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Spitalfields

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E1: Spitalfields

U Aldgate East und Bhf/U Liverpool St.

Viele Generationen von Einwanderern haben Spitalfields geprägt, ohne seine „Persönlichkeit“ zu ändern.

Migranten. Als erste richteten französische Hugenotten seit dem 17. Jh. ihre Webereien in Dachgeschossen der Elder St und Fournier St ein. Nach der Hungerkatastrophe auf ihrer Insel 1845/46 folgten verelendete Iren, bevor 1880-1914 Juden in Spitalfields Fuß fassten. Auch sie hatten sich häufig auf die Textilherstellung verlegt. Damals wurde das Viertel zur Hochburg anarchistischer Agitation, oder von Philanthropen jeder Couleur. Am Portal der Kirche von Spitalfields künden Gedenktafeln von ihren Bemühungen, die Juden zum Christentum zu bekehren.

Nach 1945 blieb das Schneiderhandwerk der größte Arbeitgeber, ging nun aber in die Hände von Indern und Bangladeshi über, während viele Juden mit dem erworbenen Geld weiter nach nördl. zogen. Hie und da entdeckt man aber noch ihre Aushängeschilder: Synagogen, koschere Restaurants und Bäckereien mit frischen beigel.
Idioten. 1978 erlebte Spitalfields die Brick Lane Riots, nachdem 150 weiße Jugendliche plündernd durchs Bengalenviertel gezogen waren. Sie bildeten die Nachgeburt jener British Union of Fascists, die 1934-36 unter Sir (!) Oswald Mosley jüdische Viertel überfallen hatte. Bei ihrem größten Aufmarsch wurden die Schwarzkittel (blackshirts) am 4. Okt 1936 in Whitechapel von 50.000 Gegnern gestoppt und so gründlich vermöbelt, dass von ihnen nichts Großes mehr zu hören war. Eine Wandmalerei an der Town Hall (Cable St) erinnert daran.

Towers Hamlets TIC: 18 Lamb St, E1, T. 7364 4971. www.towerhamlets.gov.uk und www.spitalfields.org.uk. 300m östl. von Bhf/U Liverpool St. Mo-Fr 9.30-16.30h, Sa dicht, So 11.30-14.30h. Führung durch Spitalfields frei, jeden So 14.30h.

Bangla Town: Was duftet denn da?

Wie tief Spitalfields fernöstlich geprägt ist, zeigt schon seine Beschilderung. 60.000 Bangladeshi leben im East End, auch Bangla Town genannt. Jeder Straßenname ist auf englisch und bengali angeschrieben, bengalische Läden bestimmen das Bild, Bäckereien mit grellen Süßigkeiten im klebrigen Sirup begeistern Besucher mit einem sweet tooth. In Supermärkten glotzen Fische traurig aus Kühltruhen, daneben türmen sich Trockengemüse und 372 Reissorten, alles duftet nach Curry oder Chutney. Von vielen Früchten kennen Engländer nicht einmal den Namen.

Brick Lane: Ein Spaziergang

Spitalfields´ hübscheste Straße. Seit dem 16. Jh. wurden in der Brick Lane Backsteine gebrannt, aber nicht nur das: Zwischen all den Schneiderwerkstätten steht noch Londons vormals größte Brauerei.

Old Truman´s Brewery . Eröffnet 1722. Den Umfang ihres einstigen Erfolgs mag man am Umfang des Director´s House (1740) links der Mälzerei ablesen. Das letzte Black Eagle wurde 1989 abgefüllt, bevor ein Kulturzentrum samt Cool Couture und Café in Trumans Reich einzog.

Atlantis Gallery. Einen Teil des Kulturzentrums in der umgebauten Brauerei nimmt jene Kunstgalerie ein, in der im Nov 2002 Gunther von Hagens erste Seziershow (650 Zuschauer, Eintritt 20 €) an einer aufgetauten Leiche stattfand - im Revier Jack the Rippers. Herr Liebchen, der den Namen seiner Frau angenommen hat, ist bekannt (und umstritten) durch seine Ausstellung „Körperwelten“.

New French Church . Diese Kirche 200m südl. der Brauerei dient als treffliches Symbol für Spitalfields´ Migrationsgeschichte. Hugenotten hatten sie 1743 errichtet, bald darauf aber aufgegeben. 1899 wurde daraus die Große Synagoge für Juden aus Osteuropa. 1975 trat das Gebäude schließlich dem Islam bei, als Große Moschee der Bengalengemeinde.

Flohmärkte. Jeder Tourist kennt den So-Markt auf der Petticoat Lane. Ein Stückchen weiter breitet sich der urigere Brick Lane Market aus, der tgl. eine reiche Auswahl an Billigklamotten, Haushaltsgeräten, Trödel und politischer Literatur bietet. Radikal ist hier nicht out. Am meisten ist natürlich am So los, wie auch beim nächsten Schmuckstück des East End, dem Columbia Rd Flower Market in Bethnal Green.

Spitalfields Market. Das regste Treiben herrscht jedoch tgl. einen Block weiter w, zwischen Commercial, Brushfield und Lamb St. Im überdachten Spitalfieldsmarkt treibt seit 1682 das Cockneywesen fröhliche Urständ. Mo-Fr 10-16h gibt es Bio-Obst & Gemüse, am So 9-17h auch bis zu 300 Stände mit Büchern, Musik, Klamotten und Haushaltszeug. Die Zahl der Touristen reicht gerade mal, um ein Bimmelbähnchen unter „Dampf“ zu halten (Märkte siehe auch Einkaufen).

Seit dem Erfolg der Canary Wharf-Türme in den Docklands fürchtet die Corporation of London, dass die City abgehängt werde. Also wurde fieberhaft nach Baulücken gesucht. 2001 meinte man, mit Spitalfields Market eine Spitzenlage für den nächsten Bürokomplex von Norman Foster gefunden zu haben. Der Markt könne weiter bestehen, allerdings werde der westl. Teil mit den Vorratslagern abgerissen. Sogleich erhob sich eine laute Opposition, und seither steht London wieder vor seiner Lieblingsfrage: Altes konservieren oder durch Neues ersetzen? Näheres bei der Bürgerinitiative SMUT (www.smut.org.uk).
Christ Church. Schräg gegenüber vom SM befindet sich Nicholas Hawksmoors barockes Meisterwerk (Commercial St, Ecke Fournier St, T. 7247 7202. Mo-Fr 12.30-14.30h, So -16.30h. Eintritt frei). Es wurde 1712-26 für die Hugenotten des Viertels errichtet, die von der Seidenweberei lebten, und soll nach langer Restaurierung bald in neuem Glanz erstrahlen.

Pause. Wer es exotischer mag, findet entlang der engen Straße fast 40 curry houses, vom exzellenten Sweet & Spicy (40 Brick Lane) bis zum Saffron. Alle Restaurants im Bangla-Style unter www.bricklanerestaurants.com.