht noch weitere Berichte über die Barentssee ab ... Wegen der starken Gezeitenunterschiede werden radioaktive Teilchen ins Watt oder weit ins Inland die Flüsse hinauf im Schlick usw. abgelagert oder bis in die Häuser verweht bzw. in den Nahrungskreislauf eingeschlossen. Bei Hunger auf Fish ´n Chips also ruhig mal eine Gedenksekunde einlegen. Der Leiter für Gesundheit und Sicherheit der Anlage, Roger Berry, erklärte selbst, in gewissen Fällen sei jungen Arbeitern abzuraten, eine Familie zu gründen. »Ungeheuerlich«, wie die Umweltschutzgruppen fanden. Welch Naivlinge – finden wir normal!
Das geplante Endlager in einer unterirdischen Felsformation gleich an der Küste der Irischen See wurde nie in Angriff genommen. Dabei wären mehr Felsmassen zu bewegen gewesen als für den Tunnel zwischen England und Frankreich.
Erst 1988 kam durch den Penny Report die ganze Tragweite eines folgenschweren Unfalles aus dem Jahre 1957 ans Licht, der dem in Tschernobyl in nichts nachsteht, aber von der Öffentlichkeit kaum beachtet wurde – ist ja auch schon so lange her ... Bekannt war, dass damals jahrelang die Weiden in Irland nicht bewirtschaftet und dass Tausende von Rindern notgeschlachtet wurden. Der Wind blies damals zufällig einmal von Osten - überwiegen, aber nicht nur - so dass sich ein Großteil des atomaren Niederschlags über Irland verteilte. Wir bedauern stets alle, die meinen, sich mit irischer Butter etwas Gutes anzutun. Kommt davon, wenn man unsere Reiseführer nicht liest. Tatsache ist, dass in Windscale bis 2003 auch ein Reaktor für militärische Zwecke stand, der Plutonium für die britischen Bomben erzeugte. Diese Sache unterlag höchster Geheimhaltung. Es kam nun zu einem tagelangen Brand mit Schmelzen der Brennstäbe, und erst mit letzter Kraft gelang es, die größte Katastrophe zu verhindern. Heute ist das Ding »versiegelt«, und natürlich hat zu keiner Zeit irgendeine Gefahr für die Bevölkerung bestanden, noch besteht sie, im Gegenteil: die zu vernachlässigende Strahlung liegt weit unter der »natürlichen« und die ganze Geschichte ist so, als wenn man pro Woche eine Zigarette raucht … Die charakteristischen hohen Schornsteine der Anlage mit den markanten Filtern oben werden zurückgebaut. Einer davon gehört zu der havarierten Anlage und ist voller Plutoniumstaub.
Meldung Februar `93: aus einer seit zehn Jahren stillgelegten Anlage (warum wohl?), die zur Entseuchung vorgesehen war (aha!; wie geht das?), entwichen große Mengen Plutoniumstaubs (nanu!), welche die für Sellafield insgesamt zulässige (wieso überhaupt zulässig?) Jahresmenge um das Fünffache überschritten. Meldung dieses »Vor«-falls nach 36 Stunden an die zuständigen Behörden. Zu keiner Zeit bestand ... siehe oben.