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Atomunfälle

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Schöner Schein und gräßliche Wirklichkeit

Nukleare Verseuchung im Lake District

Nun, nach all den schönen Dingen: where´s the snag? Wo ist der Wurm? Unsere Leser wissen ja, dass wir ehrlich sind.

Also: erstmal gibt´s in Lake District wie auch in Nordirland und Schottland eine Reihe von Geisterfarmen mit Hunderttausenden aufgrund von Tschernobyl verstrahlten Schafen, die an Altersschwäche eingehen dürfen, um dann verbrannt zu werden. Die Entschädigungen zahlt die Regierung, die Asche wird vermutlich – so wie wir die Welt kennen – als Kraftfutter nach Afrika verschenkt oder verscherbelt.

Englisches Tschernobyl

Unbeschadet einer Verseuchung durch den ukrainischen Atommeiler dürfte der Lake District ohnehin eines der meistverstrahlten Gebiete der Welt sein. Bei Gosforth arbeitet die britische Wiederaufbereitungsanlage Sellafield, das ehemalige Windscale und Gegenstück zum normannischen La Hague (»ag« ohne »ha« gesprochen) auch wegen ihrer mittlerweile tausend Unfälle in vierzig Jahren die »a-leak-a-week factory of horror« genannt. Was tut man also, wenn etwas einen üblen Ruf bekommen hat? Man tauft es um. Ähnlich wie Atomkraft – eine in den Fünfzigern noch weitgehend für Fortschritt stehende Bezeichnung – in Kernkraft, was eher an knackige, gesunde Äpfel als an Tod und Krebs erinnert. US-Präsident Truman ließ aber bereits in allen Regierungsdokumenten »atomic« durch »nuclear« umetikettieren. Er wusste warum.

Hier das Wesentliche in Kürze. Und hier ein BBC-Film dazu: Windscale Britains Biggest Nuclear Disaster. Auf der rechten Seite erscheinen diverse andere Filme bzw. Auszüge (Scrollbalken beachten). Tischt man auf "Windscale - The Nuclear Laundry - (Sellafield)" (aufs Bild), dann kommt auch der Film über die Verseuchung der Irischen See.

Große Sprachverwirrung

Andere Beispiele: Entsorgungspark statt Atommülldeponie (sorgenfreier Spaziergang in einem Park), Störfall statt Unfall (weniger als eine Störung, die ja eine gewisse Dauer bedeutet, während »Fall« etwas Punktuelles, Flüchtiges beinhaltet) usw. Das Wort Störfall – bis Ende der Siebziger in keinem Wörterbuch – wurde eigens von Politik und Wirtschaft erfunden, um das unheilschwangere »Unfall« zu vermeiden. Aber nun kann ja jeder sehen, dass ein Umweltminister in erster Linie die Wirtschaft zu schützen hat, bestenfalls zwischen ihr und anderen Interessen einen Vergleich aushandeln darf.

So fanden sich doch die Ende der Achtziger wegen Lösungsmittelanteilen aus den Regalen genommenen Olivenölflaschen klammheimlich nach rund zwei Monaten wieder an gewohnter Stelle. Wie das? Nun, die zuständigen EG-Umweltminister erhöhten einfach die zulässigen Grenzwerte, genauso wie nach Tschernobyl für alle möglichen Lebensmittel. Basta. Dazu müssen wir sagen: Grenzwerte, ab denen Schädigungen auftreten sollen oder können, sind wissenschaftlich Humbug; es gibt ausschließlich Werte, die einem zugemutet werden oder nicht. So erstaunt es auch nicht, dass ein Bundesumweltminister fortwährend zugunsten einer Betriebserlaubnis der Hanauer Brennstabfabrikanten Druck ausübte. Es ist derselbe – und kein Wirtschaftsminister – der Ende 1992 den Ausbau der Atomenergie forderte. Auch Kriege werden doch geführt, obwohl seit den zwanziger Jahren alle Kriegsministerien in Verteidigungsministerien umgetauft wurden. Weitere sprachliche Mittel, um ein Wort seines Inhalts zu berauben, sind Abkürzungen: ein AKW ist eben mal kein Atomkraftwerk und ein Gau keinesfalls ein größter anzunehmender Unfall, schon lange keine Atomreaktorexplosion oder -schmelze.