Ursprünge
Unterschiede im Nationalcharakter
Südliche Gelassenheit durch gutes Klima?
Puritanismus als Wirtschaftsfaktor
Also: gesucht werden von uns auf unseren Reisen auch immer Offenheit, Wärme, Spontaneität (allen wird in diesen Landstrichen auffallen, dass die Leute dort nicht vor Ampeln stehen können) Lebensfreude usw., Dinge, die wir großenteils verloren haben und von denen wir z.B. immer schwärmen, wenn wir ans Mittelmeer fahren und deren Reste wir gleichzeitig durch massenhaftes Auftreten endgültig zerstören an die wir aber nie denken, wenn´s nach Skandinavien oder in die Schweiz geht. Da schwelgen wir von der Landschaft, nie von den Eingeborenen. Ähnliches mögen andere Völker über Deutschland denken.
Und auch bei uns gibt es dieses bizarre Phänomen, dass wir uns im Ausland nicht riechen können, dieses seltsame, aber typische Beäugen, Auf-Abstand-Halten, Ausweichen, Nicht-Miteinander-Reden. Erst, wenn´s sich nicht vermeiden läßt, reden wir miteinander, und dann findet man einander oft irgendwie doch ganz nett. Weichen wir nicht dem aus, was wir an uns selbst hassen, etwas, was uns derart in den Knochen steckt, dass wir es bereits von ferne wittern? Für Franzosen u.a. Völker ist ein derartiges Verhalten undenkbar. Selbstverständlich dackelt man aufeinander zu, tauscht Erfahrungen aus, witzelt herum usw.
Viele schreiben bestimmte, uns allen sympathische Charakterzüge, dem Einfluß der Sonne zu. Unsinn, denn das wäre Geodeterminismus und würde bedeuten, dass Kalifornier den gleichen Charakter haben müßten wie Mittelmeeranrainer, nur weil sie ebenfalls Mittelmeerklima haben. Ferner ergäbe sich daraus, dass der Charakter stabil bleiben müßte, denn auch das Klima dort hat sich ja (nun, zumindest bis zur allgemeinen Klimaerwärmung mit ihren Folgen) die letzten zweitausend Jahre nicht wesentlich verändert. Charakterzüge, auch der Nationalcharakter, haben ihre Wurzeln letztlich in wirtschaftlichen Gegebenheiten.
In Deutschland verlief die Entwicklung so kraß, weil die Industrialisierung seit 1820 etwa explosionsartig einsetzte und fast alle Teile der jeweiligen Generation mehr oder weniger unmittelbar erfaßte. Wer das preußische Militär und den Drill in den Fabriken durchlaufen hatte - die "Schule der Nation - der war nicht mehr derselbe wie zuvor, und der erzog auch seine Kinder nicht wie ehedem. Zum Vergleich: in Deutschland überwog die städtische Bevölkerung die ländliche schon in den achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts, in Frankreich z.B. erst 1936.
In Großbritannien, dem kapitalistischen Land par exellance, verlief die Entwicklung etwas anders, so dass sich auch der »Nationalcharakter« anders äußert. Ganz wichtig ist hierbei, dass seit der Bauernrevolte 1381 zwar noch soziales Unrecht und Elend herrschten, aber keine unmittelbare Abhängigkeit mehr. Man verdingte sich und arbeitete in Gruppen. Die Leibeigenschaft war aufgehoben, und nach und nach eroberte man sich die bürgerlichen Freiheiten, in Deutschland erst 1918 durchgesetzt. Obrigkeitsstaatliches Denken und Kadavergehorsam sind dem Engländer daher fremd. In diesem Zusammenhang ist von Bedeutung, dass Großbritannien stets eine Berufsarmee unterhielt und keine Wehrpflicht kannte, so dass junge Männer eben von »preußischen« Tugenden unbehelligt blieben.